Rz. 113

Behält sich jemand anläßlich der schenkweisen Übertragung von Kapitalvermögen an den übertragenen Wirtschaftsgütern den Nießbrauch vor oder ist der Nießbraucher an Kapitalvermögen durch einen Erben als neuem zur Verfügung über das Kapitalvermögen Berechtigten aufgrund einer letztwilligen Verfügung bestellt worden, sind die Einnahmen nach Tz. 55 des Nießbrauchserlasses vom 23.11.1983[1], dem Nießbraucher zuzurechnen. Diese Auffassung ist zu begrüßen, steht sie doch im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung zum Vorbehaltsnießbrauch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Wenn nämlich nach Auffassung des BFH der Vorbehaltsnießbrauch an einem Grundstück keine Gegenleistung des Erwerbers darstellt, der Vorbehaltsnießbraucher sein Nutzungsrecht vielmehr unmittelbar aus seinem früheren Eigentum ableitet[2], dann muß dies gleichermaßen auch für den Vorbehaltsnießbrauch bei Einkünften aus Kapitalvermögen gelten, so daß der Nießbraucher als Quelleninhaber angesehen wird. Nach der neuen Auffassung von der Quelleninhaberschaft ist es ja auch der Vorbehaltsnießbraucher, der den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen erfüllt. Einer Umdeutung in als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abzugsfähige Renten oder dauernde Lasten bedarf es daher nicht mehr.

 

Rz. 114

In einem vom FG Düsseldorf entschiedenen Fall (v. 12.4.1989, NWB-Eiln. Fach 1, 291) hatte ein Steuerpflichtiger durch notariell beurkundeten Schenkungsvertrag seinen voll eingezahlten Geschäftsanteil an einer GmbH schenkweise auf seine drei Kinder übertragen und sich gleichzeitig ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht in Höhe von 70 v.H. der aus den geschenkten Geschäftsanteilen fließenden Einkünfte sowie weitgehende Widerrufsrechte vorbehalten. Das Nießbrauchsrecht sollte nach dem Tode des Steuerpflichtigen seiner Ehefrau zustehen. Weiterhin hatten die Kinder eine für die Dauer von 5 Jahren unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht zugunsten des Steuerpflichtigen als dem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH erteilt.

Das FG Düsseldorf hat die vom Finanzamt vertretene Rechtsauffassung bestätigt, wonach die Einkünfte aus Kapitalvermögen dem Steuerpflichtigen in voller Höhe zuzurechnen seien, weil er wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile geblieben sei.

 

Rz. 115

Nach Auffassung der FinVerw (vgl. BMF v. 23.11.1983, Tz. 55, a.a. O.) gilt das für den Vorbehaltsnießbraucher Gesagte auch für den Vermächtnisnießbraucher. Eine derartige Auffassung hält der IX. Senat des BFH jedoch in einem kürzlich entschiedenen Fall für den Vermächtnisnießbrauch an Grundstücken hinsichtlich der Fortsetzung der erhöhten Absetzung oder AfA des Erblassers nicht für berechtigt, da die vom Erblasser getragenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach dessen Tod nicht dem Vermächtnisnießbraucher, sondern den Erben als Gesamtrechtsnachfolgern des Erblassers zuzurechnen seien; etwas anderes würde sich auch nicht aus § 11d Abs. 1 EStDV ergeben[3]. Es hätte durchaus nahegelegen, daß die Finanzverwaltung die neue Sichtweise auch auf die Zurechnung von Einkünften aus Kapitalvermögen ausgedehnt hätte. Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Finanzverwaltung hat in dem 3. Nießbrauchserlaß von 1998 (a.a. O.) nur den Vermächtnisnießbrauch bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung neu geregelt, ansonsten aber betont, daß für die Zurechnung von Einkünften bei Kapitalvermögen weiterhin die Grundsätze des 1. Nießbrauchserlasses in den Tz. 55ff. weiterhin gelten sollen. Daher ist der Vermächtnisnießbrauch bei Kapitaleinkünften weiterhin wie ein Vorbehaltsnießbrauch zu behandeln.

 

Rz. 116

Aus der steuerlichen Anerkennung von Vorbehalts- und Vermächtnisnießbrauchsbestellungen bei Einkünften aus Kapitalvermögen ergibt sich, daß der Anspruch auf Anrechnung der Körperschaftsteuer dem Nießbraucher zusteht[4]. Der Anrechnungsbetrag ist folgerichtig auch von dem Nießbraucher gemäß § 20 Abs. 2a Satz 3 i. d. F. StandOG 1994 i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1—3 und § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG zu versteuern.

Soweit er belastet ist, stehen dem Nießbraucher Werbungskosten nach § 9 EStG zu, beim Brutto-Nießbrauch wohl nicht in Höhe der vom Besteller getragenen Aufwendungen (vgl. Tz. 55 des Nießbrauchserlasses v. 23.11.1983, a.a. O.). Dem Besteller stehen weder Einnahmen noch Werbungskosten zu[5].

 

Beispiel 1:

Eltern schenken ihren Kindern Wertpapiere unter Nießbrauchsvorbehalt. Die Einkunftsquelle bleibt bei den Eltern.

 

Beispiel 2:

Vater V stirbt. In einer letztwilligen Verfügung hat er seine Kinder zu Erben eingesetzt. Zum Nachlaß gehören Grundstücke und Wertpapiere. Der überlebenden Ehefrau sind zur Sicherung ihrer Versorgung Nießbrauchsrechte an den Vermögensgegenständen eingeräumt. Sowohl die Grundstücks- als auch die Wertpapiererträge sind der überlebenden Ehefrau als Nießbraucherin originär zuzurechnen. Bei strikter Anwendung des BFH v. 14.12.1976 (a.a. O.) wäre hinsichtlich der Grundstückserträge ein Quellenübergang anzunehmen gewesen, hinsichtlich der Wertpapiererträge jedoch ...

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