Klageerhebung einer StBG per Telefax in 2022

Eine nach § 52d Satz 2 FGO (noch) nicht nutzungspflichtige Prozessbevollmächtigte in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH wird nicht dadurch (i.S.d. § 52d Satz 1 FGO) nutzungspflichtig, dass ein nach § 52d Satz 1 FGO nutzungspflichtiger gesetzlicher Vertreter (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 55d Abs. 2 StBerG) gegenüber dem Gericht auftritt; der Umstand, dass der handelnde Rechtsanwalt außerhalb seiner Tätigkeit als Organ der Steuerberatungsgesellschaft mbH über eine Zulassung zur Anwaltschaft verfügt, führt zu keinem anderen Ergebnis

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Nach § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht (§ 52d Satz 2 FGO).

Sachverhalt: Kommt es für das Bestehen der Übermittlungspflicht nach § 52d FGO auf die Gesellschaftsform oder auf den Status des Unterzeichners als Rechtsanwalt oder Steuerberater an?

Die Prozessbevollmächtigte, eine Steuerberatungsgesellschaft mbH, “vertreten durch den Geschäftsführer Rechtsanwalt (X“), erhob nach Ergehen der Einspruchsentscheidung wegen Umsatzsteuer 2019 namens und in Vertretung der Klägerin mit Telefax vom 12.7.2022 Klage. Auf dem Briefbogen der Prozessbevollmächtigten sind neben dem Sitz der Gesellschaft und dem Registergericht samt HRB-Nummer die Geschäftsführer (X), Rechtsanwalt & Fachanwalt für Steuerrecht, sowie (Y), Steuerberater, angegeben. Die Klageschrift ist unterzeichnet von X und dem Zusatz "Rechtsanwalt & Fachanwalt für Steuerrecht".

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab, da sie entgegen §§ 52a, 52d FGO nicht innerhalb der Klagefrist als elektronisches Dokument übermittelt worden sei. Im Zeitpunkt der Klageerhebung habe eine Pflicht zur Nutzung des beA für alle natürlichen Personen, die als Rechtsanwälte zugelassen waren, bestanden. So sei auch der für die Prozessbevollmächtigte tätige Rechtsanwalt X, der die Klageschrift unterzeichnet hatte, verpflichtet gewesen, das beA zur Erhebung der Klage zu nutzen. Er unterliege als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft mbH ebenso der Nutzungspflicht wie als Rechtsanwalt in einer Einzelpraxis.

Im Revisionsverfahren vertrat die Klägerin die Auffassung, sie habe als Steuerberatungsgesellschaft mbH – auch wenn deren angestellter Geschäftsführer als Rechtsanwalt zugelassen war – im Jahr 2022 noch wirksam eine Klage per Telefax einreichen können.

Das FA führte aus, dass im Rubrum der Klageschrift X als "Geschäftsführer Rechtsanwalt" benannt worden sei; des Zusatzes "Rechtsanwalt" habe es nicht bedurft. In der Fußzeile des Briefbogens werde X als "Rechtsanwalt & Fachanwalt für Steuerrecht" ausgewiesen. Mit diesem Zusatz habe X auch die Klageschrift unterschrieben. Zudem habe X im Klageverfahren auch unter Nutzung seines beA mit dem FG kommuniziert, bevor dieses erste Bedenken an der Zulässigkeit der Klage geäußert habe.

Entscheidung: Klage konnte wirksam per Telefax übermittelt werden

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Gerichtsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Das FG hat die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin hat am 12.7.2022 in zulässiger Weise per Telefax Klage erhoben.

Sicherer Übermittlungsweg für Steuerberatungsgesellschaft mbH erst seit dem 1.1.2023

Rechtsanwälte haben nach § 52d Satz 1 FGO u.a. vorbereitende Schriftsätze als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dies gilt auch nach § 52d Satz 2 FGO für die nach § 62 Abs. 2 FGO vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht. Für Berufsausübungsgesellschaften in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH ist allerdings erst seit dem 1.1.2023 von der Bundessteuerberaterkammer ein sicherer Übermittlungsweg in Gestalt des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs, kurz beSt, eingerichtet (§ 86e StBerG), sodass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin daher als Steuerberatungsgesellschaft mbH nach § 52d Satz 2 FGO grundsätzlich erst seit dem 1.1.2023 zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs und zur Übermittlung (vorbereitender und) bestimmender Schriftsätze sowie schriftlich einzureichender Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument verpflichtet war.

Unmaßgeblich ist, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Streitfall durch einen gesetzlichen Vertreter handelte, der neben seiner (nichtselbständigen) Tätigkeit als Geschäftsführer der Prozessbevollmächtigten eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft besitzt und in dieser Form ("X, Rechtsanwalt & Fachanwalt für Steuerrecht") die Klageschrift unterzeichnet hat.

Der BFH führt aus, dass zwar Rechtsanwälte, die – als natürliche Person (Einzelanwalt) – im Verzeichnis der für sie zuständigen Rechtsanwaltskammer eingetragen sind und für die von der Bundesrechtsanwaltskammer ein beA eingerichtet worden ist, nach § 52d Satz 1 FGO seit dem 1.1.2022 nutzungspflichtig sind. Vor diesem Hintergrund sind auch Steuerberater, die zugleich eine Zulassung als Rechtsanwalt besitzen (und damit ein beA unterhalten), jedenfalls dann ebenfalls nach § 52d Satz 1 FGO ab dem 1.1.2022 nutzungspflichtig, wenn sie als Prozessbevollmächtigte auftreten und ein bei Gericht eingereichtes Dokument in entsprechender Weise unterzeichnen.

