Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabewille bei maschineller Bearbeitung. gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1991

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein als Bescheid bezeichnetes Schriftstück über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes ist wegen fehlendem Bekanntgabewillen unwirksam, wenn nach einvernehmlicher Beendigung des Rechtsbehelfsverfahrens über den vortragsfähigen Gewerbeverlust kein Anlass für eine Änderung des diesbezüglichen Feststellungsbescheids bestand und keinerlei Anhaltspunkt dafür erkennbar sind, dass der Sachbearbeiter der Veranlagungsstelle einen Gewerbesteuermessbescheid erlassen wollte, in dessen Folge der geänderte Verlustfeststellungsbescheid erging, weil er durch den Aufruf der Gewerbesteuer lediglich das EDV-technische Hindernis zur Durchführung der Körperschaftsteuerveranlagung aufgrund der nicht abschließenden Bearbeitung der Gewerbesteuer durch die Rechtsbehelfsstelle beseitigen wollte.

 

Normenkette

AO 1977 § 124

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob ein als Bescheid bezeichnetes Schriftstück über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1991 vom 17. Februar 2003 wirksam ist.

Ursprünglich war – nach Durchführung einer Außenprüfung – für den Veranlagungszeitraum 1991 die Höhe einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) einer Tochtergesellschaft an die Klägerin streitig. Bei einer vGA von 6.863.000 DM ermittelte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 6.860.004 DM. Unter Berücksichtigung eines Kürzungsbetrages von 15.141.254 DM betrug der Gewerbeverlust 2.996 DM, der in dieser Höhe vortragsfähig war (Bescheide vom 3. Mai 1996).

Im Rechtsbehelfsverfahren einigten sich die Beteiligten auf eine vGA in Höhe von 1.000.000 DM. Bei einem Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 559.504 DM und einer Kürzung von 9.843.750 DM ergab sich ein Gewerbeverlust von 1.002.996 DM. Ein geänderter Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1991 erging nicht, weil der Gewerbesteuermessbetrag unverändert 0 DM betrug. Der geänderte Bescheid über den vortragsfähigen Gewerbeverlust (1.002.996 DM) erging am 13. März 2002.

Unter dem 17. Februar 2003 (Rechentermin – RT 05.02.03) wurden als Bescheide bezeichnete Schriftstücke über den Gewerbesteuermessbetrag für 1991 und über den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.1991 erstellt. Bei einem Kürzungsbetrag von 15.144.250 DM betrug der vortragsfähige Gewerbeverlust 6.303.496 DM. Der Klägervertreter beantragte telefonisch für die Folgejahre (1992 ff.) die Gewerbesteuermessbescheide zu ändern.

Mit Bescheiden vom 22. Mai 2003 wurden die Schriftstücke vom 17. Februar 2003, unter Hinweis auf § 129 Abgabenordnung (AO), geändert, der vortragsfähige Gewerbeverlust wurde nun, wie im Bescheid vom 13. März 2002, auf 1.002.996 DM festgestellt. Der dagegen eingelegte Einspruch vom 5. Juni 2003 wurde mit Einspruchsentscheidung vom 5. November 2003 als unbegründet zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 4. Dezember 2003.

Das FA selbst sei zunächst von einer wirksamen Bekanntgabe ausgegangen. Die Änderung der Rechtsauffassung im Rechtsbehelfsverfahren sei wohl in der Erkenntnis erfolgt, eine rechtliche Würdigung i. S. d. § 129 AO durch den zuständigen Bearbeiter könne nicht vollständig ausgeschlossen werden. Die Aktenausfertigung des im Rechentermin vom 5. Februar 2003 erzeugten strittigen Bescheids sei sicherlich vor Bekanntgabe zum zuständigen Sachbearbeiter gelangt, ein fehlender Bekanntgabewille sei nicht aktenkundig gemacht worden. Im Gegenteil sei der Bekanntgabewille des Sachbearbeiters mit seinen Aktenvermerken dokumentiert. Das Vorbringen des FA, es habe kein Anlass zur Änderung bestanden, sei unbeachtlich. Für die Klägerin sei es deswegen nicht offensichtlich gewesen, dass es sich um einen irrtümlichen Bescheid handeln müsste, weil der strittige Bescheid genau dem Vortrag der Klägerin im ursprünglichen Rechtsbehelfsverfahren entsprechen würde.

Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2005 verweist der Klägervertreter nochmals ausdrücklich auf den Kontrollhinweis mit RT-Datum 06.02.03. Mit der doppelten Unterzeichnung der Verfügung durch die hierzu befugten Behördenvertreter könne der Bekanntgabewille einer Behörde in den Unterlagen kaum deutlicher dokumentiert sein.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1991 vom 22. Mai 2003 in Form der Einspruchsentscheidung vom 5. November 2003 ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach erfolgtem „Abschließen” einer Veranlagung am Computer gelange – im Gegensatz zu früheren Arbeitsabläufen – keine Aktenausfertigung eines Bescheids zum zuständigen Sachbearbeiter. Da der Sachbearbeiter ggf. gar nicht wisse, dass ein Bescheid bekannt gegeben werde, könne er also auch nicht einen evtl. Bekanntgabewille...

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