Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreier Grundstückserwerb zur Erweiterung von öffentlichen Straßen

 

Leitsatz (NV)

Der Erwerb von Grundstücken zur Erweiterung eines Straßenmeisterdienstgehöftes ist kein Grundstückserwerb zur Erweiterung von öffenlichen Straßen und demzufolge nicht grunderwerbsteuerfrei.

 

Normenkette

FStrG § 1 Abs. 4 Nr. 4; GrEStG Hessen § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a; GrEStG 1983 § 25 Abs. 6 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Klin. und Revisionsklin. (Klin.), eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts, kaufte am 3. Februar 1982 zwei in Hessen liegende Flurstücke zur ,,Erweiterung des bundeseigenen Straßenmeisterdienstgehöftes . . . Straße . . .". Die Beteiligten streiten, ob dieser Erwerbsvorgang als ,,Erwerb eines Grundstücks zur Schaffung und Erweiterung von öffentlichen Straßen" zu beurteilen und demzufolge gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a des damals in Hessen geltenden GrEStG von der Besteuerung ausgenommen ist. Die Klin. meint, als steuerbegünstigte Erweiterung einer öffentlichen Straße sei auch die Erweiterung des erwähnten Straßenmeisterdienstgehöftes zu beurteilen. Das folge aus § 1 Abs. 4 Nr. 4 des Bundesfernstraßengesetzes, wonach zu den Bundesfernstraßen auch Nebenanlagen, z. B. Straßenmeistereien, gehörten.

Der Bekl. und Revisionsbekl. (das FA) war demgegenüber der Ansicht, der Erwerb von ,,Flächen, die für Nebenanlagen benötigt werden", falle nicht unter die Befreiungsvorschrift. Er setzte durch Bescheid vom 10. Februar 1982 die GrESt auf 15 400 DM fest, den Einspruch wies er zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klin. begehrt, den GrESt-Bescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Sie seien rechtswidrig. Es sei ,,ausgeschlossen, einen steuerrechtlichen und einen straßenrechtlichen Straßenbegriff nebeneinander einzuführen". Das FG hat die Klage durch Urteil vom 11. April 1984 abgewiesen.

Mit ihrer Revision rügt die Klin. Verletzung des § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG Hessen.

Sie beantragt, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung und den GrESt-Bescheid aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klin. ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Verletzung des § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG Hessen. Das Hessische GrEStG ist zwar seit 1. Januar 1983 außer Kraft (§ 25 Abs. 6 Nr. 1 GrEStG 1983), im vorliegenden Fall aber noch anzuwenden, da der Erwerbsvorgang vor dem 1. Januar 1983 verwirklicht worden ist (§ 23 Abs. 1 Satz 1 GrEStG 1983).

Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ist von der Besteuerung ausgenommen ,,bei öffentlichen Straßen, Plätzen, Grünanlagen und Friedhöfen:

a) der Erwerb eines Grundstücks zur Schaffung und Erweiterung von öffentlichen Straßen, öffentlichen Plätzen und öffentlichen Erholungs-, Wald- und sonstigen Grünanlagen sowie von Friedhöfen". Öffentliche Straßen in diesem Sinne sind Landverkehrswege, die von jedermann ohne besondere Zulassung gemäß ihrer hoheitlichen Zweckbestimmung benutzt werden dürfen (Gemeingebrauch). Das folgt aus dem Wortsinn des Begriffs und aus dem Zusammenhang der Befreiungsvorschrift mit § 1 (Einleitungsworte) und § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG Hessen sowie aus dem Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, § 2 Abs. 1, § 7 des Bundesfernstraßengesetzes vom 6. August 1953 (BGBl I 1953, 903) i.d.F. vom 1. Oktober 1974 - FStrG - (BGBl I 1974, 2413, 2908; vgl. auch BFH-Urteil vom 2. Juli 1975 II R 187/66, BFHE 116, 288, BStBl II 1975, 745, betreffend eine öffentliche Grünanlage, und BFH-Urteil vom 9. November 1966 II 168/63, BFHE 87, 259, BStBl III 1967, 91, betreffend einen öffentlichen Platz).

Keine Straße in diesem Sinne ist das Straßenmeisterdienstgehöft, zu dessen Erweiterung das von der Klin. erworbene Grundstück dienen soll. Zwar gehört nach der von der Klin. angeführten Vorschrift des § 1 Abs. 4 Nr. 4 FStrG zur Bundesfernstraße nicht nur der Straßenkörper, sondern es gehören dazu auch die Nebenanlagen (das sind solche Anlagen, die überwiegend den Aufgaben der Straßenbauverwaltung der Bundesfernstraßen dienen, z. B. Straßenmeistereien, Gerätehöfe, Lager, Lagerplätze, Entnahmestellen, Hilfsbetriebe und -einrichtungen). Aber diese Sondervorschrift gilt nicht für die GrESt. Gesetzgeberischer Grund hierfür ist, daß die ausschließliche und dauernde Verwendung eines Grundstücks zur Anlegung von Straßen ohne weiteres erkennbar ist, wogegen bei den nicht unmittelbar zur Herstellung der Straße verwendeten Grundstücken nicht so leicht nachgeprüft und festgestellt werden kann, ob sie ausschließlich und dauernd zu Straßenzwecken verwendet werden, infolgedessen Schwierigkeiten und Unbilligkeiten vorkommen können, wenn ein Grundstück teilweise für Straßenzwecke, teilweise für andere Zwecke verwendet wird (RFH-Urteil vom 28. November 1922 II A 263/22, RFHE 11, 50, 52, RStBl 1923, 139, ergangen zu der gleichartigen Befreiungsvorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 10 GrEStG 1919 vom 12. September 1919, RGBl 1919, 1617, 1620, und betreffend den Erwerb eines Grundstücks, um ein Dienstgehöft für einen Straßenmeister anzulegen). An dieser Rechtsauffassung hat der RFH festgehalten (Urteil vom 6. Februar 1923 II A 10/23, StuW 1923 Nr. 415, betreffend den Erwerb eines Grundstücks zur Errichtung eines Zollhauses; Urteil vom 27. März 1941 II 13/41, RFHE 50, 147, RStBl 1941, 416, betreffend den Erwerb eines an den Straßengrund der Autobahn angrenzenden Grundstücks, auf dem Splitt und Schneeschutzzäune der Straßenmeisterei gelagert werden sollten). Der BFH ist ihr gefolgt (Urteil vom 14. Juni 1961 II 154/58 U, BFHE 73, 477, BStBl III 1961, 440, 441, betreffend den Miterwerb einer bebauten Grundstücksfläche, um Unterstellräume für Straßenbaumaterialien und Bauunterhaltungsgeräte zu gewinnen, sowie im Wohnhaus einen Straßenwärter oder einen Straßenmeister zur Beaufsichtigung des Lagerplatzes und der Lagergebäude unterzubringen). Von ihr abzuweichen bietet der vorliegende Fall keinen Anlaß.

Für ihre Richtigkeit spricht zudem, daß Straßenmeisterdienstgehöfte und andere Nebenanlagen nicht - wie öffentliche Straßen - dem Gemeingebrauch unterliegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414858

BFH/NV 1987, 396

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