Rz. 76

[Autor/Stand] Sperrfristbehaftete Anteile i.S.v. § 22 UmwStG. Mit der Neukonzeptionierung des Umwandlungssteuerrechts durch das SEStEG vom 7.12.2006[2] wurde das zuvor in § 21 UmwStG 1995, § 3 Nr. 40 Satz 3 und 4 EStG a.F. und § 8b Abs. 4 KStG a.F. enthaltene System der in § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 legal definierten "einbringungsgeborenen Anteilen" (ausf. Rz. 51 ff.) durch die Sperrfristregelungen in § 22 UmwStG abgelöst.[3] § 22 UmwStG knüpft an § 20 UmwStG (Sacheinlage) und § 21 UmwStG (Anteilstausch) an, wenn die Sacheinlage oder der Anteilstausch unter dem gemeinen Wert (Zwischenwert, Buchwert) angesetzt worden ist. In diesem Fall gehen die stillen Reserven in der eingebrachten Sachgesamtheit bzw. den eingebrachten Anteilen auf die übernehmende Gesellschaft über, es sind anschließend aber auch aufgrund der Wertverknüpfung (§ 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG, § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG) entsprechende stille Reserven in den erhaltenen Anteilen enthalten. Ohne die Regelung des § 22 UmwStG könnte der Anteilseigner bei einer Sacheinlage i.S.v. § 20 UmwStG die erhaltenen Anteile im Gegensatz zur eingebrachten Sachgesamtheit steuergünstig veräußern (§ 3 Nr. 40 EStG). Bei Einbringung von Kapitalgesellschaftsanteilen im Zusammenhang mit einer Sacheinlage (§ 20 UmwStG) oder einem Anteilstausch (§ 21 UmwStG) könnte die übernehmende Gesellschaft ihrerseits im Anschluss die eingebrachten Anteile steuergünstig veräußern (§ 8b Abs. 2, Abs. 3 KStG). Zur Vermeidung des missbräuchlichen Hineinstrukturierens in einen günstigeren Steuerstatus sieht § 22 UmwStG als typisierende Missbrauchsvorschrift[4] im Falle einer schädlichen Veräußerung oder dieser gleichgestellten Ereignisse eine rückwirkende Besteuerung eines Einbringungsgewinns I (§ 22 Abs. 1 UmwStG) bzw. Einbringungsgewinns II (§ 22 Abs. 2 UmwStG) vor, der jeweils über einen Zeitraum von sieben Jahren ratierlich abschmilzt (§ 22 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 UmwStG). Die vorliegend nur interessierende Sperrfristverhaftung i.S.v. § 22 Abs. 1 UmwStG entsteht im Grundsatz nur bei einer Sacheinlage (§ 20 UmwStG) und nur im Hinblick auf die erhaltenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft. Soweit bei einer Einbringung i.S.v. § 20 UmwStG als Bestandteil der Sachgesamtheit (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil[5]) auch Kapitalgesellschaftsanteile (mit-)eingebracht werden, unterliegen insoweit grds. nur diese eingebrachten Anteile der siebenjährigen Sperrfristverhaftung i.S.v. § 22 Abs. 2 UmwStG (§ 22 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 1 UmwStG).[6] § 22 Abs. 1 UmwStG spielt dann insoweit keine Rolle.[7] Im Zusammenhang mit Wegzugsthematiken hat im Rahmen der Sperrfristverhaftung nach § 22 Abs. 1 UmwStG v.a. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG und dessen Zusammenspiel mit § 6 Bedeutung (s. Rz. 80 ff.). Für die Sperrfristverhaftung i.S.v. § 22 Abs. 2 UmwStG an den eigebrachten Anteilen ist zu sehen, dass diese unter bestimmten Voraussetzungen entfällt, wenn der Einbringende eine (nicht gestundete) Wegzugsbesteuerung i.S.v. § 6 AStG zu entrichten hat (s. Rz. 86).

 

Rz. 77

[Autor/Stand] Keine "Veräußerung" i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG durch Wegzug. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG kommt es zur rückwirkenden Besteuerung eines Einbringungsgewinns I, wenn der Einbringende die erhaltenen Anteile innerhalb eines Siebenjahreszeitraums "veräußert". Unter Geltung des § 6 Abs. 1 a.F. konnte kein Zweifel daran bestehen, dass die Verwirklichung eines Tatbestands i.S.v. § 6 Abs. 1 a.F. keine tatbestandliche "Veräußerung" i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG bewirkte.[9] § 6 Abs. 1 Satz 1 a.F. brachte selbst klar zum Ausdruck ("[...] § 17 [...] des Einkommensteuergesetzes auch ohne Veräußerung anzuwenden [...]"), dass die Erfüllung einer der in § 6 Abs. 1 genannten Tatbestände gerade nicht eine steuerrechtliche "Veräußerung" darstellte.[10] Obwohl § 6 Abs. 1 Satz 1 i.d.F. des ATADUmsG nun rechtstechnisch die Tatbestandsverwirklichung einer Veräußerung gleichstellt (s. Rz. 551 ff.), ist damit weiterhin keine "Veräußerung" der Anteile i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG verbunden, auch wenn teilweise zur Veräußerungsfiktion in § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG etwas anderes vertreten[11] wird: "Veräußerung" i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG ist die entgeltliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen von einer Person auf einen anderen Rechtsträger,[12] woran es bei einem Wegzug einer natürlichen Person oder der grenzüberschreitenden unentgeltlichen Anteilsübertragung fehlt.[13] Der nach dem gesetzgeberischen Willen[14] speziell und konstitutiv (auch) auf Wegzüge des Einbringenden zugeschnittene Ersatzrealisationstatbestand i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG (ausf. s. Rz. 78) wäre weitgehend überflüssig, würden Wegzugsfälle i.S.v. § 6 als "Veräußerung" i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG betrachtet. Schließlich hätte es auch § 22 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 2 UmwStG nicht bedurft, wenn die Tatbestandsverwirklichung i.S.v. § 6 Abs. 1 bereits als originäre "Veräußerung" zu qualifizieren wäre. Nach dem ge...

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