Rz. 190

Nach der bis 31.12.2008 geltenden Fassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG lagen steuerpflichtige Erträge nur dann vor, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden war. Unter einer Zusage war dabei die im Emissionszeitpunkt einer Kapitalforderung getroffene, ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung zu verstehen, das überlassene Kapitalvermögen an den Gläubiger zurückzuzahlen oder dem Gläubiger ein Nutzungsentgelt zu leisten.[1] Eine Gewährung lag vor, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder die Leistung eines Nutzungsentgelts im Zeitpunkt der Emission ohne ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung aufgrund der Ausgestaltung der Kapitalanlage als sicher betrachtet werden konnte.[2] Dieses Verständnis des § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG hatte zur Folge, dass die Regelung allein Kapitalforderungen erfasste, bei denen die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder die Leistung eines Nutzungsentgelts rechtlich oder faktisch sicher war. Kapitalforderungen, bei denen sowohl die Rückzahlung des Kapitalvermögens als auch die Leistung eines Nutzungsentgelts unsicher waren, fielen nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG.[3] Damit waren laufende Erträge aus Vollrisikoprodukten von der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG ausgenommen. Auch Gewinne aus ihrer Veräußerung oder Einlösung waren außerhalb der Jahresfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 4 EStG a. F. steuerfrei.[4] Keine Bedeutung für die Besteuerung hatte dagegen, dass lediglich die Rückzahlung eines Teils des überlassenen Kapitalvermögens zugesagt oder gewährt worden war, sodass auch Kapitalforderungen mit einer lediglich teilweisen Rückzahlung von § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG erfasst wurden.[5] Indes waren die laufenden Erträge von Teilrisikoprodukten im Verhältnis der Mindestrückzahlung zur Differenz zwischen dem Nennbetrag der Kapitalforderung und der Mindestrückzahlung in einen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG steuerbaren und einen bei Überschreiten der Jahresfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 4 EStG a. F. nicht der Besteuerung unterliegenden Teil aufzuteilen.[6] Auf Grundlage dieser Rechtslage ergaben sich damit folgende Fallgruppen, in denen steuerpflichtige Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG anzunehmen waren:

  • Kapitalforderungen, bei denen sowohl die teilweise oder vollständige Rückzahlung des Kapitalvermögens als auch die Leistung eines Nutzungsentgelts sicher war (z. B. Girokonto, Sparkonto, Gleitzinsanleihen, Stufenzinsanleihen);
  • Kapitalforderungen, bei denen zwar die teilweise oder vollständige Rückzahlung des Kapitalvermögens, nicht aber die Leistung eines Nutzungsentgelts sicher war (z. B. Indexzertifikate mit Kapitalgarantie, Indexanleihen mit Kapitalgarantie, Floater, Reverse Floater);
  • Kapitalforderungen, bei denen zwar nicht die teilweise oder vollständige Rückzahlung des Kapitalvermögens, wohl aber die Leistung eines Nutzungsentgelts sicher war (z. B. Aktien-, Wandel-, Umtausch-, Condoranleihen);
  • Bisher nicht erfasst: Kapitalforderungen, bei denen weder die teilweise oder vollständige Rückzahlung des Kapitalvermögens noch die Leistung eines Nutzungsentgelts sicher war (z. B. Indexzertifikate ohne Kapitalgarantie, Indexanleihen ohne Kapitalgarantie).[7]
 

Rz. 191

Nach der seit 1.1.2009 geltenden Fassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG unterliegen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art der Besteuerung, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist. Im Rahmen der Einführung der Abgeltungsteuer hat der Gesetzgeber das bisherige Merkmal der Gewährung durch das Merkmal der Leistung ersetzt und den Anwendungsbereich der Regelung auf diese Weise erheblich erweitert.[8] Das neue Merkmal der Leistung ist im Gegensatz zum Merkmal der Gewährung bereits dann erfüllt, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder die Leistung eines Nutzungsentgelts ohne ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung rein tatsächlich erfolgt.[9] Die Gesetzesänderung hat zur Folge, dass die Regelung auch Kapitalforderungen erfasst, bei denen die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder die Leistung eines Nutzungsentgelts weder rechtlich noch faktisch sicher ist.[10] Damit sind auch laufende Erträge aus Vollrisikoprodukten nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG zu versteuern. Gewinne aus ihrer Veräußerung oder Einlösung unterliegen unabhängig von der Haltedauer der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG.[11] Keine Bedeutung für die Besteuerung hat wie bisher, dass lediglich die Rückzahlung eines Teils des überlassenen Kapitalvermögens zugesagt oder geleistet worden ist, sodass auch Kapitalforderungen mit einer lediglich teilweisen Rückzahlung von § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG erfasst werden.[12] Im Gegensatz zur Rechtslage vor Einführung der Abgeltungsteuer ist bei Teilrisikoprodukten keine Aufteilung der laufenden ...

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