Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang eines Grundstücks einer zweigliedrigen BGB-Gesellschaft im Erbwege auf den überlebenden Gesellschafter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 31.10.1963 II 155/60 U (BStBl III 1963, 579) über die Auslegung des Begriffs des Grundstückserwerbs von Todes wegen im Sinne des § 3 Nr. 2 GrEStG sind auch auf entsprechende Fälle bürgerlich-rechtlicher Gesellschaften anzuwenden.

2. Wenn infolge Erbgangs sämtliche Anteile am Vermögen einer aus Vater und Sohn bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf den Sohn als Alleinerben übergehen, ist der Erwerb der Gesellschaftsgrundstücke nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei.

3. Die Erhebung von GrESt unterbleibt bei Auflösung einer Gesamthand und Übergang eines zur Gesamthand gehörenden Grundstücks in das Alleineigentum eines Gesamthänders gem. § 6 Abs. 2 S. 2 GrEStG auch im Falle eines negativen Kapitalkontos des Gesamthänders.

 

Normenkette

GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Nr. 2, § 6 Abs. 2 S. 2; BGB § 738

 

Tatbestand

Der Bf. ist der Sohn des am 25. August 1960 verstorbenen Kürschnermeisters August B. in C., der ihn ab 1. September 1945 in sein Geschält als Gesellschafter bürgerlichen Rechts aufgenommen hatte. Der nachträglich – am 29. Januar 1948 – beurkundete Gesellschaftsvertrag war mit Wirkung vom 1. September 1945 geschlossen worden und sah u.a. vor, daß der, Vater des Bf. sein Geschäft mit Aktiven und Passiven in die Gesellschaft einzubringen hatte. Demzufolge wurde in einer notariellen Verhandlung vom 29. Januar 1948 auch der auf den Namen des Vaters und seiner verstorbenen Ehefrau im Grundbuch von C. … eingetragene Grundbesitz auf die beiden Gesellschafter zum Gesamtgut der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgelassen und der Eigentumswechsel im Grundbuch eingetragen.

Für den Fall der Auflösung der Gesellschaft war in § 9 des Gesellschaftsvertrages ein Auseinandersetzungsverfahren vorgesehen. Im Abs. 6 desselben Paragraphen befindet sich jedoch für den Fall des Todes eines Gesellschafters die folgende Sonderbestimmung:

„Stirbt ein Gesellschafter, so kann das Geschäft mit dessen Erben weitergeführt werden. Die Erben haben in diesem Fall einen gemeinsamen Bevollmächtigten zu bestellen, der als Mitgesellschafter auftritt.”

Da der Vater des Bf. am 22. Januar 1948 mit dessen Halbbruder August B. jun. einen Erbverzichtsvertrag geschlossen hatte, auf Grund dessen der letztere für sich und seine Erben auf sämtliche Ansprüche gegen den Nachlaß des Vaters verzichtete, und da andere Erben neben dem Bf. nicht vorhanden waren, ist dieser Alleinerbe seines Vaters geworden.

Nachdem der Bf. im Wege der Grundbuchberichtigung als Alleineigentümer des bis dahin für die Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingetragenen Grundbesitzes vermerkt worden war, hat ihn das Finanzamt gemäß § 1 Abs. 1 Ziff. 3 GrEStG zur GrESt herangezogen.

Sein Einspruch, in dem er sich auf die Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG berief, blieb ohne Erfolg. Das FA ging in der Einspruchsentscheidung davon aus, daß das von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebene Geschäft nach dem Tode des Vaters des Bf. mit allen Aktiven und Passiven durch Zuwachsung gemäß § 738 BGB auf den Bf. übergegangen sei. Eine Steuerbefreiung des Bf. nach § 3 Ziff. 2 GrEStG komme nicht in Betracht, da der streitige Grundbesitz nicht mehr im Eigentum seines Vaters, sondern im Eigentum der Gesellschaft gestanden habe, so daß ein Grundstücksübergang kraft Erbrechts nicht möglich sei.

Die Berufung, in der sich der Bf. gegen die Annahme eines Grundstückserwerbs im Wege der Anwachsung wandte, wurde vom FG als unbegründet zurückgewiesen, weil die Gesellschaft durch den Tod des Vaters des Bf. ihr Ende gefunden habe und weil es sich insoweit nicht um einen erbrechtlichen Übergang des Grundbesitzes, sondern um einen schuldrechtlichen Übergang von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als einer selbständigen Rechtsperson im Sinne des GrESt-Rechts auf den Bf. gehandelt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Freistellung des Bf. von der GrESt.

