4.2.1 Zulässigkeit des Vollrechts-Treuhandkontos

 

Rn 29

Statt Fremdkonten auf den Namen des Schuldners kann der Verwalter auch eigene Konten als Vollrechts-Treuhandkonten führen.[33] Das hat den erheblichen praktischen Vorteil, dass es der Mithilfe des Insolvenzschuldners schon bei der Eröffnung nicht bedarf. Durch die Führung von Treuhandkonten wird der Insolvenzschuldner zudem nicht nur von der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, sondern auch von der Rechtsinhaberschaft am Kontensaldo ausgeschlossen, was masseschädigende Verfügungen durch diesen auch faktisch unmöglich macht. Außerdem wird mit Eigenkonten des Verwalters umfassend verhindert, dass Massegläubiger in das Schuldnervermögen vollstrecken können.[34]

 

Rn 30

Dass dem Verwalter – über seine eigentliche Rechtsstellung nach § 80 Abs. 1 hinausgehend – auch das Vollrecht eingeräumt wird, schafft kein zusätzliches, der Zulässigkeit eines Vollrechts-Treuhandkontos entgegenstehendes Risiko für die Masse, denn der zweckwidrige Zugriff auf nicht verkörperte Gegenstände wird im Wesentlichen schon durch die Begründung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis darüber geschaffen. Hinzu kommt, dass Missbrauch schon durch die Haftungsregelung von § 60 Abs. 1 ganz erheblich vermieden wird; ganz ausschließen lässt er sich aber auch nicht bei Ermächtigungs-Treuhandkonten. Letztlich liegt bei der Einrichtung und Führung eines Vollrechts-Treuhandkontos auch kein Verstoß gegen § 181 BGB vor. Zwar handelt es sich bei der Treuhandabrede zwischen Insolvenzschuldner und Verwalter formal um ein Insichgeschäft – dieses dient allerdings nicht den Interessen des Insolvenzverwalters, und wirtschaftlich geht das Treuhandvermögen dem Schuldner (und damit seinen Gläubigern) nicht verloren.[35]

[33] BGH, NJW 1995, 1484 (1484) [BGH 15.12.1994 - IX ZR 252/93]; Kießling, NZI 2006, 440 (442 ff.); Hintzen/Förster, Rpfleger 2001, 399 (400); Kreft, FS Merz, S. 313 (327); MünchKomm- Füchsl/Weishäupl, § 149 Rn. 27 ff; Braun-Dithmar, § 149 Rn. 7; Obermüller, Rn. 2.151; a.A. Uhlenbruck-Uhlenbruck, § 149 Rn. 11; FK-Wegener, § 249 Rn. 6; skeptisch auch Kübler/Prütting-Holzer, § 149 Rn. 9; HambKomm-Jarchow, § 149 Rn. 10 f.
[34] Eingehend dazu Hinzen/Förster, Rpfleger 2001, 399 (400 f.).
[35] S. dazu Kreft, FS Merz, S. 313 (327); im Ergebnis auch MünchKomm-Füchsl/Weishäupl, § 149 Rn. 15; a.A. die sog. "Hamburger Leitlinien" (ZInsO 2004, 24).

4.2.2 Rechtliche Ausgestaltung des Vollrechts-Treuhandkontos

 

Rn 31

Eröffnet der Verwalter ohne nähere Bezeichnung ein Treuhandkonto, ist im Zweifel nicht von einer Ermächtigungstreuhand, sondern von einer Vollrechtstreuhand auszugehen.[36] Nicht erforderlich ist, dass der Verwalter bei Kontoerrichtung eine Kopie des Eröffnungsbeschlusses und der Bestallungsurkunde vorlegt.[37] Allerdings muss der Verwalter sich und nach gängiger Praxis auch den Insolvenzschuldner bei Kontoeröffnung und bestimmten Geschäftsvorfällen identifizieren (§ 2 Abs. 1, § 8 GewG), da er zwar in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung tätig wird.[38]

 

Rn 32

Zum Schutz der Masse ist es zudem erforderlich, dass der Insolvenzverwalter die Verwaltungstreuhand gegenüber der Bank ausdrücklich bezeichnet (offenes Treuhandkonto). Zwar wird auch bei verdeckten Treuhandkonten der Schuldner (und damit seine Gläubiger) vor Zugriffen Dritter im Wege der Einzelzwangsvollstreckung oder eines Insolvenzverfahrens auf das Vermögen des Verwalters (§ 771 ZPO, § 47) geschützt.[39] Der maßgebliche Unterschied liegt aber im Rechtsverhältnis zur Bank begründet: Ohne Bezeichnung als Treuhandkonto handelt es sich gegenüber der Bank um ein normales Eigenkonto des Verwalters, so dass der Bank weder das Zurückbehaltungsrecht, noch das Aufrechnungsrecht, noch das AGB-Pfandrecht gegenüber dem Treuhänder entzogen ist. Die Bank ist in diesem Fall ausschließlich an Weisungen des (formalen) Kontoinhabers gebunden.

 

Rn 33

Der Verwalter ist verpflichtet, detailliert Rechnung über die Kontoeröffnung und alle diesbezüglichen Zahlungen zu legen (§ 66). Als Vollrechtsinhaber haftet er mit seinem Privatvermögen bei einem passiven Saldo. Ausgeschlossen sind zudem Klagen des Verwalters als solchem unmittelbar für und gegen die Masse, denn die Vermögenswerte im Hinblick auf das Anderkonto gehören formal nicht zur Masse, sondern sind allein dem Kontoführenden selbst zugeordnet; als Partei kraft Amtes fehlt ihm insoweit also die Sachbefugnis.[40] Ein gewisser Nachteil bei Treuhandkonten besteht ferner darin, dass das dort gesammelte Vermögen bei einem Wechsel des Verwalters dem Nachfolger nicht sofort und unmittelbar zur Verfügung steht, sondern auf ihn übertragen werden muss.

[36] OLG Karlsruhe, WM 1999, 1766 (1767) [OLG Karlsruhe 27.11.1998 - 10 U 110/98]; Hinzen/Förster, Rpfleger 2001, 399 (400); Obermüller, Rn. 2.84.
[37] a.A. Nerlich/Römermann-Andres, § 149 Rn. 13.
[38] Obermüller, Rn. 2.155a.
[39] BGH, NJW 1996, 1543 (1543) [BGH 08.02.1996 - IX ZR 151/95]; BGH, NJW 1993, 2622 (2622) [BGH 01.07.1993 - IX ZR 251/92]; Hinzen/Förster, Rpfleger 2001, 399 (400); Bankrechtshandbuch-Hadding/Häuser, § 37 Rn. 43, 48; a.A. GroßkommHGB-Canaris, Bankvertragsrecht...

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