Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Ist im Gesellschaftsvertrag einer zweigliedrigen OHG vereinbart, daß der überlebende Gesellschafter das Recht hat, das Geschäft mit Aktiven und Passiven zu übernehmen, so findet § 3 Ziff. 2 GrEStG Anwendung, wenn der überlebende Gesellschafter Alleinerbe des erstversterbenden Gesellschafters ist. In einem solchen Falle sind die Worte in § 3 Ziff. 2 GrEStG "Grundstückserwerb von Todes wegen" im Sinne von "durch Todesfall veranlaßt" auszulegen.

 

Normenkette

GrEStG § 3 Ziff. 2

 

Tatbestand

Der Bf. war zusammen mit seinem Vater, Herrn H. X., Gesellschafter der OHG in Firma Gebr. X. Die Genannten hatten in dem Gesellschaftsvertrag vereinbart, daß im Falle des Todes eines Gesellschafters der überlebende das Recht hat, das Geschäft mit Aktiven und Passiven zu übernehmen und die Firma fortzuführen. Der Vater des Bf. ist am 11. April 1957 verstorben und von dem Bf. als Alleinerben beerbt worden. Zu dem Vermögen der OHG gehörte ein Grundstück, als dessen Eigentümerin sie im Grundbuch eingetragen war. Auf Grund Berichtigungsantrag ist die "Firma Gebr. X., Alleininhaber Dr. A. X." als Eigentümer des Grundstücks eingetragen worden, nachdem zuvor der Bf. als Alleininhaber der Firma in das Handelsregister eingetragen worden war. Das Finanzamt hat den Bf. - laut dem bei den Akten befindlichen Berechnungsbogen - gemäß § 1 Abs. 1 Ziff. 3 GrEStG zur Grunderwerbsteuer herangezogen. Die Besteuerungsgrundlage hat das Finanzamt auf 61.914 DM festgestellt. Hierzu hat es vom Bilanzwert des Grundstücks zum Todestage mit 157.321,83 DM den dem Wert des Anteils des Bf. von abgerundet 809.000 DM an Gesamtkapital von abgerundet 1.334.000 DM entsprechenden Teil des Grundstückswertes gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG steuerfrei gelassen. Gegen die Heranziehung zur Grunderwerbsteuer hat der Bf. Einspruch eingelegt und sich auf Steuerfreiheit gemäß § 3 Ziff. 2 GrEStG berufen. Einspruch und Berufung des Bf. sind erfolglos geblieben. Mit der Rb. macht der Bf. wiederum Steuerfreiheit nach § 3 Ziff. 2 GrEStG geltend.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Das Finanzgericht ist zu seiner Entscheidung im Anschluß an das Urteil des erkennenden Senats II 167/53 S vom 11. November 1953 (BStBl 1953 III S. 372, Slg. Bd. 58 S. 211) gekommen. Der Senat hat in diesem Urteil ausgesprochen, daß im Falle des gesellschaftsvertraglich vereinbarten Rechts des überlebenden Gesellschafters einer zweigliedrigen OHG auf übernahme des Geschäfts mit Aktiven und Passiven der Anteil des erstversterbenden Gesellschafters mit seinem Tode dem überlebenden Gesellschafter gemäß § 105 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 738 Satz 1 BGB zuwächst und damit Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Ziff. 3 GrEStG eintritt. Steuerfreiheit in diesem Fall nach § 3 Ziff. 2 GrEStG hat der Senat mit Rücksicht darauf verneint, daß der übergang des Gesellschaftsvermögens nicht kraft Erbrechts, sondern durch Zuwachs eingetreten ist. Das Finanzgericht hält die Grundsätze des genannten Urteils vom 11. November 1953 auch im vorliegenden Fall für anwendbar, in dem - zum Unterschied von dem diesem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt - der überlebende Gesellschafter, der das Geschäft mit Aktiven und Passiven übernimmt, gleichzeitig Alleinerbe des erstversterbenden Gesellschafters ist. Das Finanzgericht befindet sich hierbei in übereinstimmung mit der von Thieme in Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1957 S. 51 vertretenen Auffassung. Gegen die Ansicht von Thieme hat sich Buschhoff in Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1961 S. 130 gewandt. Im Gegensatz zu der angefochtenen Entscheidung des Finanzgerichts hat das Finanzgericht Freiburg durch das rechtskräftige Urteil I 80/60 vom 16. Juni 1961 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1961 Nr. 568 S. 499) dahin entschieden, daß beim Ausscheiden eines Gesellschafters einer zweigliedrigen OHG durch Tod und Zuwachsung seines Anteils am Gesellschaftsgrundstück kraft Fortsetzungsklausel beim überlebenden Gesellschafter die Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG sinngemäß Anwendung finden kann, wenn der verbleibende Gesellschafter gleichzeitig Alleininhaber des verstorbenen Gesellschafters ist und insoweit bezüglich des Auseinandersetzungsanspruchs der Erbschaftsteuer unterliegt. Auch Buschhoff kommt a. a. O. zu dem gleichen Ergebnis wie das Finanzgericht Freiburg, allerdings mit abweichender Begründung. Im Schrifttum haben sich für Anwendbarkeit des § 3 Ziff. 2 GrEStG in Fällen der vorliegenden Art ferner ausgesprochen Glöggler (Rechts- und Wirtschaftspraxis Gruppe 14 Steuerrecht, Grunderwerbsteuer II B 1/60) und Kapp (Das Erbschaftsteuergesetz, 3. Aufl., Stand 1. April 1963, Einleitung II 3, S. 31). Schließlich äußern Boruttau-Klein in der 7. Aufl. 1963 ihres Kommentars zum Grunderwerbsteuergesetz (dort Tz. 22a zu § 6, S. 282) nunmehr ebenfalls Bedenken dagegen, daß das oben angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11. November 1953 im Falle des Grundstückserwerbs durch den überlebenden Gesellschafter kraft Zuwachsung die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG verneine und damit eine Doppelbesteuerung durch Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer ermögliche (- anders noch die 5. Aufl. 1957 und die 6. Aufl. 1960 des genannten Kommentars, a. a. O., Bem. 5 Abs. 4 zu § 1, S. 30 bzw. Tz. 18 zu § 1, S. 36 -).

