Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweckwidrige Entnahme von Strom

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Solange die Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom für betriebliche Zwecke nicht widerrufen bzw. (rückwirkend) zurückgenommen ist, ist der Erlaubnisinhaber als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes anzusehen.

2. Deswegen gilt der aufgrund der Erlaubnis steuerbegünstigt entnommene Strom nicht als zu einem anderen als dem in der Erlaubnis genannten Zweck entnommen. Demzufolge ist im Streitfall keine Stromsteuer nach § 5 StromStG entstanden.

 

Normenkette

AO § 130 Abs. 2 Nr. 3, § 171 Abs. 10, § 180 Abs. 1; StromStG § 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1, § 9 Abs. 3-4, 6-7; StromStV § 9 Abs. 3

 

Tenor

1. Die Vollziehung des Steuerbescheids vom 29. Februar 2008 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens in Höhe von … EUR ausgesetzt bzw. aufgehoben soweit die Abgaben bereits entrichtet sind.

Die Verwirkung angefallener Säumniszuschläge wird insoweit aufgehoben, als sie auf die ausgesetzten Beträge entfallen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob der Antragsgegner (das Hauptzollamt) von der Antragstellerin zu Recht Stromsteuer angefordert hat.

Die Antragstellerin beantragte im August 1999 die Erlaubnis, um Strom zum ermäßigten Steuersatz für betriebliche Zwecke zu entnehmen und ihr Unternehmen als ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes dem Abschnitt D (verarbeitendes Gewerbe) der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes (WZ 2003) zuzuordnen. Als wirtschaftliche Tätigkeit ihres Unternehmens gab die Antragstellerin dabei den „Betrieb einer Betonstahlbiegerei insbesondere das Biegen und Bearbeiten von Betonstahl lt. Werkvertrag” an.

Das Hauptzollamt erteilte der Antragstellerin mit Bescheid vom 31. März 2000 die Erlaubnis, als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes mit Wirkung vom 1. Januar 2000 Strom zum ermäßigten Steuersatz für betriebliche Zwecke dem Versorgungsnetz zu entnehmen.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2006 widerrief es diese jedoch mit Wirkung vom 20. Dezember 2006, weil das Unternehmen der Antragstellerin nach dem Ergebnis einer bei dieser durchgeführten Außenprüfung nicht mehr dem Produzierenden Gewerbe zugeordnet werden könne und somit die Voraussetzungen für die steuerbegünstigte Entnahme von Strom nicht mehr vorlägen.

Mit Steuerbescheid vom 29. Februar 2008 forderte das Hauptzollamt von der Antragstellerin Stromsteuer für Strom an, den diese in den Jahren 2002 bis 2005 mit der erteilten Erlaubnis zu ermäßigten Steuersätzen bezogen hatte, obwohl sie kein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes und somit nicht zur Entnahme von ermäßigt versteuertem Strom berechtigt gewesen sei. Die Antragstellerin habe deshalb zum einen Strom für eigene Zwecke entnommen und zum anderen an die an den jeweiligen Betriebsstätten befindlichen Drittunternehmen geleistet.

Über den hiergegen eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden. Die beantragte Aussetzung der Vollziehung lehnte das Hauptzollamt mit Bescheid vom 29. April 2008 ab.

Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bringt die Antragstellerin im Wesentlichen Folgendes vor:

Sie stelle kein Handelsunternehmen dar, sondern sei aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit in Abschnitt D (verarbeitendes Gewerbe) der WZ 2003 einzuordnen. Die von ihr zu erbringenden technischen Dienst-, Bau-, Produktions-, Logistik- und damit einhergehenden Verwaltungsleistungen würden zum Teil durch eigene Arbeitnehmer und zum Teil durch Subunternehmer erbracht. Sie habe den von den Versorgern bezogenen Strom zu eigenen betrieblichen Zwecken entnommen, da ihr Material (Baustahl) bearbeitet worden sei und die von den jeweiligen Subunternehmern erbrachten Leistungen originär den von ihr gegenüber ihren Kunden eingegangenen Leistungsverpflichtungen zuzuordnen seien. Insofern sei sie auch als Letztverbraucher und nicht als Versorger anzusehen. Der Zuordnung zum verarbeitenden Gewerbe stehe nicht entgegen, dass sie Subunternehmer beauftragt habe. Denn Unternehmen gehörten auch dann zum verarbeitenden Gewerbe, wenn sie die von ihnen vertriebenen technischen Großanlagen lediglich bis zur Konstruktionsreife entwickelten, aber nicht selbst, sondern von Subunternehmen herstellen ließen. Da sie im Rahmen des Beantragungsverfahrens für den Erlaubnisschein sämtliche Anfragen der Zollbehörde wahrheitsgemäß beantwortet habe, habe die Erlaubnis auch nicht nach § 130 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) rückwirkend zurückgenommen werden können. Sie habe die Erlaubnis nicht durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Hinsichtlich der Stromsteuerermäßigung bestehe somit keine rückwirkende Änderungsmöglichkeit.

Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung des Steuerbescheids vom 29. Februar 2008 hinsichtlich der Nacherhebung für den Eigenverbrauch in den Jahren 2002 und 2003 in Höhe von … EUR und hinsichtlich der Nacherhebung für eine Stromleistung an Dritte in Höhe von … EUR ...

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