Leitsatz (amtlich)

1. Falls eine Rückstellung für Pensionsanwartschaften zulässig ist, hält der Senat auch nach Ergehen des Urteils III 125/61 S vom 8. September 1961 (BFH 74, 42, BStBl III 1962, 19) für Stichtage bis einschließlich 1. Januar 1959 daran fest, daß vom versicherungsmathematisch ermittelten Barwert der Pensionsanwartschaften ein Globalabschlag vorzunehmen ist.

2. Der Globalabschlag beträgt, wenn die Pensionszusage Vorbehalte enthält, 75 v. H. des Ausgangswerts.

2. Das wirtschaftliche Gewicht der einzelnen Vorbehalte ist für die Höhe des Globalabschlags ohne Belang.

 

Normenkette

BewG (vor Inkrafttreten des BewG 1965) § 62 Abs. 2; BewG (vor Inkrafttreten des BewG 1965) § 62a; BewV-Pensionsrückstellungen vom 15. August 1961 § 4

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 06.02.1973; Aktenzeichen 1 BvR 617/68)

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Rückstellung für Pensionsanwartschaften von Arbeitnehmern der Steuerpflichtigen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1955.

Die Steuerpflichtige, eine AG, sicherte ihren Vorstandsmitgliedern und leitenden Angestellten eine Pension zu. Die Pensionsverträge enthielten unter anderem folgende Bestimmung:

"A: Vorstandsmitglieder

Ein Anspruch auf Ruhegehalt besteht nicht, wenn das Vorstandsmitglied

a) durch eigenes grobes Verschulden einen wichtigen Grund zur Kündigung gegeben hat und aus diesem Grunde entlassen ist,

b) sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das die ...AG im Falle des Fortbestehens des Anstellungsvertrages zu dessen fristloser Kündigung berechtigt haben würde,

c) vor Vollendung des 65. Lebensjahres seine Dienste bei der ... AG, ohne daß die ... AG ihm einen triftigen Grund dazu gibt, freiwillig aufgibt.

d) Nimmt das Vorstandsmitglied während der Pensionszeit eine Beschäftigung auf, für die es Einkommen bezieht, so kann dieses Einkommen auf die Pension angerechnet werden; die Anrechnung des Einkommens kann jedoch höchstens zu einer Ermäßigung der Pension auf die Hälfte führen.

B: Andere leitende Angestellte

a) Die Wartezeit (regelmäßig: 10 Dienstjahre) muß erfüllt sein, bevor - außer bei einem Unfall - eine Pensionsberechtigung entsteht.

b) Die Pensionsberechtigung entfällt beim Ausscheiden aus Gründen, die der Zusageempfänger selbst zu vertreten hat.

c) Sog. Loyalitätsklausel:

Die Pension wird für die Dauer Ihres Lebens solange gezahlt, als keinerlei Handlungen gegen das Interesse unserer Firma vorgenommen werden, die als eine Förderung von Konkurrenzunternehmungen oder Schädigung des Ansehens unserer Firma anzusehen sind.

d) Sog. Anrechnungsklausel:

Einkünfte aus anderen Pensionseinrichtungen bzw. Pensionsverträgen werden auf die Vertragspension der ...AG insoweit angerechnet, als sie durch Beitragsleistungen der ...AG oder durch Dienstjahre entstanden sind, die bei der Bemessung dieser Pension Berücksichtigung gefunden haben."

Das FA erkannte zum 1. Januar 1955 eine Rückstellung für die Pensionsanwartschaften dem Grunde nach an. Es nahm jedoch einen Abschlag vom hier unstreitigen Ausgangswert in Höhe von 75 v. H. vor. Den Einspruch wies es als unbegründet zurück.

Mit der Berufung begehrte die Steuerpflichtige, § 62 Abs. 2 BewG a. F. auch hinsichtlich der Berechnung der Rückstellung entsprechend anzuwenden. Der BFH habe sich zur Begründung der Rückstellung für Pensionsanwartschaften bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf diese Vorschrift bezogen (Urteil III 125/61 S vom 8. September 1961, BFH 74, 42, BStBl III 1962, 19). Deshalb seien die Rückstellungen mit dem Betrag abzuziehen, der zur Sicherstellung der Verpflichtungen aus den am Bewertungsstichtag bestehenden Versorgungszusagen erforderlich sei. Die Rückstellung für Pensionsanwartschaften sei deshalb zu erhöhen. Die Steuerpflichtige beantragte hilfsweise, den vom FA vorgenommenen Globalabschlag von 75 v. H. auf 50 v. H. zurückzuführen, weil Verstöße gegen die in den Pensionsverträgen enthaltene Loyalitätsklausel außerordentlich selten seien.

