Rn. 240

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Die nach § 31 S 4 EStG von Amts wegen durchzuführende Vergleichsrechnung (BFH v 16.03.2004, VIII R 86/98, BStBl II 2005, 332; BFH v 16.03.2004, II R 88/98, BStBl II 2005, 594) wird schlagwortartig als Günstigerprüfung bezeichnet. Diese Bezeichnung ist allerdings unzutreffend.

Gegenstand der Prüfung ist nicht, ob der Anspruch auf Kindergeld oder die Berücksichtigung der Freibeträge für Kinder nach § 32 Abs 6 EStG für die zusammen veranlagten Eltern steuerlich "günstiger" ist, sondern es wird durch eine Vergleichsrechnung geprüft, ob es zur Herstellung einer verfassungsgemäßen Einkommensbesteuerung des Abzugs der Freibeträge für Kinder gemäß § 32 Abs 6 EStG bedarf oder ob dazu der Anspruch auf Kindergeld nach dem X. Abschnitt ausgereicht hat. Es sollte deshalb anstelle des Schlagworts der Günstigerprüfung der Begriff der Vergleichsrechnung verwendet werden, H 31 EStH 2020 "Prüfung der Steuerfreistellung". Die Vergleichsrechnung ist entsprechend dem Wortlaut des § 31 S 4 EStG ab dem VZ 2007 bezogen auf den gesamten VZ durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn der Kindergeldanspruch nur für einen Teil des VZ bestanden hat. Bei der Vergleichsrechnung wird der Anspruch nach § 1 BKGG nicht berücksichtigt, aA Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, § 31 EStG Rz 22 (Mai 2019).

 

Rn. 241

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Für nicht zusammen veranlagte Eltern wird die Regelung über die Durchführung der Vergleichsrechung durch die Vorschrift des § 31 S 4 Hs 2 EStG ergänzt, ausführlich dazu s Rn 300ff.

 

Rn. 242

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Die Vergleichsrechnung ist für jedes Kind gesondert anzustellen, und zwar beginnend mit dem ältesten Kind, BFH v 28.04.2010, III R 86/07, BStBl II 2011, 259. Dass die Vergleichsrechnung kindbezogen durchzuführen ist und keine Gesamtberechnung unter Einbeziehung sämtlicher Kinder erfolgt, ergibt sich mittelbar aus § 32 Abs 6 EStG, danach wird "für jedes zu berücksichtigende Kind ein Freibetrag für das sächliche Kinderexistenzminimum (Kinderfreibetrag) ... abgezogen".

Die Vergleichsrechnung ist auch dann kindbezogen durchzuführen, wenn eine Zusammenfassung der Freibeträge für zwei und mehr Kinder wegen der Besteuerung außerordentlicher Einkünfte nach § 34 Abs 1 EStG (sog Fünftelregelung) günstiger wäre; ein Wahlrecht, die für mehrere Kinder zu gewährenden Freibeträge zusammenzufassen, besteht nicht, H 31 EStH 2020 "Prüfung der Steuerfreistellung"; BFH v 28.04.2010, III R 86/07, BStBl II 2011, 259; BFH v 19.04.2012, III R 50/08, BFH/NV 2012, 1429; Loschelder in Schmidt, § 31 EStG Rz 13 (40. Aufl); kritisch Siegel, DStZ 2010, 859.

 

Rn. 243

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Bei der Vergleichsrechnung wird bei zusammen veranlagten Eltern zunächst die ESt auf das zvE ohne Berücksichtigung der Freibeträge nach § 32 Abs 6 EStG (Kinderfreibetrag und Freibetrag für den Erziehungs- und Betreuungs- oder Ausbildungsbedarf) ermittelt. Nachfolgend wird die ESt ermittelt, die sich bei Berücksichtigung der Freibeträge nach § 32 Abs 6 EStG ergibt, Wendl in H/H/R, § 31 EStG Rz 32 (Juni 2019); Selder in Blümich, § 31 EStG Rz 45 (November 2019). Dann wird die Differenz zwischen den beiden vorgenannten Steuerbeträgen ermittelt und mit dem Kindergeldanspruch für das betreffende Kind verglichen.

In die Vergleichsrechnung fließen nach § 66 Abs 1 S 4 EStG (angefügt durch das III. Corona-Steuerhilfegesetz v 10.03.2021, BGBl I 2021, 330, in Kraft getreten am 18.03.2021) auch die Einmalbeträge nach § 66 Abs 1 S 2 u S 3 EStG ein. Dies ist für den VZ 2021 der Kinderbonus iHv 150 EUR (§ 66 Abs 1 S 2, 3 EStG idF III. Corona-Steuerhilfegesetz). Für den VZ 2020 war der Kinderbonus iHv 300 EUR (§ 66 Abs 1 S 2, 3 EStG idF II. Corona-Steuerhilfegesetz) ebenfalls in die Vergleichsrechnung einzubeziehen, BZSt v 06.08.2020, BStBl I 2020, 657; Kanzler, FR 2020, 657, 660.

Nicht in die Vergleichsrechnung einzubeziehen sind die der AbgSt (§§ 32d EStG oder § 43 Abs 5 EStG) unterliegenden KapErtr (§ 2 Abs 5b EStG). Nicht berücksichtigt werden auch Steuerermäßigungen nach § 34c EStG, § 34g EStG und § 35a EStG, FG D'dorf v 17.04.2019, 15 K 1127/18 E, EFG 2019, 1661 (Rev BFH III R 34/19).

Ist der Kindergeldanspruch geringer als der Differenzbetrag zwischen den beiden Steuerbeträgen, sind zur Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des sächlichen Existenzminimums des Kindes sowie des Erziehungs- und Betreuungs- oder Ausbildungsbedarfs bei der Veranlagung der Eltern die Freibeträge des § 32 Abs 6 EStG abzuziehen.

Bei der für ein jüngeres Kind anzustellenden Vergleichsrechnung sind die Freibeträge nach § 32 Abs 6 EStG für die älteren Kinder nur zu berücksichtigen, wenn bei diesen der Anspruch auf Kindergeld nicht ausgereicht hat, Loschelder in Schmidt, § 31 EStG Rz 13 (40. Aufl) mit Berechnungsbeispiel; Wendl in H/H/R, § 31 EStG Rz 32 (Juni 2019).

Werden die Eltern nicht zusammen veranlagt, wird die Vergleichsrechnung für jeden Elternteil gesondert vorgenommen, dabei ist zu berücksichtigen, ob eine Übertragung der Fre...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge