Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer isolierten Anfechtungsklage. Bekanntgabe durch förmliche Zustellung. Angabe der „Geschäftsnummer” auf der PZU

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird die isolierte Aufhebung einer Einspruchsentscheidung geltend gemacht, weil das FA den Einspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen habe, ist eine isolierte Anfechtungsklage zulässig.

2. Bei der Bekanntgabe eines Steuerbescheids durch förmliche Zustellung muss die zugestellte Sendung mit einer ausreichenden, den Inhalt der Sendung einwandfrei identifizierenden Geschäftsnummer versehen sein.

3. Für die notwendige Identifizierung eines förmlich zugestellten Steuerbescheids durch die Geschäftsnummer genügt allein die Verwendung der Steuernummer nicht. Vielmehr bedarf es der Ergänzung um die Steuerart sowie das Steuerjahr. Handelt es sich um einen Änderungsbescheid, ist zudem die Angabe des Datums des Steuerbescheids erforderlich.

 

Normenkette

AO § 122 Abs. 5, § 355; VwZG § 3 Abs. 1 S. 2; FGO § 44; Zustellungsvordruckverordnung

 

Tenor

1. Die Einspruchsentscheidung vom 30.06.2005 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die beklagte Behörde.

3. Der Gerichtsbescheid ist für den Kläger im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die beklagte Behörde darf durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger betrieb im Streitjahr ein Fitness-Studio. Außerdem war er als Finanz- und Versicherungsmakler tätig. Nachdem er – wie schon im Vorjahr – auch für das Streitjahr keine Steuererklärung abgegeben hatte, schätzte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO 1977). Der entsprechende Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und wurde am 04.12.2002 mit einfachem Brief zur Post gegeben.

Am 24.11.2003 erließ das FA für das Streitjahr einen nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Einkommensteuerbescheid und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Diesen Bescheid übergab das FA der Post zum Zweck der Bekanntgabe mittels Postzustellungsurkunde (PZU). Auf der PZU war unter der Gliederungsnummer 1.1. „Aktenzeichen” die Steuernummer angegeben. Unter der Gliederungsnummer 1.2. „ggf. weitere Kennz.” war keine Eintragung vorgenommen. Auf der PZU ist unterhalb des für die „Eintragung der bei der Zustellung zu beachtenden Vermerke” vorgesehenen Feldes, das sich rechts neben dem Adressenfeld befindet, handschriftlich vermerkt: „ESt-Bescheide 2000, 2001, 2002”.

Da die Postzustellerin den Kläger nicht antraf, legte sie ausweislich der PZU die Sendung am 25.11.2003 in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten ein.

Mit Schreiben vom 15.11.2004 legte der Kläger neben Einsprüchen gegen die Steuerbescheide 2001, 2002 und 2003, die ihm nach den Feststellungen des FA am 15.10.2004 zugestellt worden waren (s. das Schreiben vom 19.11.2004), auch „vorsorglich” Einspruch gegen die Steuerbescheide 1998, 1999 und 2000 (Streitjahr) ein. Diese habe er, so machte er geltend, nie bekommen. In der Anlage zum Schreiben vom 19.11.2004 übersandte das FA dem Kläger unter anderem eine Kopie des streitgegenständlichen Bescheids vom 24.11.2003. Am 02.05.2005 ging beim FA die Steuererklärung des Klägers für das Streitjahr ein.

Das FA sah den Einspruch des Klägers gegen den Steuerbescheid 2000 als verspätet an, gewährte keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verwarf ihn mit Einspruchsentscheidung vom 30.06.2005 als unzulässig.

Dagegen erhob der Kläger Klage. Wie es in der Klageschrift wörtlich heißt, „gilt” diese „für die Einspruchsentscheidung gegen den Einkommensteuerbescheid 2000”. Diese entspreche nicht der Wahrheit. Der Steuerbescheid 2000 sei ihm, dem Kläger, nicht zugestellt worden.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es erscheint zweckmäßig, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Klage ist auf isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung gerichtet. Der Kläger wendet sich ausdrücklich gegen die Einspruchsentscheidung. Hervorgehoben wird, dass der streitgegenständliche Steuerbescheid – entgegen der vom FA in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung – nicht zugestellt worden sei. Damit macht der Kläger geltend, das FA habe seinen Einspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen. In einem solchen Fall ist die isolierte Anfechtungsklage zulässig (Gräber/von Groll, Komm. zur Finanzgerichtsordnung –FGO–, 6. Aufl., § 44 Anm. 38 m.w.N.). Damit wird dem Kläger die prozessuale Möglichkeit gegeben, den Weg für eine Sachentscheidung des FA, hier den Erlass eines geänderten Steuerbescheids entsprechend der nachgereichten Erklärung, frei zu machen.

2. Die in diesem Sinne zu verstehende Klage ist auch begründet.

Der Kläger hat gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 24.11.2003 nicht verspätet Einspruch eingelegt.

a) Die einmonatige Einspruchsfrist (§...

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