Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Körperschaftsteuerpflicht der Abrechnungsstellen von Apothekeninhabern.

 

Normenkette

KStG § 4 Abs. 1 Nr. 8

 

Tatbestand

Der beschwerdeführende Verein "Abrechnungsstelle X-städter Apothekeninhaber und Pächter e. V. in X-stadt" beansprucht Steuerfreiheit auf Grund der durch das Gesetz Nr. 64 der Militärregierung Deutschland wieder eingeführten Vorschrift über die Steuerfreiheit der Berufsverbände ohne öffentlich-rechtlichen Charakter. Der Beschwerdeführer (Bf.) behauptet, er vertrete nur die aus dem Beruf erwachsenden allgemeinen Interessen seiner Mitglieder. Streitig sind im wesentlichen drei Fragen:

ob der beschwerdeführende Verein zu den steuerbefreiten Berufsverbänden im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 8 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der Fassung des Anhangs zum Gesetz Nr. 64 gehört,

ob er einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält,

allenfalls, ob die von dem Bf. erhobenen Beiträge (Umlagen) die sachliche Steuerbefreiung des § 8 Abs. 1 KStG genießen. § 1 Ziff. 2 der Satzung des Vereins in der Fassung vom 3. April 1951 lautet folgendermaßen:

"Der Zweck des Vereins ist die Vermittlung des Geschäftsverkehrs mit den Krankenkassen und die Verrechnung der für diesen Zweck ausgestellten Rechnungen der ..... er Apothekeninhaber und Pächter. Der Verein soll weiterhin als Vertreter der Betriebsleiter der ..... er Apotheken Tarifverträge mit den Angestellten in öffentlichen Apotheken in ...... abschließen".

In der vorher geltenden Fassung der Satzung war der Abschluß von Tarifverträgen durch den Verein nicht vorgesehen. Nach § 2 Ziff. 5 der Satzung sind die Mitglieder verpflichtet, Mitgliederbeiträge bzw. Umlagen zu entrichten, deren Höhe jeweils im Einvernehmen mit der Mitgliederversammlung vom Vorstand beschlossen wird. Der Verein stellt allmonatlich die Rechnungen der etw. ..... angeschlossenen Apotheken für die Krankenkassen nach einem bestimmten Schema zusammen, überprüft sie, rechnet mit den Krankenkassen ab und führt den damit in Zusammenhang stehenden Schriftwechsel. Maßgebend sind für den Verkehr mit den Krankenkassen Verträge, die zwischen der Deutschen Apothekerschaft bzw. der Apothekerkammer und den Krankenkassen abgeschlossen sind. ähnliche Verträge sind auch mit dem Bezirksfürsorge- und dem Landesfürsorgeverband abgeschlossen worden. Auf Verlangen dieser Verbände mußte sich jede Apotheke schriftlich verpflichten, nur über den Verein mit den Verbänden abzurechnen. Tatsächlich bedienen sich alle Apotheken dieses Verfahrens. Die Krankenkassen haben sich eine Kreditspanne von einem Monat ausbedungen, innerhalb der die eingereichten Rechnungen zu begleichen sind. Regelmäßig zahlen die Krankenkassen jedoch erst nach Ablauf dieser Frist. Vom Verein wird am 10. jeden Monats allen berechtigten Apotheken eine Abschlagszahlung von 75% ihrer Forderungen vergütet. Um das Verfahren einzuhalten, hat der Verein zum Ausgleich von Spitzenbeträgen einen Bankkredit in Höhe von 150 000 DM in Anspruch genommen. Der monatliche Gesamtumsatz an Krankenkassenrechnungen beläuft sich jeweils auf über 1 Mio. DM.

Die nach § 2 Abs. 5 der Satzung zu leistenden Beiträge der Apotheken sind nach der Höhe der Krankenkassenumsätze gestaffelt. Seit der Währungsreform sind erhoben worden:

bis 30. September 1949: ...... I v. H. vom 1. Oktober 1949 bis 31. Dezember 1951: .. 0,8 v. H. vom 1. Januar 1952 bis 31. Juli 1952: ...... 0,7 v. H.Für August und September 1952 ist der Beitrag auf 0 DM herabgesetzt, nachdem ein für die Aufgaben des Vereins ausreichendes Vermögen angesammelt war, das der Verein zum Ankauf eines Grundstücks zu verwenden beabsichtigt.

Neben dem satzungsmäßigen Zweck hat der Verein in II/1948 bis 1950 auch Formularblätter für die Apothekeninhaber vertrieben. Außerdem hat er auf Weisung der Apothekenkammer Arzneimittel an die Apotheken vermittelt. Die Roheinnahmen der Pflichtigen beliefen sich aus

-------------- Beiträgen ----- Formularen ----- Waren auf II/1948 --- 29 242 DM ------- 16 DM -------- 696 DM auf II/1949 --- 80 809 DM ---- 1 441 DM -------- 274 DM auf II/1950 --- 76 425 DM ---- 1 005 DM -------- 693 DM.Das Finanzamt hat dem Bf. die Eigenschaft eines Berufsverbandes im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 8 KStG 1950 versagt. Gegen die Bescheide für II/1948 und 1950 wurde Einspruch, gegen die für 1951 Sprungberufung eingelegt. Der Einspruch (für II/1948 und 1950) blieb erfolglos. Das Finanzamt hat seine Auffassung damit begründet, daß

ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliege (ß 4 Abs. I Ziff. 8 KStG),

eine verbandsfremde Tätigkeit entfaltet werde,

Einzelinteressen der Mitglieder verfolgt würden (Hinweis auf Abschn. 20 Abs. 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) 1950, Abschn. 25 Abs. 1 KStR II/1948 und 1949).

Das Finanzgericht hat die Berufung - für 1951 Sprungberufung - als unbegründet zurückgewiesen. Es hat die Auffassung des Finanzamts bestätigt, daß dem Bf. die Eigenschaft eines steuerfreien Berufsverbandes zu versagen sei, weil die Tätigkeit des Bf. nur den besonderen Interessen der selbständigen Apotheken diene, daß seine Tätigkeit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstelle und hat außerdem abgelehnt, die vom Bf. erhobenen Beiträge als steuerfreie Mitgliederbeiträge im Sinne des § 8 KStG anzuerkennen, weil sie das Entgelt für Leistungen des Bf. darstellten.

 

Entscheidungsgründe

Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde (Rb.) kann keinen Erfolg haben.

Der erkennende Senat hat in dem Urteil I 44/52 U vom 22. Juli 1952 (Slg. Bd. 56 S. 572, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 221, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen Bay. FMBl. - S. 1052) die Grenzen aufgezeigt, die nach der Wiedereinführung der Steuerfreiheit für Berufsverbände ohne öffentlich-rechtlichen Charakter dem Wesen und der Tätigkeit einer Vereinigung gesetzt sind, wenn die Eigenschaft eines Berufsverbandes (Wirtschaftsverbandes) anerkannt werden soll. Danach verträgt sich mit dem Wesen eines Berufsverbandes nicht die Wahrnehmung der besonderen geschäftlichen Belange der einzelnen Mitglieder, auch wenn die Betriebe sämtlicher Mitglieder an einer derartigen Tätigkeit interessiert sind. Durch die Einschaltung einer Berufsvereinigung in Geschäfte, die zur regelmäßigen Tätigkeit eines gewerblichen Unternehmens als solchen gehören, verliert - so führt das Urteil aus - die Vereinigung den Charakter eines Berufsverbandes (Wirtschaftsverbandes). Dabei soll über einzelne Geschäfte ganz untergeordneter Natur für Mitglieder oder mit Mitgliedern abgesehen werden. Daraus ergibt sich ohne weiteres, daß eine Vereinigung, deren Zweck in erster Linie auf die Wahrnehmung geschäftlicher Belange der einzelnen Mitglieder gerichtet ist, der Eigenschaft eines steuerfreien Berufsverbandes nicht teilhaftig werden kann.

