Entscheidungsstichwort (Thema)

Alleinige Zuständigkeit der Kirchenbehörde zur Entscheidung über Einwendungen gegen die kirchensteuerliche Bemessungsgrundlage im Vorverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Einwendungen gegen die Berechnung der Kirchensteuer-Bemessungsgrundlage unter Einbeziehung der steuerfreien Halbeinkünfte (§ 51a Abs. 2 EStG) sind nicht durch Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid zu verfolgen, sondern gegen den Kirchensteuerbescheid geltend zu machen.
  2. Die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 51a EStG ist keine selbständig anfechtbare gesonderte Feststellung, sondern eine unselbständige Berechnung ohne bindende Außenwirkung, die zum Aufgabenbereich der Kirche gehört und nicht den Begriff der „Maßstabsteuer” i.S. von § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG erfüllt. Die Finanzbehörde wird insoweit im Auftrag der Kirchenverwaltung tätig.
  3. Ein von der Finanzbehörde auf einen als Rechtsbehelf gegen den Kirchensteuerbescheid auszulegenden Einspruch durchgeführtes Vorverfahren reicht als Sachentscheidungsvoraussetzung nicht aus, weil der adäquate, vollständige außergerichtliche Rechtsschutz des Steuerpflichtigen nicht sichergestellt ist.
  4. Beruhen die Verfahrenskosten auf einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung und der Durchführung des falschen Vorverfahrens durch die beklagte Behörde, so sind dieser die Kosten des durch Prozessurteil abgeschlossenen Verfahrens aufzuerlegen.
 

Normenkette

EStG § 51a Abs. 2, 5 Satz 1; FGO § 44 Abs. 1, § 137 Satz 2; KiStG NW § 4 Abs. 1, 2 Satz 1, §§ 9, 14 Abs. 1 Satz 1; KiStG NW 14 Abs. 2 Satz 1; KiStG NW § 14 Abs. 6 Satz 1; KiStO § 25 Abs. 2 Satz 1; AO § 157 Abs. 1, 2 HS. 2, § 199 Abs. 1, § 351 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 28.11.2007; Aktenzeichen I R 99/06)

 

Tatbestand

Der Kläger A wird zur Einkommensteuer getrennt veranlagt. Ebenso wie sein Bruder B war er zu 50 % an der vermögensverwaltenden Gesellschaft A und B GbR beteiligt; die GbR wiederum war Gesellschafterin der X-GmbH. Im Streitjahr veräußerte die GbR einen Teilgeschäftsanteil an der GmbH und erzielte damit einen Veräußerungsgewinn i. S. von § 17 Abs. 2 des EinkommensteuergesetzesEstG – von rd. 3,5 Mio. EUR; hiervon entfielen auf den Kläger anteilig 1.748.046 EUR. Die in der Vergangenheit zur Finanzierung des Geschäftsanteils aufgelaufenen Zinsen betrugen zum 31. Dezember 2001 rd. 2,5 Mio. EUR; sie sind Teil des zum 31. Dezember 2001 verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d Abs. 3 EStG von 2.600.406 EUR.

Im Einkommensteuerbescheid 2002 vom 19. Mai 2004 erfasste der Beklagte den anteiligen Veräußerungsgewinn des Klägers unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 EStG) mit 50 %, d.s. 874.023 EUR. Nach Berücksichtigung der weiteren Einkünfte des Klägers und von Verlustvorträgen nach § 10d EStG setzte der Beklagte die Einkommensteuer wie folgt fest:

steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn

874.023 EUR

negative Halbeinkünfte

./. 228.434 EUR

übrige Einkünfte

165.257 EUR

GdE

810.846 EUR

Verlustabzug ab 1999

./. 316.956 EUR

Verlustabzug bis 1998

./. 486.931 EUR

Sonderausgaben

./. 6.959 EUR

zvE

0 EUR

ESt

0 EUR

Die Kirchensteuer berechnete der Beklagte unter Anwendung des § 51a Abs. 2 EStG wie folgt:

zu versteuerndes Einkommen

0 EUR

zzgl. steuerfreie Halbeinkünfte

645.060 EUR

maßgebendes zu versteuerndes Einkommen

645.060 EUR

darauf entfallende Einkommensteuer

302.985 EUR

Bemessungsgrundlage

302.985 EUR

davon 9 v.H. Kirchensteuer

27.268 EUR

Die dem Bescheid beigefügte programmgesteuerte Rechtsbehelfsbelehrung lautet auszugsweise wie folgt: „Gegen die Festsetzung der Kirchensteuer ist ebenfalls der Einspruch gegeben. Der Einspruch ist bei dem vorbezeichneten Finanzamt einzureichen, wenn er sich gegen die Höhe der der Festsetzung zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage richtet. Ein Einspruch gegen die Festsetzung der Kirchensteuer, der sich auf Gründe stützt, die nicht mit der Berechnung der zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage zusammenhängen, ist insoweit bei der zuständigen evangelischen Kirchengemeinde einzureichen.”

Der Kläger legte gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch ein, weil trotz einer Einkommensteuerschuld von 0 EUR eine Kirchensteuer festgesetzt worden sei. Zwar sei die Einkommensteuerfestsetzung selbst zutreffend. Dennoch müsse er den Bescheid anfechten, damit die dort für Zwecke der Kirchensteuer berechnete Bemessungsgrundlage geändert werden könne. Mit Schreiben vom 15. Juni 2004 legte der Kläger darüber hinaus beim Generalvikariat des Erzbistums…Einspruch gegen den Kirchensteuerbescheid ein mit dem Hinweis, dass noch nicht geklärt sei, ob das Finanzamt oder das Generalvikariat für die Bearbeitung des Einspruchs zuständig sei. Im Dezember 2004 wies die Rechtsbehelfsstelle des Beklagten den Kläger darauf hin, dass über einen Einspruch gegen die Heranziehung zur Kirchensteuer nicht er, sondern das Erzbischöfliche Generalvikariat entscheide; er werde den Rechtsbehelf deshalb an die zuständige Kirchenbehörde weiterleiten. Der Kläger entgegnete, der zuständige Sachbearbeiter des Erzbistums…...

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