Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag einer zweigliedrigen OHG bzw. KG in Verbindung mit einer letztwilligen Verfügung des zuerst versterbenden Gesellschafters, daß dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen auf den überlebenden Gesellschafter übergehen und dieser zur übernahme und Fortführung des Geschäfts mit Aktiven und Passiven berechtigt sein soll, so finden die Grundsätze des Urteils II 155/60 U vom 31. Oktober 1963 (BStBl 1963 III S. 579, Slg. Bd. 77 S. 706) auch dann Anwendung, wenn der überlebende Gesellschafter nicht Alleinerbe, sondern nur Miterbe des verstorbenen Gesellschafters ist.

 

Normenkette

GrEStG § 3 Ziff. 2

 

Tatbestand

Streitig ist allein, ob die Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG auch in solchen Fällen anzuwenden ist, in denen die Gesellschaftsanteile an einer Kommanditgesellschaft mit Grundbesitz durch Erbgang in einer Hand vereinigt worden sind.

Der Bf. ist auf Grund eines Gesellschaftsvertrages vom 30. Januar 1937 als Mitgesellschafter seines Vaters X. in das bis dahin von diesem als Einzelfirma geführte Fabrikunternehmen aufgenommen worden.

Der Gesellschaftsvertrag der OHG ist mehrfach, zuletzt am 17. Dezember 1942, geändert und neu gefaßt worden. Er enthält u. a. seinem § 16 für den Fall des Todes eines Gesellschafters die nachstehende Regelung:

"Stirbt ein Gesellschafter, so wird die Gesellschaft mit dessen Erben fortgesetzt.

Jeder Gesellschafter kann durch einseitige Erklärung gegenüber der Gesellschaft oder durch Verfügung von Todes wegen aus dem Kreis seiner Erben die Personen bestimmen, mit welchen statt seiner sämtlichen Erben die Gesellschaft fortgesetzt wird. ....."

Noch vor der letztgenannten änderung des Gesellschaftsvertrages der OHG hatten die Eltern des Bf. unter dem 16. Oktober 1942 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem bezüglich der Nachfolge in die Gesellschaftsrechte des Ehemannes X. als Mitgesellschafter der vorgenannten OHG folgendes bestimmt wurde:

" § 8 - Ich, der Ehemann X., bin persönlich haftender Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft "X. in Z."

Nach dem Gesellschaftsvertrag steht mir das Recht zu, aus dem Kreis meiner Erben die Personen zu bestimmen, mit denen die Gesellschaft nach meinem Tode fortgesetzt werden soll.

Bin ich der Erststerbende, so soll dies meine als Alleinerbin eingesetzte Ehefrau sein.

Bin ich der Letztsterbende von uns, so soll dies mein Sohn Y. sein. Ich verfüge als Teilungsanordnung, daß auf diesen mein Gesellschaftsanteil übergehen soll. Die gleiche Bestimmung treffe ich, die Ehefrau X., für den Fall, daß ich die Letztsterbende von uns bin."

Nach dem Tode des zuerst verstorbenen Vaters des Bf. ist die Gesellschaft vom Bf. mit seiner Mutter als der Alleinerbin ihres Mannes fortgeführt worden, zunächst weiterhin in Form einer OHG, später - auf Grund erneuter änderung des Gesellschaftsvertrages - in Form einer Kommanditgesellschaft. Nachdem auch die Mutter des Bf. am 9. April 1961 verstorben war, hat dieser den Kommanditanteil seiner Mutter übernommen und führt seitdem die Firma X. als Alleininhaber fort. Die Einzelheiten der Geschäftsübernahme sind in dem Erbauseinandersetzungsvertrag vom 17. März 1962 geregelt, den der Bf. mit seiner Schwester als seiner alleinigen Miterbin geschlossen hat.

Das Finanzamt vertritt die Auffassung, daß der übergang der Firma X. auf den Bf. als Alleininhaber Grunderwerbsteuerpflichtig für die zum Vermögen der Kommanditgesellschaft gehörenden Grundstücke nach § 2 Abs. 1 Ziff. 3 GrEStG ausgelöst habe. Es hat durch Bescheid vom 13. Dezember 1962 eine Grunderwerbsteuer von 12.651,10 DM beim Bf. angefordert.

Der Bf. ist der Meinung, daß der Grundstückserwerb unter die Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG falle. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, der Erwerb aus dem Nachlaß seiner Mutter habe der Erbschaftsteuer unterlegen. Da die Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG dem Zweck diene, eine Doppelbesteuerung gerade solcher Vorgänge zu vermeiden, die bereits unter die Besteuerung nach dem Erbschaftsteuergesetz gefallen seien, begehrt er Befreiung von der Grunderwerbsteuer. Er hat gegen den Steuerbescheid des Finanzamts Sprungberufung eingelegt.