übereinstimmung besteht sowohl in der erwähnten Rechtsprechung, d. h. in dem Urteil des erkennenden Senats vom 11. November 1953 und dem Urteil des Finanzgerichts Freiburg vom 16. Juni 1961, wie auch bei allen genannten Meinungsäußerungen im Schrifttum darüber, daß beim Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod aus einer zweigliedrigen OHG mit Fortsetzungsklausel der übergang des Gesellschaftsvermögens auf den überlebenden Gesellschafter kraft Zuwachsung gemäß §§ 105 Abs. 2 HGB, 738 Satz 1 BGB und nicht kraft Erbrechts eintritt (Urteil des Senats vom 11. November 1953, BStBl 1953 III S. 372 rechte Spalte, Slg. Bd. 58 S. 212; Urteil des Finanzgerichts Freiburg vom 16. Juni 1961, Entscheidungen der Finanzgerichte 1961 S. 500 linke Spalte; Thieme, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1957 S. 51 rechte Spalte; Buschoff, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1961 S. 131 Linke Spalte; Glöggler, Rechts- und Wirtschaftspraxis Gruppe 14 Steuerrecht, Grunderwerbsteuer II B 1/60 unter III; Kapp, Das Erbschaftsteuergesetz, 3. Aufl., Stand 1. April 1963, Einleitung II 3, S. 31; Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl. 1963, Tz. 18 zu § 1, S. 38 sowie Tz. 22 a zu § 6, S. 282). Dieser übereinstimmenden Auffassung hat sich das Finanzgericht vorliegendenfalls anschlossen; ihm ist insoweit zuzustimmen.

Streitig ist nur, ob man auf Grund des Urteils des erkennenden Senats vom 11. November 1953 und mit Thieme die Anwendbarkeit des § 3 Ziff. 2 GrEStG für den Fall der Zuwachsung zugunsten des überlebenden Gesellschafters, der gleichzeitig Alleinerbe des erstversterbenden Gesellschafters ist, zu verneinen oder sie mit dem Urteil des Finanzgerichts Freiburg vom 16. Juni 1961 und mit den übrigen genannten Autoren zu bejahen hat.