Dabei ist es an sich belanglos, ob der Grundstückserwerb im Streitfalle kraft Gesellschaftsrechts im Wege der Anwachsung oder ob er unmittelbar kraft Erbrechts eingetreten ist. Das FA, das in der Einspruchsentscheidung von einem Vermögensübergang durch Zuwachsung spricht, ist offenbar davon ausgegangen, daß das Geschäft nach dem Tode des Vaters des Bf. in einer dem § 9 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages entsprechenden Weise unter Ausschluß der Liquidation fortgeführt worden sei. Es hat deshalb gestützt auf die frühere Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil II 167/53 S vom 11. November 1953, BStBl 1953 III S. 372, Slg. Bd. 58 S. 211) die GrESt-Pflicht mit der Begründung bejaht, daß es sich um einen Erwerb auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB handle, der nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG falle. Der Senat hat aber in dem Urteil II 155/60 U vom 31. Oktober 1963 (BStBl 1963 III S. 579, Slg. Bd. 77 S. 706) die frühere Rechtsprechung insoweit aufgegeben und hat ausgesprochen, daß im Falle des Todes des einen Gesellschafters einer zweigliedrigen OHG, bei der der überlebende Gesellschafter auf Grund der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zur Übernahme des Geschäfts mit Aktiven und Passiven berechtigt ist, die Vorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG Anwendung findet, wenn der überlebende Gesellschafter Alleinerbe des erstversterbenden Gesellschafters ist. Dieser Grundsatz wäre auch auf die entsprechenden Fälle bürgerlich-rechtlicher Gesellschaften zu übertragen.

Es braucht aber hierauf nicht näher eingegangen zu werden, da das FG jedenfalls insoweit der Darstellung des Bf. gefolgt ist, als dieser sich darauf berufen hat, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei mit dem Tode seines Vaters erloschen. Diese Auffassung ist zutreffend; denn durch § 9 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages war an sich nur die Möglichkeit für den überlebenden Gesellschafter geschaffen worden, das Geschäft unverändert mit den Erben des erstversterbenden Gesellschafters fortzuführen. Von dieser Möglichkeit hat aber der Bf. keinen Gebrauch gemacht; denn er hat am 5. Januar 1961 vor dem Notar erklärt, die Gesellschaft sei durch den Tod seines Vaters aufgelöst. Ist aber die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst worden, ohne daß von der Fortführungsklausel Gebrauch gemacht wurde, so tritt eine gesellschaftsrechtliche Anwachsung des Gesellschaftsvermögens überhaupt nicht ein (vgl. hierzu Palandt, Kommentar zum BGB, 17. Auflage 1958, Anm. 1 zu § 738).

Das FG hat trotzdem die GrESt-Pflicht bejaht, weil nach seiner Ansicht ein schuldrechtlicher Übergang des Grundbesitzes von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf den Bf. eingetreten ist. Dabei übersieht aber das FG, daß der Tod des Vaters des Bf. nicht nur die Auflösung der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft, sondern zugleich den Übergang der väterlichen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen im Wege des Erbgangs auf den Bf. zur Folge gehabt hat. Die Gesamtrechtsnachfolge erstreckt sich auch auf die Beteiligung seines Vaters am Gesellschaftsvermögen. Da sich durch den Erbgang sämtliche Anteile am Vermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in der Hand des Bf. vereinigt haben, so ist er damit unmittelbar auf Grund des Erbgangs auch der Eigentümer aller zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Gegenstände, insbesondere der Grundstücke, geworden, ohne daß es dazu noch irgendwelcher schuldrechtlicher Vorgänge bedurfte, die sich zeitlich erst nach der im Wege des Erbgangs eingetretenen Anteilsvereinigung vollzogen haben könnten. In Wirklichkeit handelt es sich somit um einen Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 3 Ziff. 2 GrEStG, der jedoch steuerfrei bleibt, weil der Erwerb des väterlichen Anteils am Gesellschaftsvermögen und damit am Grundbesitz im Wege des Erbgangs erfolgt ist (vgl. Boruttau-Klein, Kommentar zum GrEStG, 7. Auflage, Anm. 226 zu § 1).

Soweit der Bf. als Gesellschafter selbst schon vor dem Eintritt des Erbfalls am Gesamthandvermögen der Gesellschaft beteiligt war, unterbleibt die Erhebung der GrESt gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 GrEStG. Dies gilt entgegen der Ansicht des FG auch für den Streitfall, obwohl die Privatentnahmen des Bf. die Höhe seines buchmäßigen Kapitalanteils an der Gesellschaft zur Zeit des Erbfalls überstiegen haben. Denn die gesamthänderische Beteiligung des einzelnen Gesellschafters an den zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Vermögensgegenständen bleibt auch im Falle eines negativen Kapitalkontos bestehen, das ihn erst im Falle der Auseinandersetzung gegebenenfalls zum schuldrechtlichen Ausgleich gegenüber den anderen Gesellschaftern verpflichtet.

Die angefochtene Entscheidung war deshalb ebenso wie die Einspruchsentscheidung des FA und der ihr zugrunde liegende GrESt-Bescheid aufzuheben und der Bf von der GrESt freizustellen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1170755

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