Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei mehreren Verträgen/Grundstück mit noch zu errichtendem Fertighaus

 

Leitsatz (NV)

1. Sind der Grundstücksveräußerer und der Fertighauserrichter nicht identisch, so kann sich eine Verflechtung der mehreren Verträgen aus vertraglichen Beziehungen zwischen den beiden ergeben.

2. Haben sich die Erwerber mehrerer Wohnungen in einem noch zu errichtendem Gebäude nicht in einer Aufbauvereinbarung zusammengetan, so spricht dies dafür, daß Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück ist.

3. Wird der Vertrag über die Errichtung des Gebäudes wieder aufgehoben und mit einem anderen Vertragspartner ein neuer Vertrag abgeschlossen, so führt dies nur dann zu einer niedrigeren Grunderwerbsteuer, wenn die Grundstückserwerber aus ihrer ursprünglichen Bindung auch faktisch entlassen worden sind.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 16

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die X-GmbH (GmbH) bot in einer Zeitungsanzeige ein Grundstück in bebautem Zustand an. Am . . . August 1984 schlossen die Kläger mit der GmbH einen Vertrag über die schlüsselfertige Errichtung eines X-Hauses bzw. einer Wohnung eines bestimmten Typs auf dem in der Anzeige genannten Grundstück zum Preis von . . . DM. Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom . . . 1984 erwarben die Kläger einen 1/3-Miteigentumsanteil an dem genannten Grundstück. Veräußerer war Herr A. Der Kaufpreis betrug . . . DM. Die Kläger verpflichteten sich zur Übernahme eines Drittels der Vermessungs- und Teilungskosten. Die Vertragsparteien erklärten u. a. die Einigkeit darüber, daß das Grundstück bebaut und entweder real in drei etwa gleichgroße Flurstücke geteilt oder aber in drei Wohnungseigentumsrechte aufgeteilt werden sollte. Hierbei sollten die Kläger entweder ein bestimmtes Flurstück erhalten oder aber einen 1/3-Miteigentumsanteil am Gesamtgrundstück verbunden mit dem Sondereigentum an bestimmten Räumen des oder der noch zu errichtenden Gebäude sowie mit dem Sondernutzungsrecht an einem bestimmten Grundstücksteil. Im . . . 1985 wurde der Vertrag mit der GmbH wieder aufgehoben - angeblich wegen Insolvenz der GmbH - und statt dessen ein entsprechender Vertrag mit der Y-GmbH geschlossen.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen die Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von je . . . DM fest. Die Bescheide ergingen hinsichtlich der noch nicht erfaßten Teilungs- und Vermessungskosten vorläufig. Als Gegenstand des Erwerbsvorgangs sah das FA das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude an.

Im Einspruchsverfahren wurde die Grunderwerbsteuer weiterhin vorläufig auf . . . DM festgesetzt.

Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser machten die Kläger geltend, daß nur der Preis für das Grundstück Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sei. Grundstückskaufvertrag und Bauerrichtungsvertrag seien voneinander unabhängig gewesen. Zumindest aus der Aufhebung des ersten Vertrags mit der GmbH folge, daß die Aufwendungen dafür gemäß § 16 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) nicht mehr der Grunderwerbsteuer unterworfen werden könnten.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei der Miteigentumsanteil am unbebauten Grundstück. Eine einheitliche Leistung gerichtet auf den Erwerb eines bebauten Grundstücks ergebe sich nicht notwendigerweise aus einem einheitlichen Vertrag. Ein einheitlicher Vertrag wiederum liege nicht schon dann vor, wenn mehrere Verträge mit mehreren Vertragspartnern auf der Leistungsseite in ihrer Wirksamkeit voneinander abhängig seien. Einer ,,Aufbauvereinbarung" zwischen den Klägern und den Erwerbern der anderen Miteigentumsanteile hätte es nicht bedurft.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat den grunderwerbsteuerrechtlichen Begriff des Gegenstands des Erwerbsvorgangs verkannt.

Der notariell beurkundete Vertrag über den Erwerb der Miteigentumsanteile an dem Grundstück ist ein (jeweils) der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983. Die Steuer dafür bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Als Gegenleistung gelten bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).

Zur Gegenleistung rechnet jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt gewährt für den Erwerb des Grundstücks in dem Zustand, in dem es Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Dezember 1988 II B 47/88, BFHE 155, 419, BStBl II 1989, 333).

Das GrEStG bestimmt nicht, was unter Gegenleistung begrifflich zu verstehen ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß diese Begriffsbestimmung zwar von dem bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung ausgeht, sich aber darin nicht erschöpft (so z. B. Entscheidung des BFH vom 5. November 1980 II R 28/75, BFHE 132, 111, BStBl II 1981, 174).

Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 18. Oktober 1989 II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181 m. w. N.) zunächst durch das den Steuertatbestand erfüllende (zivilrechtliche) Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ist Gegenstand der kaufvertraglichen Übereignungsverpflichtung das Grundstück in bebautem Zustand, so ist das Grundstück in diesem Zustand auch grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs. Ergibt sich die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks und zur Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich zwar aus zwei (oder mehreren) an sich selbständigen Verträgen, sind diese Verträge jedoch aufgrund ihres rechtlichen Zusammenhangs zivilrechtlich als einheitlicher Vertrag anzusehen, so ist grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand. Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist das Grundstück in bebautem Zustand schließlich auch dann, wenn die Verträge zwar nicht durch den Willen der Parteien rechtlich verknüpft sind, zwischen den Verträgen jedoch ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhält. Dies ist der Fall, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht ganz konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur insgesamt annehmen kann.

Auf der Veräußererseite können auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten (vgl. BFH-Urteil vom 23 Juni 1982 II R 155/80, BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741). Es ist dabei nicht ausschlaggebend, daß der Grundstücksübereignungsanspruch und der Anspruch auf Errichtung des Gebäudes sich zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist vielmehr, daß (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (vgl. Entscheidung BFHE 155, 419, BStBl II 1989, 333).

Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist nach den dargelegten Grundsätzen im Einzelfall unter Heranziehung aller relevanten Umstände zu bestimmen. Für eine derartige Abwägung aller Umstände des Einzelfalles enthalten die Entscheidungen des Senats vom 18. Oktober 1989 II R 85/87 (BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181) und II R 143/87 (BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183) beispielgebende Hinweise. Danach kann sich der enge sachliche Zusammenhang zwischen mehreren Verträgen daraus ergeben, daß die Erwerber sich bereits vor dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags hinsichtlich der zur Errichtung des Gebäudes erforderlichen Verträge zivilrechtlich gebunden haben (vgl. Urteil in BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags waren die Kläger in ihrer Entscheidung über das ,,Ob" und ,,Wie" einer Bebauung nicht mehr frei. Der Grundstücksveräußerer und der Verpflichtete aus dem Vertrag über die Errichtung des Hauses sind jedoch im Streitfall nicht identisch. Dadurch ist der enge sachliche Zusammenhang zwischen den beiden Verträgen jedoch noch nicht ausgeschlossen. Die Verflechtung der Verträge kann sich beispielsweise aus der Stellung eines Projektanbieters ergeben, wenn dieser aufgrund vertraglicher Beziehungen zu den auf der Veräußererseite auftretenden Personen zu einer Vorplanung in der Lage ist, die ihm ein konkret ausgestaltetes Angebot ermöglicht und er sein bestehendes wirtschaftliches Interesse am Abschluß aller Verträge dadurch durchsetzt, daß die Erwerber sich zu den zur Errichtung des Gebäudes notwendigen Verträgen bereits vor (oder gleichzeitig mit) Abschluß des Grundstückskaufvertrags verpflichten (vgl. dazu Urteil vom 18. Oktober 1989 II R 143/87). Über das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen einer derartigen Verflechtung enthält die Entscheidung des FG keine ausreichenden Feststellungen. Das FG geht zwar davon aus, daß sich die Vertragspartner der Kläger nicht zusammengetan hätten, um zusammen eine einheitliche Leistung zu erbringen. Mit dieser Feststellung ist jedoch das Vorliegen einer Verflechtung in dem geschilderten Sinne, wie sie der Senat für ausreichend hält, noch nicht ausgeschlossen. Auch die Schlußfolgerung des FG, der Grundstücksveräußerer habe der GmbH nicht ensprechend im Wort gestanden, schließt eine derartige Verflechtung nicht aus. Der Senat hält insoweit geringere Bindungen zwischen den auf der Veräußererseite auftretenden Personen für ausreichend. Nach Auffassung des Senats kann eine derartige Verflechtung bereits bestehen, wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen aufgrund einer vertraglichen Abrede (z. B. Maklerauftrag) bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß beider Verträge hinzielen (vgl. Urteil vom 18. Okotber 1989 II R 143/87).