Das FG hielt die Berufung in seinem in Der Betrieb 1965 S. 1427 (DB 1965, 1427) veröffentlichten Urteil für zum Teil begründet. Es führte im wesentlichen aus: Mit dem Urteil III 125/61 S vom 8. September 1961 (a. a. O.) habe der BFH nicht nur den Gedanken von dem Gesetz der großen Zahl aufgegeben. Er habe damit auch nicht mehr an dem Globalabschlag von 75 v. H., wie er in den Urteilen III 161/54 S vom 26. Juli 1957 (BFH 65, 206, BStBl III 1957, 314) und III 255/56 S vom 24. Januar 1958 (BFH 66, 376, BStBl III 1958, 146) gefordert worden sei, festgehalten. Im Streitfall komme nur noch ein Abschlag von 25 v. H. vom Ausgangswert wegen des Unterschieds des bewertungsrechtlich maßgeblichen Abzinsungssatzes von 5,5 v. H. und des der versicherungsmathematischen Berechnung zugrunde liegenden Satzes von 3,5 v. H. in Betracht. Selbst wenn für Vorbehalte ein weiterer Abschlag zulässig wäre, sei er im Streitfall nicht möglich; denn es sei nicht dem Willen der Steuerpflichtigen überlassen, ob und in welchem Umfang sie die zugesagten Leistungen aufrechterhalten oder ändern wolle.

Mit der Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, trug das FA im wesentlichen vor, das BFH-Urteil III 125/61 S (a. a. O.) betreffe ausschließlich die Frage der Zulässigkeit von Rückstellungen für Pensionsanwartschaften dem Grunde nach. Die Vorschrift des § 62 Abs. 2 BewG a. F. sei keine geeignete Grundlage für die Errechnung der Rückstellung, zumal die rechtliche und wirtschaftliche Struktur der Rückstellungen für Pensionsanwartschaften und der versicherungstechnischen Rücklagen verschieden sei. Es sei auch für die Höhe des Abschlags unbeachtlich, um welche Vorbehalte es sich im einzelnen handele oder welche materielle Bedeutung ihnen zukomme.

Das FA beantragte, das Urteil des FG aufzuheben und den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1955 entsprechend der Einspruchsentscheidung festzusetzen.

Die Steuerpflichtige beantragte, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie legte Anschlußbeschwerde ein, die nunmehr als Anschlußrevision zu behandeln ist, mit dem Antrag, den Ansatz der Rückstellungen für Pensionsanwartschaften gegenüber dem Einheitswertbescheid zu erhöhen.

Die Steuerpflichtige begründete ihren Antrag damit, daß das Urteil III 125/61 S (a. a. O.) die rechtliche Begründung der Rückstellungen für Pensionsanwartschaften grundlegend geändert habe; das wirke sich auch auf den Wertansatz aus. Durch den Analogieschluß zu § 62 Abs. 2 BewG a. F. in diesem Urteil habe der BFH für die Bewertung der Rückstellungen eine versicherungsmathematische Berechnung dafür gefordert, welche Deckungsrückstellung (sogenannte Prämienreserve) sich in analoger Anwendung des § 53 Abs. 1 BewDV ergebe. Eine solche Berechnung habe sie bereits mit der Einspruchsbegründung vom FA vorgelegt. Danach lägen die Prämienreserven über dem vom FA im Einheitswertbescheid angesetzten Rückstellungsbetrag. Der vom FG vorgenommene Abschlag von 25 v. H. vom Barwert der Anwartschaften sei unbegründet. Es gebe keine auf § 62 Abs. 2 BewG a. F. übertragbare Bestimmung, nach der bewertungsrechtlich ein Abzinsungssatz von 5,5 v. H. maßgebend sei. Sie sei schließlich auch damit einverstanden, die Grundsätze des § 62a BewG 1961 auf den hier streitigen Stichtag anzuwenden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Streitig ist nicht die Zulässigkeit von Rückstellungen für Pensionsanwartschaften bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens dem Grunde nach. Das FA hat eine Rückstellung von 25 v. H. des Ausgangswerts selbst anerkannt und hält hieran auch in der Revision fest. Der Senat kann deshalb nach §§ 121, 96 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht darüber entscheiden, ob die vom FA anerkannte Rückstellung gerechtfertigt ist. Für ihre Beibehaltung spricht übrigens, daß Verwaltung und Rechtsprechung eine große Zahl derartiger Fälle nach den bisherigen Grundsätzen behandelt haben und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung unter Umständen nicht beachtet würde, wenn in Einzelfällen nunmehr eine andere Beurteilung angewendet würde.

2. Das Urteil III 125/61 S (a. a. O.) hat den Abzug von Pensionsanwartschaften beim Betriebsvermögen auch ohne Anwendung des sogenannten Gesetzes der großen Zahl anerkannt. Es kam zu diesem Ergebnis durch einen Analogieschluß zu § 62 Abs. 2 BewG a. F., den es insbesondere wegen des durch das StÄndG 1961 eingeführten § 62a BewG a. F. für gerechtfertigt hielt. Der Senat hat sich damals jedoch nicht zur Höhe des Abzugs geäußert, sondern die Streitsache zur Berechnung der "Höhe des gegebenenfalls versicherungsmathematisch und steuerlich gerechtfertigten Abzuges" an das FA zurückgegeben. Auch das Urteil III 358/61 U vom 30. März 1962 (BFH 74, 624, BStBl III 1962, 232), das die Entscheidung III 125/61 S ausdrücklich bestätigte, äußerte sich nicht zur Höhe des zulässigen Abzugs.

Entgegen der Ansicht der Steuerpflichtigen kann daraus, daß der BFH das sogenannte Gesetz der großen Zahl nicht mehr zur Begründung anführte, nicht gefolgert werden, er habe auch den Globalabschlag, wie ihn die Entscheidungen III 161/54 S und III 255/56 S forderten, nicht mehr für erforderlich gehalten. Wäre das der Fall gewesen, hätte sich der Senat im Urteil III 125/61 S mit den Ausführungen in den früheren S-Entscheidungen ausdrücklich auseinandergesetzt.

Auch nach den Urteilen III 161/54 S und III 255/56 S, die eine abziehbare Last nur bei über 100 Pensionsanwartschaften anerkannten, wurde der Ausgangswert versicherungsmathematisch unter Beachtung der Besonderheiten jeder einzelnen Pensionszusage berechnet. Es wurde z. B. nicht für 300 Pensionsanwartschaften eine globale Last anerkannt, die genau doppelt so hoch wie die Belastung bei 150 Pensionsanwartschaften war. Es erfolgte vielmehr eine ins einzelne gehende versicherungsmathematische Berechnung für jede Pensionszusage, die nur zur Voraussetzung, nicht jedoch zum Inhalt hatte, daß mindestens 100 Pensionsanwartschaften vorlagen. Der Begriff Globalabschlag, den der Senat im Urteil III 255/56 S ausdrücklich verwandte, sollte demnach nur besagen, daß ein pauschaler Gesamtabschlag vorzunehmen sei, der alle Ungewißheiten berücksichtigen sollte, die jeder einzelnen Pensionszusage anhafteten. Der Abschlag von 75 v. H. ist also nicht vorgenommen worden, weil eine Belastung erst bei mehr als 100 Pensionsanwartschaften anerkannt wurde, sondern deshalb, weil die dem Grunde nach anzuerkennende Last in jedem Einzelfall durch verschiedene, nicht genau meßbare Umstände gemindert wird. Da das unabhängig davon der Fall ist, ob mehr oder weniger als 100 Pensionsanwartschaften bestehen, ist auch jetzt noch ein Abschlag vorzunehmen, obwohl das sogenannte Gesetz der großen Zahl nicht mehr zur Begründung einer abziehbaren Last für Pensionsanwartschaften herangezogen wird.

Soweit die Steuerpflichtige vorträgt, durch die Bezugnahme auf § 62 Abs. 2 BewG a. F. habe der Senat im Urteil III 125/61 S (a. a. O.) an einem Globalabschlag nicht mehr festgehalten, ist ihr ebenfalls nicht zu folgen. § 62 Abs. 2 BewG a. F. wurde damals nur herangezogen, um eine Last dem Grundenach zu rechtfertigen. Das geht daraus hervor, daß der Senat anstelle des sogenannten Gesetzes der großen Zahl zur Begründung auf § 62 Abs. 2 BewG a. F. verwies. Der Senat hat im drittletzten Absatz des Urteils betont, der bewertungsrechtliche Abzug für Pensionsanwartschaften rechtfertige sich "im Grundsatz ...durch entsprechende Anwendung des § 62 Abs. 2 BewG". Die Bezugnahme auf die genannte Vorschrift sollte also nichts über die Höhe der Rückstellung besagen. Damit verbleibt es auch nach dem Urteil III 125/61 S (a. a. O.) grundsätzlich bei einem Abschlag vom Ausgangswert.

