Rz. 235

Gewinnverwirklichungsvorgänge gehören zum Aufgabevorgang, soweit sie nicht dem laufenden Geschäftsverkehr zuzurechnen sind (Rz. 71ff.). Dem laufenden Geschäftsverkehr zuzurechnen sind die Veräußerungshandlungen, auf die der ursprüngliche Geschäftszweck gerichtet war, auch soweit sie durch die bevorstehende Geschäftsaufgabe motiviert sind. Deshalb gehört die Veräußerung des Umlaufvermögens an den üblichen Kundenkreis auch dann zum laufenden Gewinn und nicht zum Aufgabegewinn, wenn dies in der Form eines Ausverkaufs geschieht[1]. Andererseits gehört die Rücklieferung des Umlaufvermögens an den ehemaligen Lieferanten oder die Lieferung an einige wenige Abnehmer auf derselben Handelsstufe nicht mehr zum laufenden Geschäftsverkehr[2].

Auch bei zeitlichem Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe können Gewinnrealisierungsvorgänge aufgrund ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der laufenden Geschäftstätigkeit zu laufendem Gewinn führen[3]. So gehören Gewinne aus Geschäftsvorfällen, die auf der im Wesentlichen unveränderten Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit beruhen, im Regelfall zu den laufenden Gewinnen[4]. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem laufenden Geschäftsbetrieb besteht etwa, wenn Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens an den bisherigen Kundenkreis abgesetzt werden[5]. An einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe fehlt es schließlich auch, wenn die Zusammenballung der Aufdeckung der stillen Reserven i. S. einer Gewinnverwirklichung auch im laufenden Geschäftsbetrieb eingetreten wäre[6].

 

Rz. 236

Ist mit der Betriebsaufgabe die gewerbliche Tätigkeit des Betriebsinhabers nicht beendet, so können auch nach der Betriebsaufgabe noch laufende gewerbliche Einkünfte anfallen[7]. Allerdings kann es sich dabei nur um die restliche Abwicklung des Betriebs nach der Verwertung der wesentlichen Betriebsgrundlagen handeln, weil eine Fortsetzung des Betriebs der Aufgabe widersprechen würde (Rz. 34)[8]. Ob sich die restliche Liquidation im Betriebsvermögen oder im Privatvermögen abwickelt, kann der Stpfl. wählen[9].

Ist bei Veräußerungsvorgängen im Rahmen einer Betriebsaufgabe auf der Veräußerer- und auf der Erwerberseite dieselbe Person als Unternehmer oder Mitunternehmer beteiligt, so gilt der dabei erzielte Gewinn nach § 16 Abs. 3 S. 5 EStG als laufender Gewinn. Nur Veräußerungen von Wirtschaftsgütern, nicht auch Entnahmen, werden von dieser Regelung erfasst (vgl. die Kommentierung zum entsprechenden § 16 Abs. 2 S. 3 EStG in Rz. 226ff., dort auch zur Anwendung auf Realteilungsvorgänge).

[1] FG Hamburg v. 16.12.1996, V 115/94, EFG 1997, 475: Verkauf eines Musterladens anlässlich der Betriebsaufgabe: laufender Gewinn; BFH v. 9.9.1993, IV R 30/92, BStBl II 1994, 105: Verkauf der restlichen Wohnungen bei Aufgabe des gewerblichen Grundstückshandels; BFH v. 5.7.2005, VIII R 65/02, BFH/NV 2006, 397: Die Veräußerung des zum Umlaufvermögen eines gewerblichen Grundstückshändlers gehörenden Grundstücks ist auch dann nicht nach den §§ 16, 34 EStG tarifbegünstigt, wenn sie mit der Betriebsaufgabe zusammentrifft und hiermit zugleich eine zunächst bestehende Bebauungsabsicht aufgegeben wird.
[6] FG München v. 16.7.2008, 1 K 4388/06, EFG 2009, 337: langjährige gewinnneutrale Buchung der Vorauszahlungen des Auftraggebers an eine Arge für Großauftrag, Gewinnverwirklichung und Betriebsaufgabe der Arge wegen Insolvenz des Auftraggebers; wohl a. A. FG Münster v. 14.12.2007, 12 K 4369/04 G, EFG 2008, 618: Auflösung eines passiven RAP betreffend Forfaitierung, die wohl auch im laufenden Geschäftsbetrieb zu einer zusammengeballten Gewinnverwirklichung geführt hätte.
[8] BFH v. 17.7.2008, X R 40/07, BFH/NV 2008, 2099: zu ähnlichen Abgrenzungsproblemen bei Betriebsveräußerungen.

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