Das Urteil des Finanzgerichts Freiburg führt (a. a. O. S. 501 linke Spalte Abs. 2) aus, daß die Streitfrage unter dem Gesichtspunkt der Doppelbelastung durch Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer beantwortet werden muß. Dabei haben allerdings entgegen der Ansicht des Finanzgerichts Freiburg Erwägungen darüber auszuscheiden, ob eine formale gesetzliche Regelung als ungerecht und unbillig anzusehen sei, denn es ist nicht Sache eines Gerichts, ein Gesetz unter dem Gesichtspunkt der "allgemeinen Gerechtigkeit" nachzuprüfen und seine Auffassung von Gerechtigkeit derjenigen des Gesetzgebers zu substituieren (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 1953 - 1 BvR 147/52 - und vom 17. Dezember 1953 - 1 BvR 323/51 usw. -, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 3 S. 58 - 135 -; Bd. 3 S. 162 - 182 -). Auch Boruttau-Klein (Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl. 1963, Tz. 22 a zu § 6, S. 282) sehen den Gesichtspunkt der Doppelbelastung durch Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer als ausschlaggebend an. Dieser Auffassung tritt der erkennende Senat bei. § 3 Ziff. 2 GrEStG will die doppelte Belastung eines Steuerpflichtigen mit Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer ausschließen. Es würde aber gegen den Zweck der genannten Gesetzesbestimmung (ß 1 Abs. 2 StAnpG) verstoßen, wenn man eine Doppelbelastung in Fällen wie dem vorliegenden nur mit Rücksicht darauf zuließe, daß dem formalen Rechtsgrunde nach der Grundstückserwerb durch die aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags folgende Anwachsung und der erbschaftsteuerlich zu erfassende Abfindungsanspruch, soweit er sich auf den Anteil des erstversterbenden Gesellschafters an dem Grundstück der OHG bezieht, etwas Verschiedenes sind. In diesem Zusammenhang muß bemerkt werden, daß Buschhoff (a. a. O. S. 130) und ihm folgend Kapp (a. a. O.) unzutreffenderweise die Entstehung eines Auseinandersetzungsanspruchs (Auszahlungsanspruchs) mit der Begründung verneinen, der überlebende Gesellschafter als Erbe des erstversterbenden Gesellschafters könne gegen sich selbst keinen Auszahlungsanspruch haben. Diese Auffassung verkennt den Unterschied zwischen dem Entstehen und dem Weiterbestehen des Anspruchs. Auch bei der zweigliedrigen OHG bestimmt sich die Auseinandersetzung nach den §§ 142 Abs. 3, 138 HGB in Verbindung mit §§ 738 bis 740 BGB. § 142 HGB gilt auch für das vertragsmäßig eingeräumte übernahmerecht, vgl. Weipert im Kommentar der Reichsgerichtsräte zum HGB, 2. Aufl. 1950, Anm. 22 und 23 zu § 142 und Anm. 10 zu § 145, sowie Gessler-Hefermehl-Hildebrandt-Schröder, HGB, 4. Aufl. 1963, Anm. 12 und 13 zu § 142. Mit dem durch den Tod des einen Gesellschafters bewirkten Ausscheiden dieses Gesellschafters entsteht also in seiner Person ein Auseinandersetzungsanspruch gegen den fortführenden Gesellschafter. Allerdings erlischt dieser Auseinandersetzungsanspruch durch Konfusion uno actu mit seinem Erben, wenn der fortführende Gesellschafter wie hier der Erbe des erstversterbenden Gesellschafters ist; die im BGB sonst nicht ausdrücklich geregelte Konfusion ist für das Gebiet des Erbrechts ausdrücklich anerkannt (vgl. §§ 1976, 1991 Abs. 2, 2143, 2175, 2377 BGB). Bürgerlich-rechtlich besteht mit anderen Worten der Auseinandersetzungsanspruch nicht mehr weiter. Dieses zivilrechtliche Erlöschen gilt aber gemäß § 23 Abs. 2 ErbStG 1951 (ß 24 Abs. 2 ErbStG 1959) als nicht eingetreten, so daß der Gesichtspunkt der Doppelbelastung durch Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer Platz greift, wie dies das Finanzgericht Freiburg (a. a. O. S. 501 linke Spalte Abs. 2) zutreffend ausführt. Es geht übrigens nicht an, mit Buschhoff in dem durch den Gesellschaftsvertrag dem überlebenden Gesellschafter eingeräumten übernahmerecht eine Schenkung seitens des erstversterbenden Gesellschafters zu erblicken, denn diese Bestimmung gilt gleichmäßig für beide Gesellschafter. Sonach kann also jeder Gesellschafter entsprechend den vom Urteil des Bundesfinanzhofs III 65/51 S vom 15. Mai 1953 (BStBl 1953 III S. 199, Slg. Bd. 57 S. 518 - 522 -) entwickelten Grundsätzen als äquivalent seiner für den Fall seines Erstversterbens übernommenen gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung (auf übertragung seines Anteils am Gesellschaftsvermögen auf den überlebenden Mitgesellschafter) die inhaltsgleiche Verpflichtung seines Mitgesellschafters ansehen, was den Willen zur Unentgeltlichkeit ausschließt.

