"... ist bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Ende des Jahres, in dem ihre unbeschränkte Steuerpflicht geendet hat, ..."

 

Rz. 71

[Autor/Stand] Fristberechnung. Das Ende der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG (Wegzug) determiniert neben dem retrospektiven Zehnjahreszeitraum des Tatbestands einen prospektiven Zeitraum auf der Rechtsfolgenseite. Für die Dauer von zehn Jahren unterliegt die natürliche Person, welche die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 erfüllt, der erweiterten beschränkten Steuerpflicht. Im Unterschied zu dem retrospektiven Zehnjahreszeitraum berechnet sich diese Frist nicht beginnend mit dem Zeitpunkt des Wegzugs, sondern mit dem Ende des Jahres, in dem dieser erfolgt. Dadurch variiert der Zeitraum, während dessen die natürliche Person der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegt, zwischen zehn Jahren (bei Wegzug am 31.12.) und elf Jahren (bei Wegzug am 1.1.).[2]

 

Rz. 72

[Autor/Stand] Veranlagungszeitraumbezogene Verwirklichung der Rechtsfolgen: Umzüge innerhalb des Zehnjahreszeitraums. Das Gesetz setzt weder voraus, dass die prospektiven Tatbestandsmerkmale der erweitert beschränkten Steuerpflicht unmittelbar nach dem Wegzug erfüllt sind, noch, dass dieser Zustand für die gesamte Zehnjahresfrist ununterbrochen anhält. Für jeden Veranlagungszeitraum innerhalb der Zehnjahresfrist ist separat zu prüfen, inwieweit die Voraussetzungen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht erfüllt sind.[4] Zieht die natürliche Person zunächst in ein Normalsteuerland und erst anschließend in ein Gebiet mit niedriger Besteuerung, unterliegen ihre Einkünfte vom zweiten Umzug an bis zum Ende des Zehnjahreszeitraums (vgl. unter Rz. 71) der erweiterten beschränkten Steuerpflicht. Gleiches gilt, wenn das Zugzugsgebiet erst einige Zeit nach dem Zuzug durch Änderung der steuerrechtlichen Verhältnisse zu einem Niedrigsteuergebiet wird. Spiegelbildlich dazu kann die erweiterte beschränkte Steuerpflicht auch bereits vor Ablauf dieser Frist enden, z.B. weil das ausländische Gebiet durch Änderungen der (deutschen oder ausländischen) steuerrechtlichen Verhältnisse die Qualifikation eines niedrig besteuernden Gebietes verliert, weil der Betroffene seinen Wohnsitz von einem Niedrig- in ein Normalsteuerland verlegt oder weil er seine wesentlichen wirtschaftlichen Interessen im Inland aufgibt (zum Umfang der Steuerpflicht bei unterjährigem Ende der erweitert beschränkten Steuerpflicht in diesem Veranlagungszeitraum vgl. Rz. 75).

 

Rz. 73

[Autor/Stand] Veranlagungszeitraumbezogene Verwirklichung der Rechtsfolgen: Erwerb und Verlust von wirtschaftlichen Interessen innerhalb des Zehnjahreszeitraums. Nicht ganz eindeutig ist die Situation, wenn eine natürliche Person, die beim Wegzug in ein Niedrigsteuergebiet keine wesentlichen wirtschaftlichen Interessen im Inland hat, solche innerhalb der Zehnjahresfrist erwirbt (vgl. zum unterschiedlichen Zeitbezug der verschiedenen Kategorien von Inlandsinteressen Rz. 252 f., 261, 267, 271, 291).

 

Beispiel

A gibt seinen inländischen Wohnsitz im Jahr 00 auf und zieht auf die Kaimaninseln. Wirtschaftliche Interessen im Inland i.S. von Abs. 3 hat er nicht. Im Jahr 07 beteiligt er sich mit 30 % an einer neu gegründeten GmbH & Co. KG.

Aus dem Blickwinkel der Gesetzesbegründung (vgl. Rz. 13) rechtfertigt sich die erweiterte beschränkte Steuerpflicht damit, dass sich der Betroffene durch den Wegzug der inländischen Solidargemeinschaft unter Aufrechterhaltung seiner inländischen Wirtschaftsinteressen entzieht. Kappt er diese Inlandsbeziehung vor oder bei Wegzug, steht er bei einer Neuinvestition der inländischen Volkswirtschaft nicht anders gegenüber als ein Gebietsfremder, der nie in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war.[6] Diese im Kern finanzwissenschaftliche Argumentation überzeugt jedoch nicht als Rechtfertigung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht (vgl. Rz. 13). Mit dem wirklichen Zweck der Vorschrift, den Wegzug möglichst unattraktiv zu gestalten, ist es dagegen gut vereinbar, A ab dem Jahr 07 (Abs. 3 Nr. 1 Var. 2 – mehr als 25 % der Einkünfte der Kommanditgesellschaft) der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht zu unterwerfen.[7]

 

Rz. 74

[Autor/Stand] Wirkung einer zwischenzeitlichen unbeschränkten Steuerpflicht auf Zehnjahreszeitraum. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht findet ihr vorzeitiges Ende, wenn der Betroffene vor Ablauf des Zehnjahreszeitraums wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. Gibt er anschließend Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt erneut auf, wird eine neue Zehnjahresfrist in Gang gesetzt, falls in diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 2 vorliegen.[9] Diskussionswürdig ist aber die Frage, ob mit dem Zuzug die alte Zehnjahresfrist endgültig endet oder ob diese wieder aufleben kann.[10]

 

Beispiel

A, der zuvor sein ganzes Leben in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war, gibt am 30.6.2000 Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland auf und zieht in die Schweiz. Er verfügt über wesentliche wirtschaftlichen I...

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