Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Körperschaftsteuerpflicht eines Vereins als Rechtsträgers einer Getreidebörse.

 

Normenkette

KStG § 1 Abs. 1 Ziff. 4, § 4 Abs. 1 Nrn. 6, 8; KStG Ziff. 8

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) ist ein eingetragener Verein. Er bezweckt nach der Satzung (ß 1), den Mitgliedern in regelmäßigen Zusammenkünften Gelegenheit zum Abschluß von Handelsgeschäften in Getreide, Saaten, Mühlenfabrikaten, Lebens-, Futter- und Düngemitteln usw. sowie von Speditions-, Fracht-, Transport-, Lagerungs- und Versicherungsverträgen zu geben. Seit dem Juli 1950 trägt der Verein den Namen "Getreidebörse zu ...", während der frühere Name "Großmarkt für Getreide und Futtermittel" lautete. Mitglieder können Vollkaufleute der erwähnten Geschäftszweige und Landwirte werden, ebenso nach Entscheidung des Vorstandes andere Personen oder Firmen, die mit dem Börsenzweck in Verbindung stehen.

Der Verein hat im Jahre 1950 einen überschuß der Einnahmen über die Ausgaben von rund 540 DM gehabt (in den nachfolgenden zwei Jahren ebenfalls mehr oder minder große überschüsse). Mit diesem Betrag hat das Finanzamt den Verein zur Körperschaftsteuer herangezogen.

Der Verein bestritt seine Steuerpflicht. Er diene durch die Ausübung gewisser hoheitlicher volkswirtschaftlicher Aufgaben auf Grund des Börsengesetzes öffentlichen gemeinnützigen Zwecken. Darüber hinaus unterliege er als Berufsverband ohne wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nicht der Körperschaftsteuer. Die Beiträge der Mitglieder seien überdies gemäß § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) bei der Einnahmeberechnung außer Ansatz zu lassen.

Der Einspruch blieb erfolglos. Nach Auffassung des Finanzamts ist der Verein kein Berufsverband im Sinne von § 4 Abs. 1 Ziff 8 KStG und nicht gemeinnützig im Sinne von § 4 Abs. 1 Ziff. 6 KStG, weil er nach der Satzung die Förderung der Handelsgeschäfte seiner einzelnen Mitglieder bezwecke. Die Beiträge seien pauschalierte Gegenleistungen für die wirtschaftliche Förderung der einzelnen Mitglieder und daher nicht nach § 8 Abs. 1 KStG außer Ansatz zu lassen.

Mit der Berufung wurde außer dem seitherigen Vorbringen geltend gemacht, den Börsenversammlungen komme kaum noch Bedeutung zu. Die Höhe der Mitgliederbeiträge richte sich nicht nach der Höhe der auf den Börsenversammlungen abgeschlossenen Geschäfte, sondern nach den voraussichtlich im Geschäftsjahr bei dem Verein zu erwartenden Unkosten und dem Umfange sowie der Größe der Geschäftsbetriebe der Mitglieder. Seine Tätigkeit komme allen am Getreidehandel beteiligten Geschäftskreisen zugute, z. B. durch die Mitwirkung bei der Festlegung und Fortentwicklung der Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel. Außerdem wurde angegeben, der Verein gebe nur auf Anfragen der Mitglieder Auskünfte.

Das Finanzgericht hat den Verein freigestellt. Es hat ihn zwar weder als gemeinnützig nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6 KStG noch als Berufsverband im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 8 KStG anerkannt. Die Steuerfreiheit hat es damit begründet, daß die Einkünfte des Vereins unter keine der Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes (EStG) fielen. Um Einkünfte aus Gewerbe anzunehmen, der allein in Frage kommenden Einkunftsart, fehle die Gewinnerzielungsabsicht. Es sei weder ein Gewerbebetrieb noch ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb gegeben. Die Einkünfte des Vereins bestünden nur aus echten Mitgliederbeiträgen; diese seien auch nicht zum Teil pauschalierte Entgelte.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Bg. gehört als eingetragener Verein zu den nach § 1 Ziff. 4 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen juristischen Personen des Privatrechts. Der Verein ist der Rechtsträger der Börsenversammlungen der Getreidebörse. Er stellt für die Börsenversammlungen, die in regelmäßiger Zeitfolge stattfinden, den Raum zur Verfügung sowie sonstige für die Veranstaltung einer Getreidebörse erforderlichen Einrichtungen, z. B. das Schiedsgericht, den Getreide-Prober usw. Diese Einrichtungen dienen unmittelbar den geschäftlichen Interessen der einzelnen Mitglieder. Die allgemeine wirtschaftliche Bedeutung der Börsengeschäfte und Börsennotierungen beeinflußt die steuerrechtliche Beurteilung des Vereins als Rechtsträgers der Börse an sich nicht. Die Unterwerfung unter das Börsengesetz gibt dem Rechtsträger der Börse keinen Hoheits- oder hoheitsähnlichen Charakter. Die gesetzliche Regelung über das Börsenwesen, insbesondere die Staatsaufsicht über die Börse als Börsenversammlung, hat ihren gesetzgeberischen Grund in den bei den Börsen zutage getretenen Mißbräuchen, sowie in der großen Bedeutung, die die Börsengeschäfte auf die Gesamtwirtschaft ausüben. Die Gewerbeausübung ist häufig mehr oder minder großen Beschränkungen unterworfen, ohne daß dadurch der gewerbliche Charakter der Betätigung geändert wird. Gesetzgeberische Maßnahmen dieser Art entspringen der Absicht des Gesetzgebers, die Allgemeinheit vor den Gefahren zu schützen, die von der Betätigung auf dem betreffenden Wirtschaftssektor ausgehen können. Die von der Wirtschaftspolitik beeinflußten gewerbepolizeilichen (wirtschaftspolizeilichen) Vorschriften über die Börsenversammlungen und Börsengeschäfte verändern somit die Rechtsnatur des Trägers der Börse nicht. Mit Recht steht der Kommentar zum Börsengesetz von Rehm-Trumpler usw., Verlag Guttentag 1909, auf dem Standpunkt, daß die Errichtung der Börse im Sinne des Börsengesetzes und die Errichtung, Begründung des Börsenunternehmens zu unterscheiden sind (Anm. 4 zu § 1 S. 24). Börsenunternehmer ist danach derjenige, der Mittel und Personen bereitstellt, die erforderlich sind, um eine Zusammenkunft zu ermöglichen und zweckmäßig zu gestalten (a. a. O. Anm. 4 zu § 1 - S. 24 - und Anm. 57 der Einleitung zum I. Abschnitt S. 15). Die Leitung der Börsenunternehmung als solche sei etwas privatrechtliches (Anm. 71 der Einleitung zum I. Abschnitt S. 20). Wenn - wie im vorliegenden Fall - die Börsenbesucher zugleich eine Börsenkörperschaft ausmachten, sei nicht die Reihe der aufeinanderfolgenden Börsenzusammenkünfte, sondern eine zur Veranstaltung dieser gebildete, somit neben ihnen bestehende dauernde Gemeinschaft personifiziert. Der Börsenunternehmer habe dann Körperschaftscharakter (a. a. O. Anm. 72 B 2 S. 20).