3. Der nach Ziff. 2 zulässige Abschlag ist für die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten der Verordnung über den Abzug von Rückstellungen für Pensionsanwartschaften bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens vom 15. August 1961 - BewV-Pensionsrückstellungen - (BGBl I 1961, 1295) regelmäßig weiter mit 75 v. H. zu bemessen. Insbesondere im Urteil III 255/56 S (a. a. O.) hat der Senat die Höhe des Abschlags von 75 v. H. eingehend begründet. Danach sind für seine Höhe folgende Erwägungen maßgebend: Infolge der Verwendung des Rechnungszinsfußes von 3,5 v. H. bei der versicherungsmathematischen Berechnung der Rückstellung statt 5,5 v. H., wie ihn das Bewertungsrecht fordert, ist ein Abschlag von etwa 25 v. H. vom Ausgangswert gerechtfertigt. Ein weiterer Abschlag von etwa 50 v. H. ist wegen der Vorbehalte bei Pensionszusagen, dem eigenkapitalähnlichen Charakter der Rückstellungsbeträge und weiteren starken Unsicherheitsfaktoren (Abschwächung der Konjunktur, Ausfuhrrückgang, Wandlungen in der Wirtschaft, z. B. Automation und dadurch bedingte Entlassung von Arbeitnehmern) erforderlich. Der Senat führte hierzu noch aus, das Gewicht der Vorbehalte sei von Fall zu Fall verschieden. Wegen der Unterschiedlichkeit der wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse der Betriebe sei es aber nicht angängig, prozentual bestimmte Abschläge für die einzelnen - in dem restlichen Pauschsatz von 50 v. H. enthaltenen - auf die Pensionsanwartschaftslast mindernd einwirkende Umstände festzustellen. An dieser Beurteilung ist Kritik geübt worden (vgl. z. B. Heubeck, DB 1958, 373; Schandalik/Fasold, Der Betriebs-Berater 1958 S. 457 - BB 1958, 457 -; Rose, DB 1965, 854). Sie veranlaßt den Senat aber nicht zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Es wird nicht verkannt, daß der über 25 v. H. hinausgehende Abschlag von 50 v. H. geschätzt ist. Er entbehrt einer mathematischen Berechnungsgrundlage. Der Senat hat ihn seinerzeit bewußt nicht aufgeschlüsselt, weil sich das genaue Gewicht der Pensionsvorbehalte, des eigenkapitalähnlichen Charakters der Rückstellungsbeträge und der weiter genannten Unsicherheitsfaktoren nicht feststellen läßt. Sicher erschien dem Senat nur, daß diese Umstände das Maß der künftigen Pensionsbelastung in erheblichem Umfang mindernd beeinflussen und daß sie bei der versicherungsmathematischen Berechnung des Ausgangswerts der Rückstellung nicht bereits berücksichtigt sind. Deshalb schätzte er die wertmindernden Faktoren griffweise auf 50 v. H. des Ausgangswerts.

