Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

öffentlicher Platz im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG ist nur ein solcher der dem Gemeingebrauch gewidmet ist (oder wird).

 

Normenkette

GrEStG § 4/1/4/a, § 4 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin, ein Warenhausunternehmen, hat Grundstücke erworben, die im Ortsbebauungsplan als Abstellplätze für Kraftfahrzeuge ausgewiesen waren. Unter Aufhebung eines zuvor ergangenen Steuerbescheids stellte das Finanzamt (FA) sie deshalb gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG von der Grunderwerbsteuer frei. Nachdem sich herausstellte, daß die Klägerin auf den erworbenen Flächen ein Parkhochhaus bauen wollte, hat das FA sie unter Bezugnahme auf § 4 Abs. 2 GrEStG erneut zur Steuer herangezogen. Einspruch und Berufung der Klägerin waren erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Die noch als Rb. eingelegte Revision der Klägerin ist unbegründet.

Das FG versteht unter einem Platz im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG, dem gewöhnlichen Sprachgebrauch entsprechend, nur eine flächenmäßige Wegeerweiterung im Freien, also einen Teil der unbebauten Erdoberfläche (Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau, - DVR - 1963 S. 173). Ob dem zu folgen ist oder ob es möglich wäre, auch mehrgeschossige Parkflächen (Parkgebäude) ebenso wie mehrgeschossige Kreuzungsbauwerke in die Begriffe der öffentlichen Straßen und Plätze im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG einzubeziehen, sofern deren Merkmale im übrigen erfüllt (und nach Landesrecht erfüllbar) sind, kann dahingestellt bleiben. Denn die von der Klägerin bezweckte Parkfläche wäre jedenfalls kein "öffentlicher Platz" im Sinne dieser Vorschrift, weil sie nicht dem Gemeingebrauch gewidmet werden sollte.

Wie die Klägerin nicht verkennt, ist der Begriff der öffentlichen Straßen und Plätze im Sinne des Wegerechts von dem des Strafrechts und des Straßenverkehrsrechts verschieden (vgl. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 1965 Bd. I § 55 I a S. 332; Bundesgerichtshof, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 554 der Zivilprozeßordnung Nr. 1; Bundesgerichtshof, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1961 S. 1124; Oberlandesgericht Karlsruhe, NJW 1956 S. 1649). Während im Straßenverkehrsrecht - und diesem folgend im Kraftfahrzeugsteuerrecht (Urteil des BFH II 102/61 U vom 8. November 1961, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 74 S. 179 - BFH 74, 179 -, BStBl III 1962, 68) - unter Umständen als öffentliche Wege auch solche anzusehen sind, die nur tatsächlich von dem allgemeinen Verkehr benutzt werden, setzt der entsprechende wegerechtliche Begriff die Widmung zum Gemeingebrauch (oder die der Ersitzung vergleichbare unvordenkliche Verjährung voraus (vgl. Forsthoff, Verwaltungsrecht, 1. Bd., Allgemeiner Teil 8. Aufl. 1961, § 19, S. 326 ff., 338 ff.; vgl. Wolff, a. a. O., § 55 III b S. 334). Danach kann zwar auch eine öffentliche Straße oder ein öffentlicher Platz Gegenstand privaten Eigentums sein (vgl. Forsthoff, a. a. O., S. 340 ff.; Wolff, a. a. O., § 57 I a S. 339 ff.); die bürgerlichen Nutzungsrechte des Eigentümers (§ 903 BGB) treten aber bis zur Entwidmung hinter der öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung zurück. Soweit diese reicht, ist dem Eigentümer die Nutzung dauernd entzogen; er kann die Widmung zur allgemeinen Nutzung - anders als bei den Straßen und Plätzen, die nur für das Straßenverkehrsrecht (und bedingt für das Straf- und Haftungsrecht) den öffentlichen zuzuordnen sind - nicht von sich aus aufheben.

Der für die Steuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG maßgebende Begriff der öffentlichen Straßen und öffentlichen Plätze entspricht dem des Wegerechts. Denn Sinn der Befreiungsvorschrift ist nicht die Begünstigung des Erwerbs für eine nur aus freien Stücken und - unbeschadet vertraglicher Bindungen - jederzeit widerruflich dem allgemeinen Verkehr zugänglich gemachte Grundstücksfläche, sondern nur für - vorbehaltlich der Entwidmung - endgültig dem Gemeingebrauch gewidmete Verkehrsflächen. Die Begünstigung privaten Erwerbs unter der bloßen Voraussetzung, daß der Erwerber das Grundstück auf die Dauer von fünf oder (je nach dem maßgebenden Landesrecht) zehn Jahren (§ 4 Abs. 2 GrEStG) jederzeit widerruflich zur allgemeinen Verkehrsnutzung freigibt, wäre weder dem Umfang der Begünstigung noch den sonstigen Befreiungen des § 4 GrEStG angemessen.

Ob bei einem Parkhaus die rechtlichen Voraussetzungen für einen öffentlichen Platz im Sinne des Wegerechts überhaupt erfüllbar waren, kann auf sich beruhen. Jedenfalls entspricht die von der Klägerin vorgesehene Zweckbestimmung nicht den Voraussetzungen des Gemeingebrauchs. Nach den Ausführungen der Revision, die insoweit mit dem früheren Vorbringen übereinstimmen, sollen die Parkflächen zwar jedermann zugänglich gemacht, für deren Benutzung soll aber ein angemessenes Entgelt erhoben werden, das Kunden der Klägerin auf den Kaufpreis angerechnet wird. Nicht der - grundsätzlich unentgeltliche, allenfalls auf öffentlich-rechtlicher Grundlage mit geringen Gebühren belastete - Gemeingebrauch soll also die Besucher des Parkhauses zu dessen Benutzung berechtigen, sondern ein allgemeines Angebot auf privat-rechtlicher Grundlage, dessen Annahme jeweils zu bürgerlich-rechtlichen Verträgen führen würde. Eine solche, allein von den Herrschaftsrechten des Eigentümers ausgehende und mit den Mitteln des Privatrechts arbeitende Benutzungsregelung ist mit dem Wesen eines öffentlichen Platzes (im Sinne des Wegerechts und damit des § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG) unvereinbar (Forsthoff, a. a. O., S. 338 f.; Wolff, a. a. O., § 55 III b S. 334). Das gilt um so mehr, als die Klägerin ihren Kunden das Parkentgelt auf den Kaufpreis anrechnen, diese also - anders als die übrigen Benutzer des Parkhauses - im Ergebnis unentgeltlich parken lassen und somit die Parkmöglichkeit als Mittel der Kundenwerbung einsetzen will.

Zu der Frage, wie die Grundsteuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a GrEStG abzugrenzen ist, braucht im vorliegenden Fall nicht Stellung genommen zu werden. Jedenfalls spricht die von der Klägerin zitierte Verwaltungsanordnung des Berliner Senators für Finanzen vom 6. September 1966 - III D 121 - L 1103 - 6/65 - über die "grundsteuerliche Behandlung von Parkraum" (Steuer- und Zollblatt für Berlin vom 16. September 1966 S. 1669) nicht für deren Standpunkt. Sie bezieht sich nämlich nicht auf die Grundsteuerbefreiung für die dem öffentlichen Verkehr dienenden Plätze gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a GrStG, sondern auf die Befreiung der Gebietskörperschaften gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. a GrStG und anerkennt für diese eine Benutzung für den öffentlichen Gebrauch auch bei einer Hoch- oder Tiefgarage; sie läßt jedoch nur der ohne Gewinnerzielungsabsicht handelnden Gebietskörperschaft, nicht aber Dritten die Erhebung angemessener Gebühren zu.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412341

BStBl III 1967, 91

BFHE 1967, 259

BFHE 87, 259

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