Das Finanzgericht hat mit Zustimmung des Bf. ein Zwischenurteil erlassen und darin die Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG abgelehnt. Es ist der Auffassung des Finanzamts gefolgt und hat dazu im einzelnen folgendes ausgeführt: Scheide aus einer zweigliedrigen Kommanditgesellschaft der eine Gesellschafter aus und übernehme der andere das Unternehmen ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven, so gehe das Eigentum an den Grundstücken und sonstigen Vermögenswerten der Gesellschaft kraft Gesetzes im Wege der Zuwachsung auf den übernehmenden Gesellschafter über. Das gelte insbesondere auch dann, wenn eine aus zwei Gesellschaftern bestehende Kommanditgesellschaft durch den Tod des einen Gesellschafters aufgelöst werde und der überlebende Gesellschafter das Unternehmen ohne Liquidation allein übernehme. Das anteilige Eigentum der erstversterbenden Gesellschafterin an den zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Grundstücken sei dementsprechend auch im Streitfall auf den Bf. übergegangen. Da der Bf. die Grundstücke aber nicht kraft Erbrechts von seiner Mutter, sondern kraft Gesellschaftsrechts von der Kommanditgesellschaft erworben habe, sei § 3 Ziff. 2 GrEStG nicht zu seinen Gunsten anwendbar.

 

Entscheidungsgründe

Die vom Bf. erhobene Rb. ist begründet.

Es ist allerdings richtig, daß der Bf. das anteilige Eigentum an den Grundstücken von der Kommanditgesellschaft erworben hat. Ebenso trifft es zu, daß dieser Vermögensübergang im Streitfalle nicht kraft Erbrechts, sondern kraft gesellschaftsrechtlicher Zuwachsung gemäß den §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 738 Satz 1 BGB eingetreten ist. Diese Rechtsansicht hat der erkennende Senat nicht nur in dem Urteil II 167/53 S vom 11. November 1953 (BStBl 1953 III S. 372, Slg. Bd. 58 S. 211) vertreten, sondern erneut in dem Urteil II 155/60 U vom 31. Oktober 1963 (BStBl 1963 III S. 579, Slg. Bd. 77 S. 706) aufrechterhalten.

Wenn aber die Vorinstanz schon allein daraus die Folgerung abgeleitet hat, die Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG sei im Streitfalle nicht anzuwenden, so steht dies im Widerspruch zu dem vorerwähnten Urteil des Senats II 155/60 U vom 31. Oktober 1963 (a. a. O.). In ihm hat der Senat ausgeführt, daß die Streitfrage unter dem Gesichtspunkt der Doppelbesteuerung durch Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer gesehen und beantwortet werden müsse. Er hat deshalb, um entsprechend dem Zweck der Befreiungsvorschrift eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, den Wortlaut des § 3 Ziff. 2 GrEStG dahin ausgelegt, daß die Worte "Grundstückserwerb von Todes wegen" im Sinne von "durch Todesfall veranlaßt" zu verstehen seien.

Legt man die Vorschrift des § 3 Ziff. 2 GrEStG in diesem Sinne aus, so tritt auch im Streitfall auf Grund dieser Vorschrift die Befreiung des Bf. von der Grunderwerbsteuer ein. Mit dem Tod der Mutter des Bf. ist seine einzige Mitgesellschafterin weggefallen und damit zugleich die Zuwachsung ihres Anteils an den Gegenständen des Betriebsvermögens, insbesondere des Grundbesitzes der Kommanditgesellschaft zugunsten des Bf. als des allein zur Fortführung des Unternehmens Berechtigten eingetreten. Der - nachträgliche - Erbauseinandersetzungsvertrag ist für die mit dem Tode der Mutter des Bf. eingetretene Zuwachsung ihres Anteils an den Gegenständen des Betriebsvermögens ohne Bedeutung.

Die Rechtslage ist danach im wesentlichen die gleiche wie in dem vom Bundesfinanzhof bereits entschiedenen Falle des vorerwähnten Urteils II 155/60 U vom 31. Oktober 1963, a. a. O.; denn auch hier ist der Grundstückserwerb durch den Tod der Mutter des Bf. veranlaßt worden. Der Unterschied zu dem damals entschiedenen Falle besteht lediglich darin, daß der mit dem Tod der Mitgesellschafterin entstehende Auseinandersetzungsanspruch auch bürgerlich-rechtlich nicht durch Konfusion erlischt, weil er nicht auf den fortführenden Gesellschafter allein, sondern auf die aus ihm und seiner Schwester gebildete Erbengemeinschaft übergeht. Dieser Unterschied ändert jedoch für die hier streitige Frage, ob neben der Heranziehung des Bf. mit dem auch die Betriebsgrundstücke umfassenden Auseinandersetzungsanspruch zur Erbschaftsteuer noch die Grunderwerbsteuer für die im Wege der Zuwachsung auf den Bf. übergegangenen Grundstücke der Kommanditgesellschaft zu erheben ist, die Steuerrechtslage nicht.

Da das angefochtene Zwischenurteil die Rechtslage insoweit verkannt hat, war es aufzuheben und der Bf. nach Aufhebung auch des zugrunde liegenden Steuerbescheides von der Grunderwerbsteuer freizustellen, ohne daß es einer Zurückverweisung an die Vorinstanz bedürfte. Denn in einem Falle wie dem vorliegenden ist, ähnlich wie im Zivilprozeß, bei voller Entscheidungsreife der Hauptsache der Bundesfinanzhofs als Rechtsbeschwerdeinstanz befugt, vorgriffsweise auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens abschließend zu entscheiden (vgl. hierzu Wieczorek, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Bd. II 1 Bem. C III c 1 und C III c 2 zu § 301 der Zivilprozeßordnung.

 

Fundstellen

BStBl III 1965, 173

BFHE 1965, 478

BFHE 81, 478

StRK, GrEStG:3 R 37

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