„Gemischte“ Berufsausübungsgesellschaften

Auch "gemischte" Berufsausübungsgesellschaften, bei denen neben Steuerberatern auch andere Berufsträger (Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Notare) tätig sind und die neben steuerlichen Beratungsleistungen auch Dienstleistungen anbieten, die über die Befugnisse des § 3 StBerG hinausgehen, können nach § 52d Satz 1 FGO seit dem 1.1.2022 nutzungspflichtig sein, wenn ein verantwortlicher, im Briefkopf der Berufsausübungsgesellschaft namentlich aufgeführter Berufsträger mit Mehrfachzulassung ("Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater") einen (vorbereitenden oder) bestimmenden Schriftsatz an das Gericht übermittelt; ein solches Dokument darf nach dem 31.12.2021 nur noch elektronisch bei Gericht eingereicht werden.

Handlung der Steuerberatungsgesellschaft mbH durch ihren gesetzlichen Vertreter

Etwas anderes gilt jedoch, wenn eine Steuerberatungsgesellschaft mbH, die keine Dienstleistungen anbietet, die über die Befugnisse des § 3 StBerG hinausgehen, durch ihren gesetzlichen Vertreter handelt. Eine nach § 52d Satz 2 FGO (noch) nicht nutzungspflichtige Prozessbevollmächtigte in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH wird nicht dadurch nutzungspflichtig, dass für sie ein gesetzlicher Vertreter handelt, der in seiner beruflichen Funktion als Rechtsanwalt nach § 52d Satz 1 FGO nutzungspflichtig wäre, wenn er als solcher selbst dem Gericht gegenüber auftreten würde. Der Umstand, dass der handelnde Gesellschafter-Geschäftsführer außerhalb seiner Tätigkeit für die Steuerberatungsgesellschaft mbH über eine Zulassung zur Anwaltschaft nach den Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsordnung verfügt, führt zu keinem anderen Ergebnis.

Rechtsanwalt ist nicht als solcher selbst gegenüber FG aufgetreten

Nach diesen Grundsätzen konnte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte als nach § 52d Satz 2 FGO bis einschließlich 31.12.2022 noch nicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs verpflichtete Person die Klageschrift in zulässiger Weise per Telefax übermitteln. Die berufliche Qualifikation des Rechtsanwalts X, der im Streitfall nicht als solcher selbst dem FG gegenüber aufgetreten ist, sondern als angestellter Geschäftsführer und Organ der prozessbevollmächtigten Steuerberatungsgesellschaft mbH für diese gehandelt hat, tritt hinter § 52d Satz 2 FGO zurück. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass der Geschäftsführer der Prozessbevollmächtigten den Klageschriftsatz mit "Rechtsanwalt & Fachanwalt für Steuerrecht" gezeichnet hat.

Hinweis: Abgrenzung zur Rechtsprechung des BGH und des BAG

Das Urteil weicht nicht von der Rechtsprechung des BGH und des BAG ab. Die Beschlüsse des BGH zu einem anwaltlichen Insolvenzverwalter (v. 24.11.2022, IX ZB 11/22, MDR 2023, 189) und zu einem anwaltlichen Verfahrenspfleger (v. 31.1.2023, XIII ZB 90/22, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2023, 719) sowie vom 31.5.2023, XII ZB 428/22, MDR 2023, 1133 zu einem anwaltlichen Berufsbetreuer, die die Nutzungspflicht des jeweils betreffenden Rechtsanwalts bejaht haben, sind mit einem Rechtsanwalt und Steuerberater, der (auch) als Rechtsanwalt zeichnet, vergleichbar, nicht jedoch mit einem Rechtsanwalt, der als gesetzlicher Vertreter einer prozessbevollmächtigten Steuerberatungsgesellschaft mbH handelt.

Soweit das BAG in seinem Beschluss vom 23.5.2023, 10 AZB 18/22, BB 2023, 1395 die Nutzungspflicht eines Syndikusanwalts, der für einen Verband erlaubte Rechtsdienstleistungen gegenüber den Verbandsmitgliedern erbringt, bejaht hat, hat es sich von dem BFH-Zwischenurteil vom 25.10.2022, IX R 3/22, BStBl II 2023, 267 – zu einer Steuerberatungsgesellschaft mbH, die, wie vorliegend, durch ihren als Rechtsanwalt zugelassenen gesetzlichen Vertreter handelte – ausdrücklich abgegrenzt und insoweit eine Abweichung selbst ausgeschlossen.

Sofern das BAG mit Beschluss vom 21.9.2023, 10 AZR 512/20, BB 2023, 2419 die Nutzungspflicht eines Verbandsvertreters, der nicht als Syndikusanwalt zugelassen ist, selbst für den Fall verneint hat, dass dieser außerhalb des Arbeitsverhältnisses zum Verband über eine Zulassung als Rechtsanwalt verfügt, stimmt dies mit der Rechtsprechung des BFH überein.

BFH, Urteil v. 18.10.2023, XI R 39/22; veröffentlicht am 15.2.2024

Alle am 15.2.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen