„(1) [1] Vorbehaltlich der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, Körperschaftsteuergesetzes und Umwandlungssteuergesetzes, ...”

 

Rz. 288

[Autor/Stand]"Vorbehaltlich der Vorschriften des [...]". Die deutsche Steuerrechtsordnung sieht – auch mit Bezug zu natürlichen Personen als Inhabern von Kapitalgesellschaftsanteilen i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG – jenseits des § 6 an verschiedenen Stellen sog. Entstrickungsvorschriften vor (z.B. § 17 Abs. 5 EStG, § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG a.F. i.V.m. § 13 Abs. 2 UmwStG; § 13 Abs. 2 UmwStG; § 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1995). Es ist möglich, dass ein Sachverhalt sowohl einen Tatbestand i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 erfüllen würde als auch den Tatbestand einer anderen Entstrickungsvorschrift. Zur Lösung derartiger Konkurrenzsituationen ordnet § 6 Abs. 1 Satz 1 einen Vorrang der im EStG, KStG und UmwStG enthaltenen Entstrickungsvorschriften ("[v]orbehaltlich der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, Körperschaftsteuergesetzes und Umwandlungsteuergesetzes [...]") an. Die in steuerrechtlichen Vorschriften gängige Formulierung "vorbehaltlich" anderer Vorschriften findet sich auch in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 wieder, wodurch die Subsidiarität des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 gegenüber § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 ausgedrückt werden soll.[2] Hieraus folgt, dass eine Anwendung des § 6 Abs. 1 ausscheiden muss, wenn eine entsprechende Entstrickungsvorschrift im EStG, KStG oder UmwStG einschlägig ist.

a) Vorschriften des Einkommensteuergesetzes

 

Rz. 289

[Autor/Stand] Anteile im Betriebsvermögen. § 6 Abs. 1 setzt Anteile i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG voraus, erfasst also nur solche, die im steuerrechtlichen Privatvermögen gehalten werden. Sind die Kapitalgesellschaftsanteile einem steuerrechtlichen Betriebsvermögen zuzuordnen, ist § 6 Abs. 1 von vornherein nicht anwendbar, so dass eine tatbestandliche Konkurrenzsituation zu §§ 4 Abs. 1 Satz 3, 16 Abs. 3a EStG (hierzu ausf. Rz. 65 ff.) nicht besteht, die durch die "Vorbehaltlich"-Klausel in § 6 Abs. 1 gelöst werden müsste.

 

Rz. 290

[Autor/Stand] Verhältnis zu § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Bei einer sog. schlichten (unentgeltlichen) Einlage[5] der Anteile i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in ein ausländischen Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen erfolgt die Bewertung der Einlage grundsätzlich zu Anschaffungskosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Hs. 2 EStG). Geht mit der Einlage der Ausschluss oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an den Veräußerungsgewinnen einher, ergäbe sich nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 eine "fiktive Veräußerung" der Anteile i.S.v. § 17 EStG. Teleologisch soll § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Hs. 2 EStG grade sicherstellen, dass durch eine (nicht gewinnrealisierende) unentgeltliche Einlage zum Teilwert stille Reserven nicht aus der Besteuerung herausfallen.[6] Bei der grenzüberschreitenden Einlage wird man daher nicht davon ausgehen können, dass die Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Hs. 2 EStG die Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 sperrt. Dem lässt sich allerdings entgegenhalten, dass bspw. § 6 Abs. 3 Satz 1 oder § 6 Abs. 5 Satz 1 für die dort geregelten Fälle, einen eigenen "Verstrickungsvorbehalt" enthalten.

 

Rz. 291

[Autor/Stand] Vorrang des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG. Überträgt der Anteilseigner seine Anteile i.S.v. § 17 EStG ohne Gegenleistung auf eine ausländische Kapitalgesellschaft ließe sich dies als unentgeltliche Übertragung der auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige (juristische) Person i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 qualifizieren. Insoweit ist vorrangig § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG anzuwenden, wonach bei derartigen verdeckten Einlagen eine Veräußerung fingiert wird. Der Unterschied liegt auf der Rechtsfolgenseite: § 17 Abs. 2 EStG kennt ein dem § 6 Abs. 4 vergleichbares Ratenzahlungskonzept nicht,[8] vielmehr wird die Steuer vollumfänglich nach allgemeinen Regeln fällig.

 

Rz. 292

[Autor/Stand] Vorrang des § 17 Abs. 5 EStG. Etwas anderes gilt im Verhältnis zu § 17 Abs. 5 EStG, der ebenfalls Anteile i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG einer natürlichen Person voraussetzt und ausschließlich in den (praktisch seltenen) Fällen greift, in denen die Beteiligungsgesellschaft ihren Sitz und/oder Ort der Geschäftsleitung in einen ausländischen Staat verlegt und hierdurch das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile ausgeschlossen oder beschränkt wird (s. dazu Rz. 87). In diesen Fällen wären regelmäßig zugleich die Voraussetzungen auch des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 erfüllt. § 6 Abs. 1 Satz 1 ("vorbehaltlich") ordnet für diese Fälle an, dass nur § 17 Abs. 5 EStG anzuwenden ist, dieser als lex specialis § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 verdrängt (s. zu § 17 Abs. 5 EStG auch Rz. 87 ff.). Dies war bereits in § 6 Abs. 1 Satz 3 a.F. – mit ausdrücklichem Bezug zu § 17 Abs. 5 EStG – so vorgesehen. Hieran wollte der Gesetzgeber nichts ändern. Der Vorrang erstreckt sich auf § 17 Abs. 5 EStG insgesamt, d.h. greift auch dann, wenn die an sich nach § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG angeordnete Veräußerung...

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