2. Das FG hat im Streitfall keine Aufbauvereinbarung zwischen den Klägern und den Erwerbern der anderen Miteiguntumsanteile festgestellt, da es deren Vorliegen bzw. Nichtvorliegen nicht für entscheidungserheblich hält. Nach Auffassung des FG soll beim Erwerb eines Hauses (anders - möglicherweise - beim Erwerb einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus) eine solche Aufbauvereinbarung auch dann nicht notwendig sein, wenn das (noch zu errichtende) Haus in der Rechtsform einer Eigentumswohnung erworben wird. Der vom FG festgestellte Sachverhalt trägt diese Rechtsauffassung nicht. In den Gründen spricht das FG insoweit sowohl von ,,Wohnung" als auch von ,,Haus" bzw. ,,Fertighaus". Das FG hat damit nicht eindeutig bzw. widerspruchsfrei festgestellt, ob die Kläger letztlich alleine ein Fertighaus (entweder auf einem (Trenn-) Grundstück oder in der Rechtsform einer Eigentumswohung, d. h. Miteigentumsanteil am ungeteilten Grundstück verbunden mit dem alleinigen Sondereigentum an bestimmten Räumen) erworben haben oder aber eine Wohung in einem aus mehreren (zwei oder drei) Wohnungen bestehenden Gebäude. Welche dieser Sachverhaltsvarianten tatsächlich verwirklicht wurde, ist jedoch - auch nach Auffassung des FG - ggf. entscheidungserheblich. Da zumindest eine Wohnung in einem aus mehreren Wohungen bestehenden Gebäude tatsächlich nicht für sich allein errichtet werden kann, müssen sich die Interessenten zu einer gemeinsamen Erstellung des gesamten Gebäudes in einer Aufbauvereinbarung zusammengetan haben. Haben sie keine Aufbauvereinbarung geschlossen, so spricht dies dafür, die Errichtung des Gebäudes der Veräußererseite zuzurechnen und als Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1982 II R 102/81, BFHE 136, 561, BStBl II 1983, 55 m. w. N.).

3. Die Entscheidung des FG geht von anderen Rechtsgrundsätzen aus. Sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat nicht alle Umstände festgestellt, die im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sind. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FG wird bei der Entscheidung über den Gegenstand des Erwerbsvorgangs zu berücksichtigen haben, daß nach Auffassung des Senats eine ursprünglich vielleicht bestehende Möglichkeit zum Erwerb des Grundstücks auch ohne Abschluß der zur Errichtung des Gebäudes erforderlichen Verträge dann keine ausschlaggebende Bedeutung hat, wenn die Erwerber aufgrund vorher eingegangener Verpflichtungen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags keine freie Entscheidungsmöglichkeit mehr besitzen. Zu berücksichtigen wird das FG auch haben, daß der objektive enge sachliche Zusammenhang zwischen den Verträgen nicht schon dadurch ausgeschlossen wird, daß sich die Erwerber - wenn auch ggf. unter Hinnahme von Rechtsnachteilen - allein von den Verträgen über das Gebäude wieder lösen können. Tritt dieser Umstand jedoch nachträglich tatsächlich ein, so ist dies nach den Grundsätzen des § 16 GrEStG 1983 zu berücksichtigen. Im Streitfall wurde der ursprüngliche Vertrag über die Errichtung des Hauses aufgehoben, die Kläger haben statt dessen mit einem anderen Vertragspartner einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen. Dies kann jedoch dann zu keiner niedrigeren Grunderwerbsteuer führen (Herausnahme der Aufwendungen für die Errichtung des Gebäudes aus der Gegenleistung), wenn die Kläger aus ihrer bereits bestehenden Bindung faktisch nicht entlassen worden sind. Wurde der erste Vertrag erst aufgehoben, nachdem die Kläger einen im wesentlichen inhaltsgleichen Vertrag mit einem anderen Vertragspartner, der aber mit dem ersten Vertragspartner personell verbunden war, abgeschlossen hatten, so wäre die ursprünglich bestehende Bindung im Hinblick auf die Errichtung des Gebäudes dadurch tatsächlich nicht aufgehoben worden. Für eine Herabsetzung der Grunderwerbsteuer bestünde keine Möglichkeit (§ 16 GrEStG 1983). Eine Herabsetzung wäre jedoch dann möglich, wenn die Aufhebung des ersten Vertrags allein durch den Konkurs der GmbH ausgelöst worden wäre. Die dazu getroffenen Feststellungen des FG sind nicht ausreichend, dies ist im zweiten Verfahrensgang ggf. nachzuholen.

Der Senat weist darüber hinaus darauf hin, daß ein paralleler Geschehensablauf beim Erwerb der anderen Miteigentumsanteile an dem Grundstück ein starkes Indiz dafür sein kann, daß Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417022

BFH/NV 1991, 263

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