Entscheidungsstichwort (Thema)

Ort der Dienstleistung, Vermittlung von Personal, Vermittlung selbstständiger Lkw-Fahrer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 9 Abs. 2 Buchst. e sechster Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung verwendete Begriff „Gestellung von Personal“ auch die Gestellung von selbständigem, nicht beim leistenden Unternehmer abhängig beschäftigtem Personal umfasst.

2. Art. 17 Abs. 1, 2 Buchst. a und 3 Buchst. a sowie Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388 sind dahin auszulegen, dass sie den Mitgliedstaaten nicht vorschreiben, ihr nationales Verfahrensrecht so zu gestalten, dass die Steuerbarkeit und die Mehrwertsteuerpflicht einer Dienstleistung beim Leistungserbringer und beim Leistungsempfänger in kohärenter Weise beurteilt werden, auch wenn für sie verschiedene Finanzbehörden zuständig sind. Diese Bestimmungen verpflichten die Mitgliedstaaten jedoch, die zur Sicherstellung der korrekten Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 9 Abs. 2 Buchst. e, Art. 17 Abs. 1, 2 Buchst. a, Abs. 3 Buchst. a, Art. 18 Abs. 1 Buchst. a

 

Beteiligte

ADV Allround

ADV Allround Vermittlungs AG

Finanzamt Hamburg-Bergedorf

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Beschluss vom 20.04.2010; Aktenzeichen 3 K 3/09; EFG 2010, 1170)

 

Tatbestand

„Mehrwertsteuer ‐ Sechste Richtlinie ‐ Art. 9, 17 und 18 ‐ Bestimmung des Ortes der Dienstleistung ‐ Begriff ‚Gestellung von Personal‘ ‐ Selbständige ‐ Notwendigkeit, die gleiche Beurteilung der Dienstleistung beim Erbringer und beim Empfänger zu gewährleisten“

In der Rechtssache C-218/10

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. April 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Mai 2010, in dem Verfahren

ADV Allround Vermittlungs AG in Liquidation,

gegen

Finanzamt Hamburg-Bergedorf

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, M. Ilešič und J.-J. Kasel (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der ADV Allround Vermittlungs AG in Liquidation, vertreten durch die Rechtsanwälte S. Heinrichshofen und B. Burgmaier,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze als Bevollmächtigten,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Juni 2011

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e, Art. 17 Abs. 1, 2 Buchst. a und 3 Buchst. a sowie Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ADV Allround Vermittlungs AG in Liquidation (im Folgenden: ADV) und dem Finanzamt Hamburg-Bergedorf (im Folgenden: Finanzamt) über die Bestimmung des Ortes der Erbringung von Dienstleistungen für die Zwecke der Mehrwertsteuererhebung.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der siebte Erwägungsgrund der Sechsten Richtlinie lautet:

„Die Bestimmung des Ortes des steuerbaren Umsatzes hat insbesondere hinsichtlich der Lieferung eines Gegenstandes mit Montage und der Dienstleistung zu Kompetenzkonflikten zwischen den Mitgliedstaaten geführt. Wenn auch als Ort der Dienstleistung grundsätzlich der Ort gelten muss, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner beruflichen Tätigkeit hat, so sollte doch insbesondere für bestimmte zwischen Mehrwertsteuerpflichtigen erbrachte Dienstleistungen, deren Kosten in den Preis der Waren eingehen, als Ort der Dienstleistung das Land des Dienstleistungsempfängers gelten.“

Rz. 4

Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort.“

Rz. 5

In Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Sechsten Richtlinie heißt es:

„Es gilt jedoch

e) als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Empfänger oder an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistenden ansä...

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