6.3.1 Allgemeines

 

Rz. 329

§ 20 Abs. 4a S. 3 EStG enthält eine Sonderregel für Fälle, in denen eine sonstige Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit einem Gestaltungsrecht ausgestattet ist, das dem Gläubiger oder dem Schuldner das Recht einräumt, statt der Rückzahlung des Nennbetrags die Lieferung bestimmter Wertpapiere zu verlangen oder anzudienen. Die Ausübung dieses Rechts führt seit der Einführung der Abgeltungsteuer zu einem stpfl. Veräußerungsgewinn i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG. Eine Veräußerung im eigentlichen Sinn liegt zwar nicht vor. Da § 20 Abs. 2 S. 2 EStG die Einlösung und Rückzahlung einer Veräußerung aber gleichstellt, unterliegt der Vorgang der Besteuerung. Die Steuerpflicht des Ausübungsvorgangs hat für die Kreditinstitute die bereits beschriebenen Probleme beim KapESt-Einbehalt zur Folge. Da die Ausübung des Gestaltungsrechts nicht den Zufluss eines Geldbetrags, sondern die Lieferung von Wertpapieren auslöst, sind die Kreditinstitute gezwungen, die gelieferten Wertpapiere zu bewerten, auf dieser Grundlage die KapESt zu ermitteln und diese beim Stpfl. anzufordern. § 20 Abs. 4a S. 3 EStG soll diese Probleme vermeiden, indem er eine steuerneutrale Behandlung des Vorgangs anordnet.[1] Eine Besteuerung erfolgt erst, wenn der Stpfl. die gelieferten Wertpapiere zu einem späteren Zeitpunkt weiterveräußert. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die in den Wertpapieren enthaltenen stillen Reserven steuerverstrickt. Mit § 20 Abs. 4a S. 3 EStG setzt der Gesetzgeber die bisherige Verwaltungsauffassung zu Wandelanleihen ins Gesetz um und dehnt sie auf alle mit einem Gestaltungsrecht versehenen Kapitalforderungen aus. Nach Auffassung der Finanzverwaltung löste die Ausübung des Wandlungsrechts bei einer Wandelanleihe bereits im bisherigen Recht keinen stpfl. Kapitalertrag oder Veräußerungsgewinn aus. Eine Besteuerung erfolgte nur dann, wenn die erhaltenen Wertpapiere innerhalb der Jahresfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG a. F. weiterveräußert wurden.[2]

6.3.2 Ausübung eines Gestaltungsrechts

 

Rz. 330

Eine steuerneutrale Behandlung der Ausübung eines Gestaltungsrechts ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG erfüllt sind. Insofern muss zunächst eine sonstige Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG vorliegen. Der Begriff der sonstigen Kapitalforderungen umfasst alle auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen. Forderungen, die auf eine Sachleistung gerichtet sind, fallen nicht unter die sonstigen Kapitalforderungen (Einzelheiten vgl. Rz. 188). Für das Vorliegen einer sonstigen Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist seit der Einführung der Abgeltungsteuer nicht mehr erforderlich, dass die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder die Leistung eines Nutzungsentgelts sicher ist. Auch Vollrisiko-Produkte, bei denen weder die Rückzahlung des Kapitalvermögens noch die Leistung eines Nutzungsentgelts zugesagt oder geleistet ist, unterliegen seither der Besteuerung (Einzelheiten vgl. Rz. 191). Erforderlich ist nach § 20 Abs. 4a S. 3 EStG weiterhin, dass die Kapitalforderung mit einem Gestaltungsrecht ausgestattet ist, das dem Gläubiger oder dem Schuldner das Recht einräumt, statt der Rückzahlung des Nennbetrags die Lieferung bestimmter Wertpapiere zu verlangen oder anzudienen. Bei einem Wertpapier handelt es sich um eine Urkunde, in der ein privates Recht in der Weise verbrieft ist, dass zur Geltendmachung des Rechts der Besitz der Urkunde erforderlich ist.[1] Damit fallen Gestaltungsrechte, die die Lieferung oder Andienung von anderen Wirtschaftsgütern als Urkunden zum Gegenstand haben, aus dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG heraus. Dies gilt insbesondere für Gestaltungsrechte, die dem Gläubiger oder Schuldner das Recht einräumen, Rohstoffe oder Edelmetalle zu liefern oder anzudienen. Auch die Lieferung oder Andienung reiner Beweisurkunden fällt nicht unter § 20 Abs. 4a S. 3 EStG. Hierzu zählen insbesondere die von einer GmbH ausgegebenen Anteilsscheine, die keine Wertpapierqualität haben.[2] In erster Linie erfasst § 20 Abs. 4a S. 3 EStG damit die Lieferung und Andienung von Aktien und Anleihen.

 

Rz. 331

Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen unterfallen § 20 Abs. 4a S. 3 EStG damit u. a. Wandelanleihen. Bei einer Wandelanleihe besitzt der Inhaber das Recht, die Anleihe innerhalb einer bestimmten Frist in eine bestimmte Anzahl von Aktien des Emittenten umzutauschen, wobei der Anspruch auf Rückzahlung des Nennbetrags der Anleihe mit dem Umtausch erlischt.[3] Der Emittent und das Unternehmen, dessen Aktien im Falle der Ausübung des Gestaltungsrechts geliefert werden, sind bei der Wandelanleihe also identisch. Die Wandelanleihe ist häufig mit einem unter dem Kapitalmarktzins liegenden Zins ausgestattet. Ebenfalls von § 20 Abs. 4a S. 3 EStG erfasst sind Umtauschanleihen, bei denen der Inhaber das Recht besitzt, bei Fälligkeit anstelle der Rückzahlung des Nennbetrags der Anleih...

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