Der Gesetzgeber hat in § 7 Abs. 4 S. 2 EStG ausdrücklich die AfA nach der tatsächlichen ND zugelassen, falls sie kürzer als die sich rechnerisch ergebenden 33, 40 bzw. 50 Jahre ist.

Begründet hat er dies, weil es bei Betriebs- und ("in Ausnahmefällen") auch bei Wohngebäuden vorkomme, dass die tatsächliche ND nachweislich kürzer sei und es "in diesen Fällen zu unzureichenden Absetzungen (...) und (damit) zu einer überhöhten Besteuerung" komme. Für diese Fälle müsse deshalb zugelassen werden, dass den AfA die kürzere tatsächliche ND des Gebäudes zugrunde gelegt werde.[5]

[5] Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden, BT-Drucks. IV/2008, 10.

I. Wahlrecht

Da der tatsächlichen ND entsprechende AfA vorgenommen werden können, handelt es sich um ein Wahlrecht.

Auch nachträgliche Ausübung des Wahlrechts möglich: Dieses muss nicht zwingend ab Anschaffung/Herstellung ausgeübt werden. Der Steuerpflichtige kann auch nachträglich von Absetzungen nach § 7 Abs. 4 S. 1 EStG auf die erhöhten Absetzungen nach S. 2 übergehen, wenn ihm die dafür maßgeblichen Umstände erst nachträglich bekannt werden. Der Gesetzeswortlaut stelle auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum ab, in dem die Änderung geltend gemacht wird. In dieser Periode müssen die Voraussetzungen vorliegen.

Beraterhinweis Es genügt insoweit nicht, dass die Voraussetzungen möglicherweise zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, ohne dass von § 7 Abs. 4 S. 2 EStG Gebrauch gemacht worden wäre.[6]

 

Beispiel

C erwirbt zum 1.1.2011 ein Gebäude (Bj. 1900), welches er zu Wohnzwecken vermietet und schreibt dieses zunächst mit jährlich 2,5 % der Anschaffungskosten nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ab.

Im Rahmen der ESt-Erklärung für das Jahr 2020 wird eine Abschreibung von 6,25 % des Restwertes geltend gemacht. Zur Begründung wird ein Gutachten vorgelegt, laut welchem bei Erwerb des Grundstücks in 2011 lediglich noch von einer ND von 25 Jahren auszugehen gewesen sei, was nunmehr einer Rest-ND von 16 Jahren entspreche.

Lösung: Es kommt allein auf eine aus der Sicht des Streitjahres zu treffende Prognose an, die der Steuerpflichtige darzugelegen hat. Das Gutachten mag zwar den Schluss rechtfertigen, dass im Zeitpunkt der Anschaffung eine kürzere wirtschaftliche ND gerechtfertigt gewesen sein könnte. Erforderlich ist jedoch der Nachweis, ob im Streitjahr die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG vorlagen.[7]

Wechsel zurück ebenfalls zulässig: Hat der Steuerpflichtige die AfA zunächst nach einer kürzeren ND bemessen, kann er umgekehrt später wieder zurück zu dem normalen Satz, der sich nach Satz 1 ergibt, wechseln.[8]

Beraterhinweis Die Wahlmöglichkeit darf jedoch nicht zu willkürlichen Steuerverlagerungen ausgenutzt werden.[9]

[8] Stuhrmann in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 7 Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung, Rz. 181 (11/2020) m.w.N.
[9] Stuhrmann in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 7 Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung, Rz. 181 (11/2020) m.w.N.

II. Nutzungsdauer

Nutzungsdauer i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 2 EStG ist nach § 11c Abs. 1 S. 1 EStDV der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Er beginnt mit Anschaffung bzw. Fertigstellung.[10]

[10] Bei Anschaffung/Herstellung nach dem 20.6.1948. Zu Besonderheiten im Land Berlin und im Saarland s. § 11c Abs. 1 S. 3 EStDV.

1. Erwerb einer gebrauchten Immobilie

Eine höhere Abschreibung aufgrund einer kürzeren ND kommt jedoch nicht etwa bereits deshalb in Betracht, weil ein Gebäude gebraucht erworben wurde und von der ND deshalb bereits ein Teil "verbraucht" wurde. Beim Erwerb einer solchen Immobilie richtet sich die Abschreibung – unabhängig davon, ob dafür bereits Abschreibungen vorgenommen wurden – somit erneut nach der typisierten ND, auch wenn

  • sich dadurch insgesamt eine deutlich längere ND ergibt,
  • die bei mehrfacher Veräußerung auch zu einer Gesamt-ND von mehr als 100 Jahren führen kann.

Schon der Gesetzgeber hatte in seiner Begründung die ND stets als den "Zeitraum der voraussichtlichen Nutzung des Gebäudes durch den jeweiligen Eigentümer" definiert.[11] Gründe, die in der Person des Steuerpflichtigen liegen, wie z.B. dessen voraussichtliche Lebenserwartung[12] oder eine beabsichtigte Betriebsaufgabe[13] sind jedoch unbeachtlich.

[11] Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden, BT-Drucks. IV/2008, 10; bestätigt durch BFH v. 28.9.1971 – VIII R 73/68, BStBl. II 1972, 176 Rz. 10.
[12] Anzinger in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 7 EStG Rz. 303 (12/2021).

2. Kürzere Dauer eines Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses

Auch die ggf. abweichende kürzere Dauer eines Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses begründet keine (voraussichtliche) tatsächliche ND des Gebäudes.[14]Beachten Sie: Das gilt nach der Rechtsprechung selbst dann, wenn das vermietete Wirtschaftsgut speziell auf ...

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