Rz. 44

Übersteigen die im Laufe eines Kj. zufließenden Kapitalerträge das Freistellungsvolumen von 801 EUR bzw. 1.602 EUR (Rz. 20ff.), kann der Gläubiger der Kapitalerträge die Abstandnahme vom Steuerabzug dadurch erreichen, dass er dem Schuldner bzw. dem depot- oder kontenführenden inländischen Kreditinstitut oder dem mit der Finanzportfolioverwaltung beauftragten inländischen Finanzdienstleistungsinstitut – als der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle – durch die Vorlage des Originals einer NV-Bescheinigung nachweist, dass

  • er im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge unbeschränkt stpfl. ist,
  • anzunehmen ist, dass auch für Fälle der Günstigerprüfung nach § 32d EStG keine Steuer entsteht. Dass eine Veranlagung nicht in Betracht kommt, ist für die Erteilung von NV-Bescheinigungen und für die Abstandnahme vom KapESt-Abzug seit Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 nicht mehr relevant (Rz. 9).
 

Rz. 45

Die NV-Bescheinigung stellt das für den Gläubiger der Kapitalerträge zuständige Wohnsitz-FA auf Antrag aus (Rz. 50ff.). Die NV-Bescheinigung für natürliche Personen (Vordruck NV 1 B) ist als Mehrzweckvordruck so gestaltet, dass sie in all den Fällen Verwendung finden kann, in denen einer natürlichen Person auf Antrag eine solche NV 1-Bescheinigung erteilt wird.

 

Rz. 45a

In der NV 1-Bescheinigung bescheinigt das Wohnsitz-FA demjenigen, auf dessen Namen die Bescheinigung ausgestellt ist, dass in dem Zeitraum, für den die Bescheinigung gültig ist, für ihn im Fall einer Günstigerprüfung nach § 32d EStG voraussichtlich keine Steuer entsteht. Demzufolge ist von den ihm zufließenden Kapitalerträgen i. S. d. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 bis 7 und 8 bis 12 sowie S. 2 EStG nach § 44a Abs. 1 S. 4 EStG der Steuerabzug vom Kapitalertrag nicht vorzunehmen,

 

Rz. 46

Eine NV 1-Bescheinigung wird allerdings erst dann erteilt, wenn die genannten Kapitalerträge bei dem Gläubiger insgesamt zwar den Betrag von 801 EUR bei Einzelveranlagung bzw. von 1.602 EUR bei Zusammenveranlagung übersteigen, aber nicht dazu führen, dass nach Abzug des Freistellungsvolumens die Veranlagungsgrenze des § 56 EStDV überschritten wird. Sind die Kapitalerträge nicht höher als 801 EUR bzw. 1.602 EUR, wird das Wohnsitz-FA die Erteilung einer NV-Bescheinigung ablehnen und den Gläubiger der Kapitalerträge darauf verweisen, dass er die Abstandnahme vom Steuerabzug durch Erteilen eines Freistellungsauftrags erreichen kann (Rz. 18ff.). Ist die NV 1-Bescheinigung erteilt und dem zum Steuerabzug Verpflichteten vorgelegt worden, so kann betragsmäßig unbegrenzt vom Steuerabzug Abstand genommen werden. Eine Meldung der durch die NV 1-Bescheinigung freigestellten Kapitalerträge muss nach § 45d Abs. 1 EStG nicht erfolgen, sofern die Kapitalerträge dem Gläubiger vor dem 1.1.2013 zufließen. Für danach zufließende Kapitalerträge ist durch das JStG 2010 v. 8.12.2010[1] eine Meldepflicht in § 45d Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG auch hinsichtlich der durch NV-Bescheinigung gem. § 44a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG vom KapESt-Abzug freigestellten Kapitalerträge eingeführt worden.

 

Rz. 47

Eine NV-Bescheinigung wird nicht erteilt, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge entweder von Amts wegen oder auf Antrag zur ESt zu veranlagen ist, und das selbst dann, wenn die Veranlagung voraussichtlich nicht zu einer Festsetzung von Steuer führt (R 44b.2 Abs. 2 S. 1f. EStR 2012).

 

Rz. 47a

Weil Arbeitnehmern die Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zur Verfügung steht oder sie eine ESt-Erklärung abzugeben haben, wenn für sie eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 Buchst. b EStG in Betracht kommt (§ 56 EStDV), haben Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Erteilung einer NV-Bescheinigung. Jedoch steht es dem Arbeitnehmer frei, die Abstandnahme vom Steuerabzug durch Erteilen eines Freistellungsauftrags zu erreichen (Rz. 25ff.).

 

Rz. 48

Zu den Voraussetzungen für die Erteilung einer NV 1-Bescheinigung gehört u. a., dass für den Antragsteller anzunehmen ist, dass auch für Fälle der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG keine Steuer entsteht. Im Fall der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG wird das FA die nach § 20 EStG ermittelten Einkünfte aus Kapitalvermögen den übrigen Einkünften nach § 2 EStG hinzurechnen. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen erhöhen somit die anderen Einkünfte i. S. d. § 2 EStG. Eine Steuer kommt unter Berücksichtigung des so ermittelten Einkommens dann nicht in Betracht, wenn die Veranlagungsgrenze nicht überschritten wird.

 

Rz. 49

Die Veranlagungsgrenze des § 56 S. 1 Nr. 1 Buchst. a bzw. Nr. 2 Buchst. a EStDV entspricht ab Vz 2009 dem Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG. Erst wenn das zu versteuernde Einkommen den Grundfreibetrag übersteigt, führt dies zur Festsetzung von ESt.

[1] BStBl I 2010, 1394.

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