Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachlicher Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und Gebäudeerrichtungsvertrag

 

Leitsatz (NV)

1. Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen auf, so ist es für das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den Verträgen notwendig, aber auch ausreichend, wenn diese aufgrund einer vertraglichen Abrede bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß aller Verträge hinzielen. Der Abschluß eines schriftlichen Vertrags ist insoweit nicht erforderlich. Es ist zu prüfen, ob die mehreren Verträge aufgrund eines dem Erwerber objektiv erkennbar abgestimmten Verhaltens darauf abzielen, dem Erwerber ein Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude zu verschaffen.

2. Eine für den engen sachlichen Zusammenhang ausreichende Verbindung der auf der Veräußererseite auftretenden mehreren Personen liegt jedenfalls dann vor, wenn der Grundstücksveräußerer selbst den Abschluß des Grundstücksvertrags vom vorherigen Abschluß des Gebäude errichtungsvertrags mit einer anderen Person abhängig gemacht hat.

3. Ist der Bauerrichtungsvertrag nach nur teilweiser Erfüllung aufgehoben (gekündigt) worden, so schließt dies nicht aus, daß Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude sein kann. Es kann jedoch eine Herabsetzung der Gegenleistung vorliegen, die nach § 16 Abs. 3 GrEStG 1983 zu beurteilen ist. Die Rechtsfolge des § 16 Abs. 3 GrEStG 1983 tritt jedoch nur ein, wenn der Erwerber aufgrund der Aufhebung des Gebäudeerrichtungsvertrags in seiner Entscheidung über die Vergabe der zur Fertigstellung des Gebäudes noch notwendigen Bauleistungen wieder völlig frei geworden ist.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 16 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Durch Vertrag vom 13. Januar 1983 erwarb die A-GmbH ein Grundstück. Für dieses Grundstück erstellte die B-GmbH eine "Leistungsbeschreibung" für die Errichtung von Reihenhäusern auf diesem Grundstück. Die B-GmbH wurde auch mit dem Verkauf der geplanten Reihenhäuser beauftragt. Die Herren C und D waren Gesellschafter und Geschäftsführer sowohl der A- GmbH als auch der B-GmbH. Die A-GmbH fertigte am 2. Februar 1983 einen Entwurf für die Teilung des Grundstücks. Interessenten für das geplante Haus Nr. 4 waren die Kläger. Sie beauftragten durch Vertrag vom 15. März 1983 die E-GmbH, ein Reihenhaus zu einem Preis von 295 000 DM auf dieses Grundstück zu liefern und zu errichten. Die Baukosten wurden später dem beklagten Finanzamt (FA) gegenüber mit 277 792,93 DM angegeben. Geschäftsführer der E-GmbH war Herr F. Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 17. März 1983 erwarben die Kläger einen Miteigentumsanteil von 2 849/10 000 zu gleichen Rechten und Anteilen an dem Grundstück von der A-GmbH. Die Veräußerin war an dem Vertragsabschluß zunächst durch eine vollmachtlose Vertreterin beteiligt. Durch notariell beurkundete Erklärung vom 14. April 1983 wurde deren Erklärung von der A-GmbH genehmigt.

Durch Bescheide vom 29. August 1985 setzte das FA gegen die Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von je 4 217 DM fest. Dabei zog das FA neben dem Kaufpreis für das Grundstück die Baukosten für das Haus in Höhe von 277 792,93 DM jeweils anteilig in die Bemessungsgrundlage mit ein.

Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser wurde geltend gemacht, daß nur der Kaufpreis für das Grundstück zur Grund erwerbsteuer herangezogen werden könne. Grundstückskaufvertrag und Bauerrichtungsvertrag seien nicht als Vertragseinheit zu werten. Eine Bindung an Bebauungspläne der Veräußerin habe nicht bestanden. Die zeitliche Abfolge des Abschlusses der beiden Verträge habe sich aus der Notwendigkeit der notariellen Beurkundung nur für den Grundstückskaufvertrag ergeben. Die E-GmbH sei inzwischen in Konkurs gegangen. Ihr Gesellschafter F habe die Fortführung der Baumaßnahme mit Vereinbarung vom 9. Januar 1984 übernommen und die Bebauung über die Firma Ingenieur- Büro F-GmbH fertiggestellt (Honorar 20 000 DM). Der Bauerrichtungsvertrag mit der E-GmbH sei von dieser am 5. Januar 1984 im Hinblick auf den Konkursantrag gekündigt worden. An die E-GmbH seien von den Klägern nur 81 204,70 DM gezahlt worden. Die E-GmbH sei weder wirtschaftlich noch personell mit den beiden anderen GmbHs verbunden. Die Käufer der jeweiligen Grundstücke oder Grundstücksanteile seien in ihrer Entscheidung, welche Bebauung sie letztlich wählen würden, frei gewesen.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und in Abänderung der Grund erwerbsteuerbescheide und der diese bestätigenden Einspruchsentscheidungen die Grunderwerbsteuer auf je 1440 DM festgesetzt. Die Festsetzung erfolgte hinsichtlich der Erschließungskosten weiterhin vorläufig. Gegenleistung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 sei lediglich der Kaufpreis nach dem Grundstückskaufvertrag. Gegenstand des Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 seien die Miteigentumsanteile an dem Grundstück im Zustand bei Kaufvertragsabschluß. Kaufvertrag und Bauerrichtungsvertrag bildeten keine rechtliche Einheit. Die Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH), daß lediglich ein objektiver Zusammenhang zwischen mehreren Verträgen zu einem einheitlichen Vertragswerk führe, halte das FG nur aufgrund einer steuer verschärfenden und daher verfassungs widrigen Analogie für erreichbar. Die Steuerfestsetzungen in dem angefochtenen Umfang seien auch nicht unter Berücksichtigung des Wirkens des Initiators bzw. der Initiatoren begründet. Die Initiatorenrechtsprechung des BFH führe dazu, daß als Gegenleistung nur unmittelbar der Gesamtaufwand (oder ein Teil davon) in Betracht komme, nicht aber die sich aus den einzelnen Verträgen mit dritten Personen ergebenden Gegenleistungen, die allenfalls unselbständige Kalkulationsgrundlagen sein könnten. Im Streitfall hätte dies dem FA Veranlassung geben müssen, die Steuern zumindest insoweit herabzusetzen, als sie auf der der E-GmbH gegenüber offenbar nicht erbrachten Gegenleistung beruhe.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Dieses rügt die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FG hat den für den Umfang der Gegenleistung maßgeblichen Gegenstand des Erwerbsvorgangs nach rechtlich unzutreffenden Kriterien bestimmt.

1. Für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist entscheidend, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. z. B. Urteile des BFH vom 29. Juli 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898; vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590; vom 5. Februar 1992 II R 110/88, BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357 m. w. N.); denn Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen kann das Grundstück in dem Zustand sein, den es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat oder in einem (künftigen) Zustand, in den es erst zu versetzen ist.

Der für den Umfang der Gegenleistung maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird nicht nur bestimmt durch das den Übereignungsanspruch begründende Rechtsgeschäft selbst, sondern -- ggf. -- auch durch mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv sachlichem Zusammenhang stehende Vereinbarungen, die insgesamt zu dem Erfolg führen, daß der Erwerber das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude erhält (BFH-Urteile vom 18. Oktober 1989 II R 143/87, BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183 und II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181, und in BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357, sowie vom 11. November 1992 II R 117/89, BFHE 169, 480, BStBl II 1993, 163 m. w. N.). Dies ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu ermitteln.

An dieser nunmehr ständigen Rechtsprechung hält der Senat fest. Die dagegen erhobenen Einwendungen des FG überzeugen ihn nicht. Nach den von der Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsätzen ist der Gegenstand des Erwerbsvorgangs nicht nur dem tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäft (z. B. Grundstückskaufvertrag) selbst zu entnehmen, sondern ggf. auch mit diesem im Zusammenhang stehenden weiteren Rechtsgeschäften. Diese Auffassung beruht auf einer am Sinn und Zweck des Gesetzes orientierten Auslegung der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983, die die verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Gesetzesauslegung nicht überschreitet und auch nicht auf einem verfassungsrechtlich unzulässigen Analogieschluß beruht (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212; BFH in BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183; in BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590, und in BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357).

2. Nach den von der Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsätzen besteht im Streitfall entgegen der Auffassung des FG die Möglichkeit, daß Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude ist.

Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den auf Erwerb des Grundstücks und den auf Errichtung des Gebäudes zielenden Verträgen ist dann anzunehmen, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts über das Grundstück der Erwerber sich bereits gegenüber der Veräußererseite hinsichtlich der Errichtung des Gebäudes gebunden hat. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Erwerber die zur Errichtung des Gebäudes notwendigen Verträge bereits vor Abschluß des Grundstückskaufvertrags geschlossen hat. In diesem Fall steht die Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung nicht mehr im freien Belieben des Erwerbers (vgl. BFH in BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, da die Kläger den Bau- oder Bauerrichtungsvertrag vor dem Kaufvertrag über das Grundstück abgeschlossen haben.

Die Tatsache, daß die Kläger den Grundstückskaufvertrag und den Bauerrichtungsvertrag mit verschiedenen Vertragspartnern abgeschlossen haben, schließt das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen diesen Verträgen nicht notwendigerweise aus. Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen auf, so hält es der Senat für das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den Verträgen für notwendig, aber auch für ausreichend, wenn diese aufgrund einer vertraglichen Abrede bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß aller Verträge hinzielen. Der Abschluß eines schriftlichen Vertrags ist insoweit nicht erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 22. September 1993 II R 65/90, BFH/NV 1994, 407 m. w. N.). Es ist zu prüfen, ob die mehreren Verträge aufgrund eines dem Erwerber objektiv erkennbar abgestimmten Verhaltens darauf abzielen, dem Erwerber ein Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude zu verschaffen (vgl. Senatsurteil vom 11. Mai 1994 II R 62/91, BFH/NV 1994, 901.

3. Die von anderen Grundsätzen ausgehende Entscheidung des FG ist aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen über die nach Auffassung des Senats aber entscheidungserheblichen Beziehungen zwischen dem Grundstücksveräußerer bzw. der B-GmbH und der E-GmbH (Gebäudeerrichter) getroffen. Ergänzend weist der Senat insoweit darauf hin, daß eine für den engen sachlichen Zusammenhang ausreichende Verbindung der auf der Veräußererseite auftretenden mehreren Pesonen jedenfalls dann vorliegt, wenn der Grundstücksver äußerer selbst den Abschluß des Grundstücksvertrags vom vorherigen Abschluß des Gebäudeerrichtungsvertrags mit einer anderen Person abhängig gemacht haben sollte.

Ist der Bauerrichtungsvertrag mit der E- GmbH nach nur teilweiser Erfüllung aufgehoben (gekündigt) worden, so schließt dies nicht aus, daß Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude sein kann. Es kann jedoch eine Herabsetzung der Gegenleistung vorliegen, die nach § 16 Abs. 3 GrEStG 1983 zu beurteilen ist. Die Rechtsfolge des § 116 Abs. 3 GrEStG 1983 tritt jedoch nur ein, wenn der Erwerber aufgrund der Aufhebung des Gebäudeerrichtungsvertrags in seiner Entscheidung über die Vergabe der zur Fertigstellung des Gebäudes noch notwendigen Bauleistungen wieder völlig frei geworden ist. Wird beispielsweise der erste Vertrag über die Errichtung des Gebäudes erst aufgehoben, nachdem der Erwerber einen im wesentlichen inhaltsgleichen Vertrag mit einem anderen Vertragspartner, der aber mit dem ersten Vertragspartner verbunden ist, abgeschlossen hatte, so wäre seine ursprünglich bestehende Bindung im Hinblick auf die Errichtung des Gebäudes dadurch tatsächlich nicht aufgehoben worden. Für eine Herabsetzung der Gegenlei stung und damit der Grunderwerbsteuer bestünde keine Möglichkeit (BFH-Urteil vom 14. März 1990 II R 169/87, BFH/NV 1991, 263).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420160

BFH/NV 1995, 260

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