Entscheidungsstichwort (Thema)

Einhaltung der Klagefrist – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – Anordnung einer zweiten Anschlussprüfung – Besorgnis der Befangenheit eines Betriebsprüfers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn dem Prozessbevollmächtigten keine zeitnahe Eingangsbetätigung in Bezug auf die Klage zugegangen ist, müssen Zweifel aufkommen, die durch kurzfristige Rückfrage beim Gericht geklärt werden können, wobei ein Zuwarten von mehr als zwei Monaten deutlich zu lang ist.

2. Eine im Jahre 2022 eingereichte Klageschrift in Form eines elektronischen Dokuments, welches per beA eines Rechtsanwalts an das Gericht gesandt, jedoch von einem in derselben Sozietät tätigen Steuerberater unterschrieben worden ist, stellt keine formwirksame Klage dar.

3. Das beA ist dem einzelnen Inhaber zugeordnet und nur dieser kann über diesen Übermittlungsweg wirksam elektronische Dokumente versenden.

4. Wenn ein Steuerpflichtiger einen gewerblichen Betrieb unterhält, sind bei ihm in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt Außenprüfungen zulässig, ohne dass ein bestimmter Turnus oder bestimmte zeitliche Abstände eingehalten werden müssten.

5. Die Anordnung einer zweiten Anschlussprüfung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung.

6. Die Bestimmung der Personen, die mit der Durchführung einer Betriebsprüfung betraut werden, beinhaltet keine unmittelbare Regelung in Bezug auf den Steuerpflichtigen und beeinträchtigt ihn nicht unmittelbar in seinen Rechten; die entsprechende Bestimmung ist kein anfechtbarer Verwaltungsakt.

7. Die Mitwirkung eines nicht unparteiischen Amtsträgers im Besteuerungsverfahren ist ein Verfahrensfehler, der im Rechtsbehelfsverfahren zur Aufhebung des Verwaltungsakts führt, außer wenn in der Sache selbst keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können.

8. Wenn der Prüfer in einer vorangegangenen Prüfung unberechtigterweise Prüfungsfeststellungen an eine Strafverfolgungsbehörde weitergegeben hat, kommt die gerichtliche Überprüfung der Festlegung des Prüfers allerdings in Frage.

 

Normenkette

FGO §§ 52a, 52d, 56, 64 Abs. 1, § 155; ZPO § 85 Abs. 2; AO §§ 84, 118, 127, 193 Abs. 1, § 194 Abs. 1 S. 2, §§ 196-197; BpO § 4 Abs. 1; StPO § 153a; FGO § 47 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin rechtzeitig Klage erhoben hat und – falls ja – ob eine bei der Klägerin vorgesehene Außenprüfung durch einen bestimmten Außenprüfer durchgeführt werden darf.

1. Bei der gewerblich tätigen Klägerin wurde für die Jahre 2010 bis 2012 eine Außenprüfung durchgeführt. Der für diese Außenprüfung zuständige Außenprüfer war Herr T (im Folgenden: Außenprüfer).

Aufgrund der Ergebnisse dieser Außenprüfung, die zu Mehrsteuern führte, wurde ein Steuerstrafverfahren gegen die damalige Gesellschafterin und Geschäftsführerin eingeleitet. In diesem Strafverfahren trat der Außenprüfer als Zeuge auf. Das Strafverfahren wurde mit Beschluss vom 20.09.2018 nach § 153a Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt, nachdem die damalige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die ihr gemachte Auflage der Zahlung eines Betrags […] erfüllt hatte.

Für die Jahre 2013 bis 2015 führte der Beklagte bei der Klägerin ebenfalls eine Außenprüfung durch. Auch diese Außenprüfung führte der Außenprüfer durch. Nachdem die Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 abgeschlossen worden war, den zu (erheblichen) Mehrergebnissen führenden Prüfungsfeststellungen entsprechende Änderungsbescheide für die Jahre 2013 bis 2015 ergangen waren und die Klägerin hiergegen wegen eines Teils der Prüfungsergebnisse erfolglos Einspruch eingelegt hatte, hat die Klägerin gegen die Änderungsbescheide in Gestalt der (jeweiligen) Einspruchsentscheidung Klage erhoben. Die entsprechenden Klageverfahren, für die der Senat nicht zuständig ist (Aktenzeichen 5 K 1095/22 U sowie 10 K 1055/22 K,G), sind derzeit noch nicht abgeschlossen.

2. a) Unter dem 25.03.2022, also noch während des Laufs der vorgenannten Klageverfahren, erließ der Beklagte eine auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützte verfahrensgegenständliche Prüfungsanordnung, nunmehr für die Jahre 2016 bis 2018. Für diese Außenprüfung ist ausweislich der Prüfungsanordnung erneut derselbe Außenprüfer vorgesehen.

b) Gegen diese Prüfungsanordnung legte die durch die Klägerbevollmächtigte vertretene Klägerin mit per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) übermittelter und vom Rechtsanwalt unterzeichneter Einspruchsschrift vom 25.04.2022 Einspruch ein. Diesen begründete die Klägerin im Wesentlichen damit, dass gegen den Außenprüfer der Verdacht des „Missbrauchs der Unparteilichkeit und Unbefangenheit (§ 83 Abs. 1 AO)” bestehe. Des Weiteren erhob die Klägerin in der Einspruchsschrift gegenüber dem Außenprüfer den „Vorwurf der vorsätzlichen Steuerübererhebung” zulasten der Klägerin. Im Laufe der Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 sei der Eindruck erweckt worden, dass der Außenprüfer ein persönliches Anliegen verfolge. Offensichtlich...

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