Teil der gewerblichen Tätigkeit jedes Gewerbetreibenden ist die Einziehung der Entgelte für die Lieferungen oder Leistungen, die im Rahmen des Gewerbebetriebs getätigt werden. Diese Einzugstätigkeit wird nicht dadurch zu einer den gesamtwirtschaftlichen Interessen des Gewerbezweiges gewidmeten Maßnahme, daß eine Vereinigung der Gewerbetreibenden das Einzugsgeschäft besorgt. Die Vereinigung bildet hinsichtlich der Einzugstätigkeit lediglich den verlängerten Arm der Gewerbetätigkeit des einzelnen Gewerbetreibenden.

Den rein geschäftlichen Charakter verliert die Einzugstätigkeit weder beim einzelnen Gewerbetreibenden noch bei einer in die Einzugstätigkeit eingeschalteten Vereinigung (Abrechnungsstelle) deshalb, weil die Lieferungen oder Leistungen des Gewerbetreibenden an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die in Ausübung hoheitsrechtlicher Aufgaben handelt, erfolgen oder von ihr bezahlt werden, ebensowenig dadurch, daß das Interesse der Vereinsmitglieder an der zentralen Verrechnung geringer ist als das der beteiligten öffentlich-rechtlichen Stellen. Für die Charakterisierung der Einzugstätigkeit als einer gewerblichen ist es auch ohne Belang, daß für das Verfahren bei der Verrechnung der Lieferungs- oder Leistungsentgelte mit den öffentlichen Körperschaften bestimmten Formen (einschließlich der Einrichtung der Verrechnungsstelle) vorgesehen werden, sei es auf Grund von Vereinbarungen oder von Verwaltungsvorschriften der öffentlichen Körperschaft. Für die Beurteilung der Tätigkeit als einer rein geschäftlichen Tätigkeit ist es auch belanglos, wenn nebenher von dem Verein Fragen bearbeitet werden, die den gesamten Berufsverband allgemein betreffen. Für die Beurteilung kommt es darauf an, ob im Rahmen der Gesamttätigkeit die Abrechnungstätigkeit überwiegt.

Es ist nicht ersichtlich, daß das Finanzgericht in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht gegen diese Grundsätze verstoßen hat, wenn es die Abrechnungstätigkeit des Bf. als den ausschließlichen, mindestens den Hauptzweck des Bf. auf Grund der Satzung und auf Grund der tatsächlichen Geschäftsgebarung bezeichnet hat. Das Finanzgericht konnte daher auf Grund seiner Befugnis zur freien Würdigung des Sachverhalts zu dem Ergebnis kommen, daß dem Verein die Eigenschaft eines Berufsverbandes zu versagen sei.

Daraus, daß die Abrechnungstätigkeit des Bf. in erster Linie rein geschäftlichen Interessen der einzelnen Mitglieder dient, folgt, daß die Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs bei dem Bf. zu bejahen sind, wie dies das Finanzgericht in übereinstimmung mit der Rechtsprechung festgestellt hat.

Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, daß die Beiträge der Mitglieder als Entgelte für die Leistungen des Vereins im Rahmen der Abrechnungstätigkeit angesehen wurden und daher entsprechend der ständigen Rechtsprechung die Abzugsfähigkeit dieser Beträge nach § 8 Abs. 1 KStG nicht anerkannt worden ist.

Nach allem wird die Rb. mit der Kostenfolge aus § 307 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückgewiesen.

Nach dem Tenor seiner Entscheidung hat das Finanzgericht über das Notopfer Berlin 1951 noch nicht entschieden. Daher ist der Senat nicht befugt, über diesen Punkt zu befinden. Es bleibt dem Bf. überlassen, diese Frage weiter zu verfolgen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407918

BStBl III 1954, 204

BFHE 1954, 766

BFHE 58, 766

DB 1954, 509

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