Die Finanzverwaltung ist dem insbesondere im Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen S 3202 - 23189/V C 1 vom 27. Oktober 1958 (BStBl II 1958, 161) gefolgt. Sie hat einen Abschlag von 75 v. H. in der Regel für zutreffend erachtet. Nur wenn die Pensionszusage an keinerlei Vorbehalte geknüpft ist, sollte danach ein Abschlag von 50 v. H. genügen. Nach diesen Grundsätzen wurden, soweit ersichtlich, alle bereits rechtskräftigen Fälle auf die Stichtage vor dem 1. Januar 1960 von der Finanzverwaltung und von den FG behandelt, und zwar auch soweit sie nach dem Ergehen des Urteils III 125/61 S entschieden wurden (vgl. auch Ergebnis der Besprechung der Bewertungsreferenten der Länder vom 30./31. Januar 1962, DB 1962, 423; BB 1962, 329). Es erscheint dem Senat deshalb sachgerecht, den Abschlag unverändert für die im Verhältnis zu den bereits abgewickelten Fällen wenigen Streitsachen beizubehalten, zumal an die Stelle der bisherigen Schätzung nur eine andere Schätzung treten könnte; denn eine genaue Berechnung ließe sich nicht durchführen. Aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung hält es der Senat nicht für vertretbar, die Höhe des Abschlags für Stichtage vor dem 1. Januar 1960 nochmals aufzurollen. Zu diesem Ergebnis kommt auch Heißmann (DB 1962, 113), der bei der Besprechung des Urteils III 125/61 S ausführt, es sei nicht Inhalt und Aufgabe dieses Urteils gewesen, "die leidige und für eine Übergangszeit annehmbar geregelte Bewertungsfrage neu aufzuwerfen". Eine Übergangszeit liegt aber tatsächlich vor; denn vom 1. Januar 1962 an galt § 62a BewG a. F., der eine klare Berechnungsgrundlage für die Höhe der Rückstellung brachte. Für die Stichtage 1. Januar 1960 und 1. Januar 1961 galt die BewV-Pensionsrückstellungen vom 15. August 1961 (a. a. O.). § 4 der Verordnung entspricht hinsichtlich der Höhe der Abschläge dem Urteil III 255/56 S bzw. dem darauf aufbauenden Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 1958 (a. a. O.). Demnach fehlt nur für die Stichtage vor dem 1. Januar 1960 eine Regelung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber über die Höhe des Abschlags. Unter diesen Umständen ist für den streitigen Stichtag - auch nach Ergehen des Urteils III 125/61 S - grundsätzlich ein Abschlag von 75 v. H. auf den versicherungsmathematisch ermittelten Ausgangswert der Pensionsrückstellung gerechtfertigt (so auch im Ergebnis Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, Anhang zu § 62 BewG, Anm. 29 f; Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 62a BewG, Anm. 1).

4. Es bleibt demnach nur noch zu klären, ob die Pensionszusage im Streitfall überhaupt mit einem Vorbehalt belastet war oder, wie die Vorinstanz ausführt, ob der vereinbarte Vorbehalt ohne Bedeutung war. Das FG ist davon ausgegangen, die oben wörtlich wiedergegebenen Bestimmungen in der Pensionszusage der Steuerpflichtigen enthielten keinen Vorbehalt, der es der Entscheidungsfreiheit der Steuerpflichtigen überlasse, ob und in welchem Umfang sie die zugesagten Leistungen aufrechterhalten oder ändern wolle. Deshalb sei kein schädlicher Vorbehalt gegeben. Dem folgt der Senat nicht. Die Steuerpflichtige ist bei Vorstandsmitgliedern berechtigt, das Ruhegehalt zu streichen, falls das Vorstandsmitglied einen Grund zur fristlosen Kündigung gegeben hat, selbst wenn die Kündigung nicht ausgesprochen wird; sie ist weiter berechtigt, Einkommen, das ein Vorstandsmitglied während der Pensionszeit aus einer anderen Beschäftigung zieht, teilweise auf die Pension anzurechnen. Bei leitenden Angestellten besteht ebenfalls eine Anrechnungsklausel, ferner eine sogenannte Loyalitätsklausel. Diese Klauseln können zwar möglicherweise nie praktische Bedeutung erlangen. Es kann aber auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, ob die Steuerpflichtige infolge der genannten Klauseln wenigstens zum Teil von den errechneten Pensionslasten freikommt. Das hängt einmal vom Verhalten der Arbeitnehmer ab, zum anderen aber auch von der Steuerpflichtigen selbst, die das Ruhegehalt entweder ganz streichen oder anrechnen lassen kann, aber nicht muß. Damit ist aber genau das gegeben, was jedem Pensionsvorbehalt innewohnt, nämlich die Ungewißheit des Eintritts der späteren Zahlungspflicht. Diese Ungewißheit muß aber ihren Ausdruck in einem Abschlag finden. Soweit die Steuerpflichtige demgegenüber darauf hinweist, die von ihr verwandten Vorbehalte ergäben sich schon im wesentlichen aus dem Gesetz und seien damit nur deklaratorischer Natur und deshalb ohne Belang, folgt ihr der Senat nicht. Die Verletzung des gesetzlichen Wettbewerbsverbots hat nicht zwingend zur Folge, daß ein etwa vereinbarter Pensionsanspruch entfällt (vgl. zu den Folgen der Verletzung des Wettbewerbsverbots: Baumbach-Duden, Handelsgesetzbuch, 17. Aufl., § 61 Anm. 3 A und B sowie §§ 74 bis 74 c, Anm. 1 F; Brüggemann-Würdinger, Handelsgesetzbuch, Großkommentar, 3. Auflage, § 74 Anm. 13; Schlegelberger-Schröder, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 74 Anm. 16, 16a und b). Diese Folge ist im Streitfall aber durch den entsprechenden Vorbehalt erreicht. Die Verknüpfung von Wettbewerbsverbot und Pensionsvorbehalt bindet im Streitfall also die Arbeitnehmer - über die gesetzliche Regelung des § 60 HGB hinaus - auch nach Dienstende an den Betrieb der Steuerpflichtigen und gibt der Steuerpflichtigen das gesetzlich nicht vorgesehene Recht, die vereinbarte Pension nicht auszuzahlen, falls die Anwartschaftsberechtigten ein Konkurrenzunternehmen irgendwie fördern.