Ist nach dem oben Gesagten der Grundsatz von der Unzulässigkeit einer Doppelbelastung durch Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer ausschlaggebend, so muß dies dazu führen, in Fällen der vorliegenden Art die Vorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG nicht nach dem strikten Wortlaut anzuwenden, sondern die Worte "Grundstückserwerb von Todes wegen" im Sinne von "durch Todesfall veranlaßt" auszulegen. Es kann in dieser Hinsicht nicht außer Betracht bleiben, daß beide steuerliche Belastungen - die mit Erbschaftsteuer für den anteiligen Auseinandersetzungsanspruch und mit Grunderwerbsteuer für den Grundstückserwerb - den gleichen Ursprung, nämlich den Tod des erstversterbenden Gesellschafters hätten. Der Auslegung des § 3 Ziff. 2 GrEStG im dargelegten Sinn kann nicht entgegenstehen, daß der überlebende Gesellschafter infolge der Anwachsung das Eigentum am Gesellschaftsgrundstück als Gesamtrechtsnachfolger der OHG (vgl. Weipert, a. a. O., Anm. 23 zu § 142), also von dieser und nicht von dem erstversterbenden Gesellschafter erwirbt. Wenn formal-rechtlich das Eigentum am Gesellschaftsgrundstück von der OHG auf den überlebenden Gesellschafter übergeht, so ist das nur die Folge davon, daß formal-rechtlich das Gesellschaftsvermögen der OHG - wie überhaupt das jeder Personengesellschaft - rechtlich verselbständigt ist (vgl. Gessler-Hefermehl-Hildebrandt-Schröder, a. a. O., Anm. 34 zu § 105 und Anm. 2 zu § 124; Weipert, a. a. O., Anm. 32 zu § 105 und Anm. 1 zu § 124). Rein tatsächlich (wirtschaftlich) ist jedoch das Gesellschaftsvermögen der OHG eine Zusammenfassung von Vermögenswerten, die den Gesellschaftern zustehen (vgl. § 718 Abs. 1 BGB). Soweit der Anteil des erstversterbenden Gesellschafters am Gesellschaftsgrundstück dem überlebenden Gesellschafter zuwächst, erwirbt dieser also der Sache nach von dem erstversterbenden Gesellschafter, insbesondere unter Beachtung des § 11 Ziff. 5 StAnpG. Es liegt also in dem oben dargelegten Sinn ein Erwerb "von Todes wegen" vor. Nach alledem kann der in dem oben angeführten Urteil des erkennenden Senats vom 11. November 1953 aufgestellte Grundsatz, daß § 3 Ziff. 2 GrEStG dann nicht anzuwenden sei, wenn der überlebende Gesellschafter einer zweigliedrigen OHG, dem kraft gesellschaftsvertraglicher Fortsetzungsklausel der Anteil des erstversterbenden Gesellschafters nach § 738 BGB zuwächst, jedenfalls nicht auf Fälle der vorliegenden Art übertragen werden, in denen der überlebende Gesellschafter gleichzeitig Alleinerbe des erstversterbenden Gesellschafters ist.

Da das Finanzgericht die im Vorstehenden entwickelten Rechtsgrundsätze verkannt hat, wären die angefochtene Entscheidung, die Einspruchsentscheidung und der zugrunde liegende Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben; der Bf. war von der Grunderwerbsteuer freizustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411006

BStBl III 1963, 579

BFHE 77, 706

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