Rz. 232

[Autor/Stand] Allgemeine Überlegungen. Die Vielfalt der wegzugsteuerrelevanten Fragestellungen im Zusammenhang mit Schenkungen oder den zivilrechtlichen Varianten des Vermögensübergangs bei Ableben des Anteilsinhabers machen eine sorgfältige Planung erforderlich.[2] Dies auch vor dem Hintergrund, dass es in Extremfällen zu kumulierten Steuerbelastungen auf die stillen Reserven mit Erbschaft-/Schenkungsteuer und Einkommensteuer i.H.v. 64,25 % (Erbfall) bzw. i.H.v. 78,5 % (Schenkung) kommen kann (s. Rz. 149). Eine gezielte Vermeidung der Wegzugsbesteuerung hat daneben v.a. Schutzfunktion zugunsten des Schenkers bzw. der Erben vor fremdbestimmten Steuerwirkungen (s. Rz. 546 ff.). Im Hinblick auf den Erbfall kann der Erblasser bspw. Kapitalgesellschaftsanteile gezielt (vorab) auf in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Begünstigte übertragen (s. auch bereits Rz. 195).[3] Kann die Nachfolge nur durch Erbfolge auf mehrere Erben (Erbengemeinschaft) geregelt werden, kann ggf. durch Rückgriff auf die Sondererbfolge in Personengesellschaftsanteile eine Wegzugsbesteuerung vermieden werden, soweit nicht unbeschränkt steuerpflichtige Miterben vorhanden sind oder sein könnten.[4] Soll eine Zuwendung durch Vermächtnis an einen unbeschränkt Steuerpflichtigen erfolgen und sind der oder die Erbe(n) hingegen nicht unbeschränkt steuerpflichtig, kann das Vermächtnis ggf. so ausgestaltet werden, dass der Vermächtnisnehmer bereits mit dem Erbfall wirtschaftliches Eigentum an den Kapitalgesellschaftsanteilen nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO erlangt. Möglicherweise lässt sich auch ein Erbverzicht eines im Ausland unbeschränkt steuerpflichtigen Erben (gegen Abfindung) herbeiführen,[5] damit er nicht als Miterbe eine Wegzugsbesteuerung auslöst, die alle Miterben zu tragen hätten. Problematisch für den "vorsorgenden" Erblasser ist natürlich, dass er bei Testamentsgestaltung i.d.R. nicht vorhersehen kann, wo ein künftiger Erbe bei Erbanfall ansässig sein wird.[6] Er muss daher sein Testament auch in diesem Punkt regelmäßig überprüfen. Denkbar ist auch, bspw. eine im Inland ansässige natürlich Person oder inländische Familienstiftung als Erbin einzusetzen, die mit (Bestimmungs- und Verteilungs-)Vermächtnissen beschwert wird und die Vermächtniserfüllung die Ansässigkeit des Vermächtnisnehmers im Inland voraussetzt. Zur Vermeidung fremdbestimmter Steuerwirkungen sollte der Erblasser denjenigen Erben seine aus einer Wegzugsbesteuerung herrührende Einkommensteuer aufbürden, die die Wegzugsbesteuerung verursacht haben. Ist der Erbfall bereits eingetreten, kann auch an eine Ausschlagung der Erbschaft gegen (realisierende) Abfindung in Betracht kommen.[7] Insoweit ist die bei einem nur im Ausland ansässigen Erben auf sechs Monate verlängerte Ausschlagungsfrist (§ 1944 Abs. 3 BGB) zu beachten, die zeitlich eine sorgfältige Abwägung ermöglichen sollte. Eine Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lässt sich unter den genannten Voraussetzungen auch vermeiden, indem die Kapitalgesellschaftsanteile vor der unentgeltlichen Übertragung bzw. dem Erbfall einem Betriebsvermögen zugeordnet werden (dazu Rz. 203 ff.). Bei Schenkungen ist darauf zu achten, dem Schenker für den Fall des Eintritts einer Wegzugsbesteuerung bzw. ungewollter fremdbestimmter Steuerwirkungen Rückforderungsrechte vorzubehalten.[8] Nach bisherigem Recht stand bei Schenkungen an in Drittstaaten ansässige Begünstigte die "Rückkehrregelung" des § 6 Abs. 3 Satz 3 a.F. nicht zur Verfügung, die Wegzugsteuer wurde also definitiv, selbst wenn der Begünstigte mit den Anteilen zeitnah in den deutschen Steuerzugriff zurückkehrte. Dies hat sich durch § 6 Abs. 3 i.d.F. des ATADUmsG nun geändert, wobei der Wortlaut des § 6 Abs. 3 Satz 5 nur in Fällen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Anwendung findet, nicht aber bei einem doppelansässigen Beschenkten (s. zur teleologischen Erfassung auch dieses Falles unter Rz. 642 ff.).

 

Rz. 233

[Autor/Stand] Grenzüberschreitende unentgeltliche Übertragung an doppelansässigen Empfänger. § 6 a.F. enthielt nach teilweise vertretener Ansicht im Zusammenhang mit (vorweggenommenen) Unternehmensnachfolgen die Möglichkeit, eine wegzugsteuerfreie Übertragung der Anteile herbeizuführen, wenn der Bedachte zwar seinen Lebensmittelpunkt im Ausland hatte, daneben aber durch bspw. einen Nebenwohnsitz (auch) in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war.[10] In diesem Fall führte weder eine Schenkung noch eine Übertragung im Erbwege zur Erfüllung eines Wegzugsteuertatbestands i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 noch Nr. 4 a.F., was der besonderen Formulierung in der Auffangklausel des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 a.F. geschuldet war. Der Gesetzgeber hat nun § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 klarer formuliert, so dass dieser Gestaltungsansatz gegenüber den von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erfassten Fällen eine Wegzugsbesteuerung nur noch dann vermeidet, wenn das deutsche Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen ausgeschlossen oder beschränkt wird. Hierdurch ergibt sich u.U. die Möglichkeit, eine wegzug...

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