Der somit zulässige Abschlag ist - wie der Senat im Urteil III 255/56 S bereits ausgeführt hat - hinsichtlich seiner Höhe unabhängig von dem Gewicht des Vorbehalts. Daran hält der Senat fest, weil er der Auffassung ist, daß sich die Gewichtigkeit der einzelnen Vorbehalte und der anderen die Rückstellung mindernden Faktoren nicht genau bemessen läßt. Deshalb kann auch im Streitfall der Globalabschlag von 75 v. H. nicht wegen der behaupteten hohen Unwahrscheinlichkeit des Eintritts des Vorbehalts gemindert werden.

5. Die Anschlußrevision ist zulässig. Nach § 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen die vor dem Inkrafttreten der FGO (1. Januar 1966, § 184 Abs. 1 Satz 1 FGO) ergangenen Entscheidungen nach den bisher geltenden Vorschriften. Das FG-Urteil ist am 15. September 1965 ergangen; an diesem Tage erfolgte seine Zustellung. Eine Anschlußbeschwerde, jetzt Anschlußrevision, war deshalb nach § 293 Satz 1 AO a. F. statthaft. Für die Frist zur Einlegung der Anschlußbeschwerde (Anschlußrevision) war § 292 Satz 2 AO a. F. maßgebend (vgl. BFH-Urteil III 279/62 U vom 8. Oktober 1965, BFH 83, 618, BStBl III 1965, 723, und das dort angeführte Urteil). Die Anschlußrevision ist im Streitfall innerhalb der vom Vorsitzenden des Senats bestimmten Erklärungsfrist beim BFH eingegangen.

6. Die Anschlußrevision ist jedoch nicht begründet. Aus den Ausführungen zu Ziff. 2 dieses Urteils geht bereits hervor, daß der Senat nicht der Auffassung folgt, § 62 Abs. 2 BewG a. F. sei für die Bemessung der Rückstellung für Pensionsanwartschaften von Bedeutung. Folglich läßt sich mit dieser Vorschrift auch nicht begründen, daß selbst der vom FG anerkannte Abschlag von 25 v. H. vom Ausgangswert wegen des Unterschieds im Zinssatz wegfallen soll. Der Senat hat unter Ziff. 3 dieses Urteils bereits ausgeführt, daß der Abschlag von 75 v. H., in dem der Abschlag von 25 v. H. wegen des unterschiedlichen Zinssatzes enthalten ist, für die Stichtage vor dem 1. Januar 1960 weiter anzuwenden ist.

7. § 62a BewG a. F. gilt, was die Steuerpflichtige dem Grunde nach nicht verkennt, erstmals zum Stichtag 1. Januar 1962. Es besteht damit entgegen der Auffassung der Steuerpflichtigen keine Handhabe, diese Vorschrift auf frühere Stichtage anzuwenden. Aus dem Urteil III 125/61 S (a. a. O.) läßt sich das Gegenteil nicht entnehmen. In diesem Urteil ist § 62a BewG a. F. nicht zur Begründung der Zulässigkeit von Rückstellungen für Pensionsanwartschaften herangezogen worden. Vielmehr wurde nur aus dem Erlaß dieser Vorschrift die Zulässigkeit des Analogieschlusses zu § 62 Abs. 2 BewG a. F. gefolgert.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 708

BFHE 1968, 171

BFHE 93, 171

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