Rz. 127

Eine Betriebsaufgabe liegt vor, wenn aufgrund eines Entschlusses des Stpfl., den Betrieb aufzugeben, die bisher in diesem Betrieb entfaltete betriebliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang, d. h. innerhalb kurzer Zeit entweder insgesamt klar und eindeutig, äußerlich erkennbar in das Privatvermögen überführt bzw. anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt oder insgesamt einzeln an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen überführt werden und dadurch der Betrieb als selbstständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört.[1] Diese Definition gilt auch für die Aufgabe eines freiberuflichen Betriebs.[2] Der Stpfl. muss seine Betätigung in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis nach außen sichtbar wenigstens für eine gewisse Zeit, die von den Umständen des Einzelfalls abhängt, einstellen.[3] Deshalb können auch Entschädigungszahlungen nach § 103 Abs. 3a S. 13 SGB V wegen Verweigerung der Nachbesetzung einer Vertragsarztpraxis durch den Zulassungsausschuss (z. B. wegen fehlender Versorgungsrelevanz) bei entsprechender Gestaltung zu einem steuerermäßigten Aufgabegewinn führen.[4]

Die tarifbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Einzelpraxis (§ 18 Abs. 3 i. V. m. § 34 EStG) setzt voraus, dass der Stpfl. die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen entgeltlich und definitiv auf einen anderen überträgt. Die definitive Übertragung des Mandantenstamms lässt sich erst nach einem gewissen Zeitablauf abschließend beurteilen.[5]

Werden nach Aufgabe einer freiberuflichen Praxis aus Altersgründen weiterhin Aufsichtsratsmandate wahrgenommen, kann die Fortsetzung der Aufsichtsratstätigkeit der privilegierten Betriebsaufgabe entgegenstehen. Deshalb sollte genau dokumentiert werden, dass eine Tätigkeit aufgrund der satzungsmäßig vorgeschriebenen Überwachung als Aufsichtsrat ausgeübt wird, um deutlich zu machen, dass eine eigenständige freiberufliche Tätigkeit losgelöst von der aufgegebenen Praxis ausgeübt wird. Eine von Anfang an getrennte Buchführung dieser Tätigkeit unterstreicht die Trennung.[6].

 

Rz. 127a

Die Betriebsaufgabe ist von der Betriebsabwicklung abzugrenzen. Diese ist nach dem Zweck der Tarifvergünstigung nach §§ 18 Abs. 3, 16, 34 EStG, d. h. die zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven nicht nach dem progressiven ESt-Tarif zu erfassen, nicht steuerbegünstigt, da dem Veräußerer noch stille Reserven verbleiben, die erst in einem späteren Vz aufgedeckt werden. Eine spätere Änderung der Aufgabeabsicht ist unschädlich; im Zweifel trifft den Stpfl. die Feststellungslast, dass die Wiederaufnahmeabsicht im Zeitpunkt der Aufgabe nicht bestanden hat.

 

Rz. 128

Der Tod des Berufsträgers führt nicht automatisch zur Betriebsaufgabe i. S. d. § 18 Abs. 3 EStG.[7] Vielmehr sind Erbfall und Erbauseinandersetzung wie im Zivilrecht auch steuerrechtlich getrennt zu beurteilen.[8] Der Erbfall selbst führt weder zu einer Betriebsaufgabe noch geht das der freiberuflichen Tätigkeit dienende Betriebsvermögen allein deshalb in das Privatvermögen der Erben über.[9] Das der Ausübung des Berufs gewidmete Vermögen bleibt auch in der Hand des Erben Betriebsvermögen.[10] In der Praxis wird bei Tod des Berufsträgers, wenn kein Erbe z. B. die Rechtsanwaltskanzlei fortführen kann mangels Qualifikation (Zulassung zur Anwaltschaft), regelmäßig ein Abwickler bestellt von der Berufskammer (z. B. § 55 BRAO).[11] Der Erbe eines Freiberuflers, der dessen Tätigkeit mit dem geerbten Betriebsvermögen fortführt, erzielt nur dann Einkünfte aus selbstständiger Arbeit als Freiberufler, wenn er selbst die persönliche Qualifizierung als Freiberufler erfüllt und die Tätigkeit entsprechend ausübt.[12] War der Freiberufler-Erbe Teil einer Erbengemeinschaft, wird auch bei einer notwendigen Auseinandersetzung eine steuerlich unschädliche Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Erbfalls anerkannt, wenn die Auseinandersetzung innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgt, d. h. mindestens eine klare und rechtlich verbindliche Vereinbarung über die Modalitäten der Auseinandersetzung vorliegt.[13] Verpachtet der Erbe die Praxis, kommt es zwar zu einer Umqualifizierung seiner Einkünfte (nunmehr gewerblich), die Verpachtung führt ohne entsprechende ausdrückliche Erklärung gegenüber dem FA aber nicht zur Betriebsaufgabe.[14] Besonderheiten gelten im Fall des Todes eines Gesellschafters einer zweigliedrigen Gesellschaft, in deren Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel vereinbart worden ist. Wurde zugleich die Übernahme aller Vermögensgegenstände und Schulden durch den Überlebenden vorgesehen, so führt der Todesfall zur (tarifbegünstigten) Veräußerung eines Mitunternehmeranteils.[15]

Wird bei dem Tod eines Künstlers dessen Betrieb durch den Erben nicht aufgegeben, sondern werden die "auf Vorrat" geschaffenen Werke nach und nach veräußert, erzielt der Erbe Einkünfte aus einer ehemaligen Tä...

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