Der vorliegende Verein hat als Unternehmer einer Getreidebörse mit seinen Einrichtungen wirtschaftlich große ähnlichkeit mit dem Unterhalter eines Marktes bzw. einer Messe; dem entsprach auch der frühere Name. Auf ihn können die Grundsätze über die steuerrechtliche Beurteilung der Märkte und der Markthallen sinngemäß angewendet werden (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs I A 391/36 vom 22. Juni 1937, Reichssteuerblatt - RStBl. - S. 982; I 299/36 vom 16. November 1937, RStBl. 1938 S. 15; I 305/38 vom 22. November 1938, RStBl. 1939 S. 477). Demnach kommt eine Erfüllung hoheitlicher Aufgaben beim Bg. als Träger des Börsenunternehmens nicht in Betracht.

Die Tätigkeit des Bg. ist gewerblicher Art. Sie dient in erster Linie, nach der im Streitjahr gültigen Satzung sogar ausschließlich, den geschäftlichen Interessen der einzelnen Mitglieder. Der Zweck der Vereinstätigkeit ist danach, den Abschluß von Geschäften der Mitglieder durch die Zusammenkünfte zu fördern. Seine Tätigkeit stellt somit einen Hilfsbetrieb der Geschäftstätigkeit der Mitglieder dar, die regelmäßig Voll-Kaufleute sein müssen. Daß der Nutzen aus der Tätigkeit des Vereins z. B. der Veröffentlichung der Preisnotierungen auch Nichtmitgliedern zugute kommt, ändert daran nichts. Ebensowenig, daß die Zahl der an der Börse abgeschlossenen Geschäfte nicht sehr groß ist, was mit der Anlaufzeit und damit zusammenhängen kann, daß die Bedeutung der sogenannten kleinen Börsen, zu denen der Bg. gehört, abzunehmen scheint. Aus der Tatsache der Förderung der Geschäftstätigkeit der einzelnen Mitglieder durch den Verein folgt, daß der Verein die Voraussetzungen für die Anerkennung weder der Gemeinnützigkeit nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6 KStG noch eines Berufsverbands im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 8 KStG erfüllt (vgl. hierzu auch Urteil des Bundesfinanzhofs I 110/53 U vom 26. April 1954, Slg. Bd. 58 S. 766, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 204, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen S. 543).

Daß die Verwaltung der Börse als Rechtsträger der Börse einen Geschäftsbetrieb erfordert, bedarf keiner Begründung. Es handelt sich bei dem Börsenunternehmen somit um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Die Gewinnerzielungsabsicht kann daraus gefolgert werden, daß tatsächlich mehrere Jahre überschüsse erzielt sind. Somit ist bei dem Verein nicht bloß ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, sondern ein Gewerbebetrieb anzunehmen.

Wenn das Finanzgericht dem Verein die Eigenschaft eines Berufsverbands auch noch deshalb abgesprochen hat, weil Angehörige der verschiedensten Berufszweige Mitglieder werden können und sind, so ist ihm auch darin beizupflichten. Dem Verein würde die Anerkennung als Berufsverband zudem nichts nützen, da er im ganzen als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu betrachten ist. Die Beiträge der Mitglieder sind pauschalierte Entgelte, für das Vorhalten der Börseneinrichtung und können deshalb nicht nach § 8 KStG abgesetzt werden.

Daraus ergibt sich die volle Steuerpflicht des Bg. Die Vorentscheidung, die das verkannt hat, ist aufzuheben und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408064

BStBl III 1955, 12

BFHE 1955, 32

BFHE 60, 32

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge