Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine vollständige Freistellung vom Steuerabzug bei Kapitalgesellschaften im Mutter-Tochter-Verhältnis in Missbrauchsfällen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine in Spanien gegründete Kapitalgesellschaft („sociedad de responsabilidad limitada”), die eine 100%-ige Beteiligung an einer in Deutschland gegründeten und ansässigen GmbH hält, ist nicht vollständig vom Abzug der Kapitalertragsteuer freizustellen, wenn es der Muttergesellschaft nicht gelingt nachzuweisen, dass es sich bei ihrer Einschaltung nicht um eine rein künstliche Konstruktion handelt, die auf die ungerechtfertigte Nutzung der Quellensteuerbefreiung i.S.d. Mutter-Tochter-Richtlinie gerichtet ist.

2. Die vollständige Quellensteuerbefreiung ist nicht gerechtfertigt, wenn an der Muttergesellschaft natürliche Personen beteiligt sind, denen die begehrte Freistellung nicht zustände, wenn diese die Einkünfte unmittelbar erzielten und die Muttergesellschaft keine ins Gewicht fallende eigene Wirtschaftstätigkeit ausübt.

3. Dabei reicht es nicht aus, wenn die Muttergesellschaft nur behauptet, Führungsaufgaben und durch Darlehenshingaben gegenüber der Tochtergesellschaft Finanzierungsaufgaben wahrgenommen zu haben, wenn weder konkret vorgetragen noch belegt wird, wie die Muttergesellschaft diese Aufgaben durch ihre Geschäftsführer ausgeübt haben will. Dies gilt umso mehr, wenn den eingereichten Gewinn- und Verlustrechnungen keine Aufwendungen zu entnehmen sind, die auf die Wahrnehmung von Führungsaufgaben hindeuten und die Bilanzen der Muttergesellschaft darüber hinaus belegen, dass finanzielle Mittel aus Darlehensrück- und Zinszahlungen der Tochtergesellschaft sowie sonstige liquide Mittel zeitnah an die Gesellschafter weitergeleitet worden sind.

 

Normenkette

AEUV Art. 49, 63, 267; EStG §§ 43b, 50d Abs. 3; GG Art. 23

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Antrag der Klägerin auf vollständige Freistellung gemäß § 50d Abs. 2 Satz 1 EStG die Missbrauchsregelung des § 50d Abs. 3 EStG entgegensteht.

Die Klägerin ist eine am …2009 gegründete Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Sociedad de la Responsabilidad Limitada (kurz: S.L.; vergleichbar einer deutschen GmbH) mit Sitz in A/Spanien (vgl. Auszug aus dem spanischen Handelsregister, Bl. 15 f. Verwaltungsakte des Beklagten). Gesellschafter zu jeweils 50 % sowie Geschäftsführer der Klägerin sind die in Spanien wohnhaften Brüder B und B1. Beide erhalten von der Klägerin kein tätigkeitsbezogenes Entgelt.

Über Büroräume kann die Klägerin nach ihren eigenen Angaben bei Bedarf unter der Adresse C-Straße … in A, verfügen. Die Nutzung dortiger Räumlichkeiten erfolge mit Einverständnis ihrer Gesellschaftergeschäftsführer, denen mittelbar über andere spanische Gesellschaften Teile des Gebäudes gehörten. Im laufenden Betrieb anfallende Arbeiten erledigt nach den Angaben der Klägerin eine freiberufliche, in D ansässige Mitarbeiterin, Frau E. Als Tätigkeit gab diese in den von ihr ausgestellten Rechnungen „honorarios correspondientes a servicios realizados durante” an. Im Jahr 2016 betrug der bilanzierte Aufwand ca. … €, was mangels Einnahmen zu einem bilanziellen Gesamtverlust i.H.v. … € führte (vgl. Bilanz 2016, Bl. 166 f. Verwaltungsakte des Beklagten).

Die Klägerin ist an der F GmbH, mit Sitz in G, M-Straße …, als alleinige Gesellschafterin beteiligt. Die F GmbH (GmbH) wurde mit notariellem Vertrag vom … 2009 gegründet. Geschäftsführer sind ebenfalls die Herren B. Gegenstand der GmbH ist der Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von Immobilien oder Teilen davon. Die Klägerin stellte der GmbH im Jahr 2010 insgesamt vier Darlehen zur Verfügung, jeweils mit einer Laufzeit von drei Jahren und einer Verzinsung i.H.v. 3 % (vgl. Bl. 25 ff. Verwaltungsakte des Beklagten). Die Darlehenssummen beliefen sich auf … € (Vertrag vom …2010), auf … € (Vertrag vom …2010), auf … € (Vertrag vom …2010) und auf … € (Vertrag vom … 2010).

Zum … 2010 erwarb die GmbH das Wohn- und Geschäftshaus H-Straße…in G, das umfassend saniert und instand gesetzt wurde. 2011 erfolgte die Teilung in einzelne Wohneinheiten, die nach Fertigstellung, im Wesentlichen in den Jahren 2013 und 2014, veräußert wurden (vgl. Jahresabschlüsse der F GmbH vom 01.01.2010 bis 31.12.2010, 01.01.2013 bis 31.12.2013 sowie vom 01.01.2014 bis 31.12.2014, veröffentlicht unter www.unternehmensregister.de).

Zwischen der Klägerin und der GmbH gab es einen Vertrag über Vermögensberatung und Vermögensverwaltung, der auf der 1. Seite das Datum „… 2010” trägt. Die Leistungen der Klägerin, insbesondere im Zusammenhang mit Immobilienerwerb, Immobilienverkauf, Vermögensverwaltung der Immobilien sowie dem Finanzmanagement der GmbH, sollten laut Regelung im Vertrag mit einer Vergütung i.H.v. …€ pro Jahr entgolten werden. Vertragsbeginn war laut Vertrag der … 2014, die Mindestvertragslaufzeit belief sich auf zwei Jahre (vgl. „Vertrag über Vermögensberatung und Vermögensverwaltung”, Bl. 18 ff. Verwaltungsakte des Beklagten).

In der von der Klägerin e...

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