Rz. 46

Die Vergleichsrechnung (Günstigerprüfung), ob der Anspruch auf das Kindergeld den fehlenden Abzug der Freibeträge nicht ausgleichen kann, ist auf das einzelne Kind, beginnend mit dem ältesten Kind, zu beziehen.[1] Wegen der unterschiedlichen Höhe des Kindergelds (§ 66 Abs. 1 EStG) und wegen der abnehmenden steuerentlastenden Wirkung der Freibeträge kann nur so festgestellt werden, ob die Entlastungswirkung für jedes einzelne Kind eingetreten ist.[2] Der Kinderfreibetrag ist nur dann abzuziehen, wenn das Kindergeld, bezogen auf das jeweilige Kind, für die erforderliche Steuerfreistellung nicht ausreicht. Das höhere Kindergeld für das 4. und weitere Kinder darf also nicht für die Steuerfreistellung des Existenzminimums der älteren Kinder herangezogen werden.[3]

Bis 2003 war für den Umfang der Hinzurechnung nicht der Kindergeldanspruch, sondern das tatsächlich gezahlte Kindergeld ausschlaggebend.

Seit 2004 (StÄndG 2003; Rz. 2) ist Berechnungsgrundlage der Anspruch auf Kindergeld. Die tarifliche ESt ist allerdings nur dann um den Anspruch auf Kindergeld zu erhöhen, wenn ein solcher Kindergeldanspruch tatsächlich bestanden hat.[4] Mit Anspruch ist der ursprünglich abstrakte Anspruch auf Kindergeld gemeint. Die Hinzurechnung des Kindergeldanspruchs hat nicht etwa deshalb zu unterbleiben, weil zum Zeitpunkt der Vergleichsrechnung der Kindergeldanspruch durch Auszahlung – Erfüllung – bereits erloschen ist.[5] Damit ist allein auf das objektive Bestehen des Anspruchs abzustellen.

Es kommt auch nicht darauf an, ob das Kindergeld tatsächlich gezahlt worden ist. Das gilt selbst dann, wenn ein Kindergeldantrag trotz des materiell-rechtlichen Bestehens des Anspruchs bestandskräftig abgelehnt worden ist. Ein Kindergeld-Ablehnungsbescheid entfaltet für das Besteuerungsverfahren keine Tatbestandswirkung, da es sich bei den Familienkassen im Verhältnis zu den FÄ nicht um ressortfremde Behörden handelt.[6]

Das kann zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, wenn die Familienkasse einen Kindergeldanspruch – zu Unrecht – abgelehnt hat und der Bescheid bestandskräftig geworden ist. Dem Stpfl. werden in diesem Fall, wenn das Kindergeld günstiger als die Freibeträge ist, sowohl das Kindergeld als auch die Freibeträge versagt – oder, wenn die Freibeträge die Wirkung des Kindergelds übersteigen, im Einzelfall nur ein geringerer steuerlicher Ausgleich gewährt.

Ebenso wie es bis 2003 nicht darauf ankam, ob das Kindergeld dem Stpfl. oder einem Dritten gezahlt wurde, ist auch nach der Fassung ab 2004 nicht entscheidend, ob der Kindergeldanspruch dem Stpfl. oder – z. B. nach § 64 Abs. 2 oder § 74 EStG– einem Dritten zusteht, aber dem Stpfl. wirtschaftlich zugutekommt.

Werden statt des Kindergelds andere Leistungen für Kinder gezahlt (§ 65 Abs. 1 EStG), sind diese Leistungen bei der Günstigerprüfung anzusetzen. Einzubeziehen sind auch die nach § 65 Abs. 2 EStG als Kindergeld zu zahlenden Unterschiedsbeträge.

Bei Auslandskindern, für die nach einem zwischenstaatlichen Abkommen geringeres Kindergeld gezahlt wird (§ 66 EStG Rz. 6ff.), sind diese Beträge in die Günstigerprüfung einzubeziehen. Als Vergleichsmaßstab können hier die nach der sog. Ländergruppeneinteilung gem. § 32 Abs. 6 S. 4 geminderten Freibeträge (§ 32 EStG Rz. 122ff.) heranzuziehen sein.

Für Vz bis 2006 war umstritten, ob bei der Vergleichsberechnung auf den Kalendermonat oder auf den gesamten Vz abzustellen ist. Dies konnte von Bedeutung sein, wenn für ein Kind nicht für jeden Monat, in dem es steuerlich zu berücksichtigen ist, Kindergeld gezahlt wird oder wenn sich der Kindergeldsatz geändert hat (sog. Wechselfälle). Der BFH ging vom Monatsprinzip aus[7], während lt. Finanzverwaltung das Jahresprinzip maßgeblich war.[8]

Mit dem JStG 2007 (Rz. 2) wurde durch Änderung der S. 1 und 4 bei der Günstigerprüfung ab 2007 aus Vereinfachungsgründen das Jahresprinzip eingeführt. Danach ist der – während des für das Kj. insgesamt bestehende – Kindergeldanspruch den Freibeträgen für das gesamte Kj. gegenüberzustellen. Eine Zwölftelung und damit eine monatliche Betrachtung treten allerdings ohnehin immer dann ein, wenn die Berücksichtigungsvoraussetzungen für ein Kind während des Kj. wegfallen oder eintreten. Denn dann ist nach § 32 Abs. 6 S. 5 EStG eine entsprechende Ermäßigung der Freibeträge vorgesehen. Die Jahresbetrachtung führt nur zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn die Berücksichtigungsvoraussetzungen für das ganze Jahr gegeben sind, die Familienkasse jedoch zu Unrecht bestandskräftig den Kindergeldanspruch abgelehnt hat.

Bei nicht zusammen veranlagten Eltern wird nach der Fassung des S. 4 Halbs. 2 durch das StÄndG 2003 (Rz. 2) ab 2004 der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt. Anders als nach S. 6 i. d. F. bis 2003 kommt es auf das Bestehen eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs nicht mehr an. Das bedeutet, dass bei dem Stpfl., dem nur ein einfacher Kinderfreibetrag (für das sächliche Existenzminimum) gem. § 32 Abs. 6 S. 1 EStG zusteht, auch nur der hälftig...

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