2.1 Allgemeines
Rz. 8
Nach § 44a Abs. 1 S. 4 EStG ist in den von dieser Vorschrift erfassten Fällen (Rz. 14f.) der Steuerabzug nicht vorzunehmen, wenn
- der Gläubiger der Kapitalerträge im Zeitpunkt des Zufließens dieser Kapitalerträge unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist und
- anzunehmen ist, dass auch für Fälle der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG keine Steuer entsteht.
Rz. 9
§ 44a Abs. 1 S. 4 EStG musste mit Einführung der Abgeltungsteuer für private Einkünfte aus Kapitalvermögen mit Wirkung zum 1.1.2009 angepasst werden. Seit der Änderung des § 44a Abs. 1 S. 4 EStG ist die Abstandnahme vom Steuerabzug nicht mehr von einer fehlenden Veranlagungsverpflichtung abhängig. Denn eine Veranlagung zur ESt findet mit Einführung der Abgeltungsteuer auch dann nicht statt, wenn der Stpfl. erhebliche, weit über den Grundfreibetrag hinausgehende Einnahmen aus Kapitalanlagen hat. Der Steuerabzug in Höhe des gesonderten Steuertarifs gilt auch für den Einkommensmillionär, ohne dass eine Veranlagung hinsichtlich der Kapitalerträge erforderlich ist. Der Verzicht auf die Einkommensbesteuerung auch hinsichtlich der Kapitalerträge im Steuerabzugsverfahren in Form der Abstandnahme vom KapESt-Abzug ist nach Einführung der Abgeltungsteuer vielmehr nur dann möglich, wenn unter Hinzurechnung aller privaten Kapitalerträge i. S. d. § 20 EStG zu den Einkünften i. S. d. § 2 EStG und Unterwerfung unter die tarifliche ESt keine ESt geschuldet ist. Dies ist der für die Finanzverwaltung geltende Prüfungsmaßstab. Liegen diese Voraussetzungen vor, so erteilt das FA eine NV 1-Bescheinigung (Rz. 48), welche wiederum formelle Voraussetzung für die Abstandnahme gem. § 44a Abs. 1 S. 4 EStG ist (vgl. § 44a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG).
Rz. 10
Außerdem ist bei den in § 44a Abs. 1 EStG genannten Kapitalerträgen, die einem unbeschränkt stpfl. Gläubiger zufließen, nach S. 1 der Vorschrift der Steuerabzug nicht vorzunehmen, soweit diese Kapitalerträge – zusammen mit den in das Freistellungsvolumen (Rz. 20ff.) einzubeziehenden Kapitalerträgen, für die die erhobene KapESt im Einzelantragsverfahren oder im vereinfachten Erstattungsverfahren gem. § 44b EStG erstattet werden kann, sowie den Kapitalerträgen i. S. d. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a EStG – den Sparer-Pauschbetrag nicht überschreiten.
Rz. 11 einstweilen frei
Rz. 12
Um die Abstandnahme vom Steuerabzug zu erreichen, muss der Gläubiger der Kapitalerträge (zum Begriff § 44 EStG Rz. 8ff.) dem zum Steuerabzug Verpflichteten (§ 44 EStG Rz. 19ff.)
- entweder eine NV-Bescheinigung (Rz. 44ff.) vorlegen
- oder einen Freistellungsauftrag (Rz. 18ff.) erteilen.
Rz. 13
Der für die Erhebung der KapESt maßgebende Begriff der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle ist in § 44 Abs. 1 S. 4 EStG definiert (§ 44 EStG Rz. 31ff.; zur Abstandnahme vom Steuerabzug nach § 44a EStG in den Fällen der Finanzportfolioverwaltung durch ein inländisches Finanzdienstleistungsinstitut Rz. 106ff.).
2.2 Von der Abstandnahme vom Steuerabzug erfasste Kapitalerträge
Rz. 14
Die Abstandnahme vom Steuerabzug ist bei unbeschränkt stpfl. Personen nach § 44a Abs. 1 S. 1 EStG vorgesehen, wenn sie Gläubiger von Kapitalerträgen i. S. d. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, 3 bis 7 und 8–12 sowie S. 2 EStG sind.[1] Gemeint sind Kapitalerträge i. S. d.
§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, d. h. Einnahmen aus Gewinnanteilen und Mitgliedschaftsrechten. Darunter fallen folgende Erträge:
- Dividenden aus Aktien (Anteilen an AG, SE und KGaA), soweit diese nicht börsennotiert sind und daher unter Abs. 10 fallen;
- Erträge aus Anteilen an einer GmbH;
- Erträge aus Anteilen an bergbautreibenden Vereinigungen, die die Rechte einer juristischen Person haben (§ 43 EStG Rz. 29);
- Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, soweit diese nicht in § 43 Abs. 1 Nr. 1a EStG genannt sind und unter Abs. 10 fallen. Die Abstandnahme nach § 44a Abs. 1 S. 1 EStG ist somit nur möglich, wenn die Genussrechte nicht sammelverwahrt sind (§ 43 EStG Rz. 29).
- Die Abstandnahme vom Steuerabzug ist bei diesen Kapitalerträgen möglich, sofern diese dem Gläubiger nach dem 31.12.2012 zufließen (§ 52a Abs. 16c S. 3 EStG).
- § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG aus Genussrechten, die nicht in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannt sind (zinsähnliche Genussrechte). Bei den anderen in § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG genannten Erträgen aus Wandelanleihen oder Gewinnobligationen ist die Abstandnahme nur bei Vorlage einer NV-Bescheinigung gem. § 44a Abs. 1 S. 4 EStG möglich, nicht aber bei Vorlage eines Freistellungsauftrags gem. § 44a Abs. 1 S. 1 EStG (Rz. 14b),
- § 43 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG aus Anteilen, die von einer Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Arbeitnehmern überlassen worden sind unter den in Rz. 16a-16d genannten Voraussetzungen,
- § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG, d. h. Einnahmen aus stiller Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG (§ 43 EStG Rz. 55ff.),
- § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG, d. h. Erträge aus Versicherungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG (§ 43 EStG Rz. 60ff.),
- § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 6, d. h. ausl....
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