Gesetzestext

 

1Wer aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist kein Insolvenzgläubiger. 2Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstandes bestimmt sich nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten.

1. Normzweck

 

Rn 1

Die Norm bestimmt den Umgang mit Gegenständen, die nicht zur Insolvenzmasse gehören. Die vom Insolvenzverwalter beim Schuldner vorgefundenen Gegenstände sind zunächst einmal der sogenannten "Ist-Masse" zuzurechnen. In dieser befinden sich regelmäßig Gegenstände, die nicht zur Insolvenzmasse gehören. Hierbei kommt es nicht allein auf das dingliche Recht an, sondern im Speziellen auf die haftungsrechtliche Zuordnung.[1] Zu denken ist hier beispielsweise an die haftungsrechtliche Zuordnung des Sicherungseigentums zur Insolvenzmasse, obwohl dinglich das Eigentum beim Sicherungsnehmer liegt.

 

Rn 2

Nach Aussonderung dieser, der Insolvenzmasse haftungsrechtlich nicht zugewiesenen Gegenstände, verbleibt die sogenannte "Soll-Masse".[2] Nur diese ist die in § 35 normierte Insolvenzmasse, die zugunsten der Insolvenzgläubiger verwertet wird und letztendlich der Gläubigerbefriedigung dient. §§ 35, 36 definieren den Umfang der "Soll-Masse", wogegen § 47 den Umgang mit nicht zur "Soll-Masse" gehörenden Gegenständen und die Rechtsstellung des Aussonderungsberechtigten definiert. Letztendlich ist § 47 ein Abwehrrecht gegen den Zugriff des Insolvenzverwalters.[3] Hiermit wird dem Schutz des Eigentums nach Art. 14 GG Rechnung getragen.

 

Rn 3

Der Schutz des § 771 ZPO aus der Einzelzwangsvollstreckung wird über die Aussonderung auch im Insolvenzfall gewährleistet.[4] Missverständlich ist die Formulierung in der Gesetzesbegründung[5], wonach der Schuldner sein beispielsweise aufgrund von Pfändungsvorschriften nicht zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen aussondern kann.[6] Richtigerweise handelt es sich bei der Frage, ob Schuldnervermögen dem Massebeschlag unterliegt, um eine Frage der §§ 35, 36 und nicht der Aussonderung.[7]

[1] Braun-Bäuerle, § 47 Rn. 1.
[2] HK-Lohmann, § 47 Rn. 1; zu den begrifflichen Unterschieden MünchKomm-Ganter, § 47 Rn. 4.
[3] MünchKomm-Ganter, § 47 Rn. 5.
[4] Differenzierend MünchKomm-Ganter, § 47 Rn. 10.
[5] BT-Drs. 12/2443, 87.
[6] HK-Lohmann, § 47 Rn. 3.
[7] FK-Imberger, § 47 Rn. 3.

2. Norminhalt

 

Rn 4

Über § 47 kann der Aussonderungsberechtigte seine Rechte gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen. Aufgrund seiner materiellen außerhalb des Insolvenzverfahrens geregelten Rechtsposition kann er entweder Herausgabe des Gegenstandes, oder aber Feststellung seines Rechtes begehren.[8] Zudem kann er sich gegen ein Herausgabeverlangen des Insolvenzverwalters zur Wehr setzen.[9] Der Insolvenzverwalter kann seinerseits gegen einen behaupteten Aussonderungsanspruch eine negative Feststellungsklage erheben.[10]

 

Rn 5

Gegenstände der Aussonderung können bewegliche Sachen (vgl. § 90 BGB, so auch Schiffe und Luftfahrzeuge, Inhaberpapiere, Orderpapiere, Schuldscheine und Traditionspapiere und über § 90 a Satz 3 BGB auch Tiere, nicht aber Computersoftware[11], wohl aber die dazugehörigen Datenträger)[12], unbewegliche Sachen (Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte) sowie Rechte (Forderungen, absolut dingliche Rechte) sein.

 

Rn 6

Die Frage, ob Daten unabhängig von ihrem Datenträger aussonderungsfähig sind, wird mittlerweile zu bejahen sein.[13] Insoweit diese mit einem gewerblichen Schutzrecht verbunden sind, das seinerseits Gegenstand der Aussonderung sein kann, stellt sich die Frage regelmäßig nicht. Sind Daten jedoch nicht mit eine Schutzrechten verbunden, stellt sich die Frage der Aussonderungsfähigkeit. Im Ergebnis wird eine Aussonderungsfähigkeit zu bejahen sein, wobei auf die Art der Daten und deren Erzeugung abzustellen sein wird. Mittlerweile hat das OLG Düsseldorf die Aussonderungsfähigkeit von Daten anerkannt[14], wobei das Aussonderungsrecht im entschiedenen Fall über §§ 667 1. Alt, 675 BGB für einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag hergeleitet wurde. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.[15]

 

Rn 7

Diese Rechtsprechung dürfte auf andere Rechtsverhältnisse übertragbar sein. Insbesondere Fotografien (Anwendungsbereiche wären beispielsweise private Bilder auf einem zur Insolvenzmasse zugehörigen Rechner) sind über das Recht am eigenen Bild geschützt, sodass unter Umständen ein Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB in Betracht kommt. Auch die systematische Einordnung in das Sachenrecht spricht für einen direkt aus § 1004 BGB abgeleiteten Aussonderungsanspruch. Zudem sind Rechte am eigenen Bild über Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt. Praktisch wird die Aussonderung von Daten durch die Erstellung einer Kopie für den Berechtigten sowie endgültige Löschung auf dem massezugehörigen Datenträger zu bewerkstelligen sein.

 

Rn 8

Bargeld ist grundsätzlich aussonderungsfähig. Dieses gilt jedoch nur, wenn die Banknoten oder Münzen noch individualisierbar im Schuldnervermögen vorhanden sind.[16] Spätestens mit der E...

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