Entscheidungsstichwort (Thema)

Bebautes Grundstück als einheitlicher Vertragsgegenstand

 

Leitsatz (NV)

1. Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen auf, so ist es für das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen dem Grundstückskaufvertrag und den Verträgen, die der Errichtung des Gebäudes dienen, und damit für die Annahme eines einheitlichen Vertragsgegenstandes "bebautes Grundstück" notwendig, daß diese aufgrund vertraglicher Abrede bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß aller Verträge hinzielen. Der Abschluß eines schriftlichen Vertrags ist nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 1993 II R 65/90, BFH/NV 1994, 407 m. w. N.).

2. Lassen sich die Vertragspartner des Grunderwerbers beim Abschluß der Verträge vertreten, kommt es für die Frage der "Zusammenarbeit" auf der Veräußererseite (auch) auf das abgestimmte Verhalten des oder der Vertreter an. Ein abgestimmtes Verhalten ist deshalb insbesondere anzunehmen, wenn sich durch das Bestehen von Vertretungsverhältnissen die Rechtsmacht, das Grundstück zu veräußern sowie die Bauverträge abzuschließen, in einer Person bündelt, d. h., wenn sowohl der Grundstückseigentümer als auch der Erbringer von Bauleistungen ein und dieselbe Person mit ihrer Vertretung beauftragen.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Eigentümerin eines Grundstücks hatte die Z-GmbH mit dem Verkauf ihres Grundstücks beauftragt. Gesellschafter der Z- GmbH war u. a. B. Z. Dieser warb im Januar 1986 in Zeitungsinseraten für "X-Fertighäuser" und bot in diesem Zusammenhang das streitige Grundstück inkl. Bebauung mit einer X-Doppelhaushälfte zu einem Preis von 360 000 DM an.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 31. Januar 1986 eine Teilfläche von 377 qm des o. g. Grundstücks zu einem Kaufpreis von 195 000 DM. Der Vertrag kam durch Vermittlung der Z-GmbH zustande. Am 9. Februar 1986 beauftragten die Kläger B. Z. mit der Baubetreuung gegen ein Entgelt von 7 000 DM. Am selben Tage bestellten die Kläger unter Vermittlung von B. Z. bei der A-Wohnungsunternehmung GmbH & Co. eine X-Doppelhaushälfte für 180 900 DM. Der Auftrag wurde durch Schreiben vom 27. Februar 1986 bestätigt. Durch einen Zusatzauftrag der Kläger vom 23. Mai 1986 erhöhte sich der Kaufpreis um 22 493,03 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) beurteilte den Grundstückskaufvertrag vom 31. Januar 1986 sowie die zwecks Bebauung des Grundstücks seitens der Kläger erteilten Aufträge vom 9. Februar bzw. 23. Mai 1986 als ein einheitliches Vertragswerk und setzte die Grunderwerbsteuer (mit Einspruchsentscheidungen vom 26. Februar 1987) gegen die Kläger auf jeweils 4 053 DM fest. Dabei rechnete es neben dem Kaufpreis für das Grundstück auch die Baubetreuungsgebühr, den Kaufpreis für die Lieferung des Fertighauses sowie das Entgelt für den Zusatzauftrag vom 23. Mai 1986 zur Gegenleistung.

Das Finanzgericht (FG) hat unter Abänderung der Grunderwerbsteuerbescheide und der Einspruchsentscheidungen die Steuer auf jeweils 1 950 DM ermäßigt und ausgeführt, Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei lediglich das unbebaute Grundstück. Bemessungsgrundlage sei deshalb auch nur der Kaufpreis hierfür in Höhe von zusammen 195 000 DM.

Der Kaufvertrag bilde mit den übrigen Verträgen keine rechtliche Einheit. Es sei nicht hinreichend ersichtlich, daß die Verträge voneinander abhängen sollten. Selbst wenn ein einheitlicher Vertrag zustande gekommen wäre, unterliege der Grunderwerbsteuer nur der Teil der Gegenleistung, der sich auf die Grundstücksübereignung beziehe. Denn es könne nicht angenommen werden, daß sich die Grundstücksveräußerin zur Übereignung eines bebauten Grundstücks verpflichtet hätte.

Das FG halte ferner die Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH), daß lediglich ein objektiver Zusammenhang zwischen mehreren Verträgen zu einem einheitlichen Vertragswerk führen könne, für eine unzulässige steuerverschärfende Analogie. Wegen der Einzelheiten werde auf das der Vorentscheidung auszugsweise beigefügte Urteil des FG vom 15. November 1990 I 338--339/86 (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1991, 496) Bezug genommen.

Die Steuerfestsetzung sei auch nicht unter Berücksichtigung des Wirkens eines Initiators begründet. Der BFH habe zwar bei der Erörterung des Erwerbs "aus einer Hand" ausgeführt, daß sogar beim Auftreten mehreren Personen auf der Veräußererseite ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen bestehen könne, insbesondere könne sich die Verflechtung der Verträge aus der Stellung des Projektanbieters ergeben. Diese Rechtsprechung verstehe das FG so, daß ein Initiator kraft seiner Rechtsmacht bewirken müsse, daß ein unbebautes Grundstück beim Erwerber als bebautes ankomme. Es könne jedoch dahinstehen, ob der BFH diese Rechtsprechung neben der zum "objektiven Zusammenhang" unverändert und in vollem Umfang aufrechterhalte. Denn das FG könne in derartigen Fällen keinen für die Steuerbarkeit erforderlichen derivativen Erwerb des Bauherrn hinsichtlich des Bauwerks erkennen.

Die Rechtsprechung des BFH, wonach es für die Frage des Gegenstandes des Erwerbsvorganges u. a. auch darauf ankomme, ob eine Bindung des Grundstückser werbes im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs hinsichtlich des "Ob" und "Wie" der Bebauung bestehe, sei bedenklich. Sie entspreche nicht dem Bestimmtheitsgebot und stelle unter Verletzung des Steuergeheimnisses auf Vorgänge ab, von denen die Kläger keine Kenntnis hätten und auf die sie deshalb auch keinen Einfluß nehmen könnten.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983. Nach den vom BFH entwickelten Grundsätzen zum sog. einheitlichen Vertragsgegenstand hätten die Kläger ein bebautes Grundstück erworben. Der sachliche Zusammenhang der Verträge ergebe sich aus der Stellung des B. Z. Dieser habe als Grundstücksmakler den Zugang zum streitbefangenen Grundstück reguliert und dadurch die von ihm geplante Bebauung des Gesamtgrundstücks mit den vorgesehenen Doppelhaushälften sichergestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um abschließend prüfen zu können, ob Gegenstand des Erwerbsvorgangs der Kläger das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude ist.

1. Der Grundstückskaufvertrag vom 31. Januar 1986 ist ein Rechtsvorgang, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegt. Die Steuer dafür bemißt sich nach dem Wert der Gegenlei stung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Zur Gegenleistung gehört bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).

Für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist entscheidend, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. z. B. BFH- Urteile vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898; vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, 287, BStBl II 1990, 590; vom 5. Februar 1992 II R 110/88, BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357 sowie -- zu § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 --; BFH-Urteil vom 11. März 1981 II R 77/78, BFHE 133, 230, 231, BStBl II 1981, 537 m. w. N.); denn Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen kann das Grundstück in dem Zustand sein, den es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat, oder in einem (künftigen) Zustand, in den es erst zu versetzen ist.

Der für den Umfang der Gegenleistung maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird nicht nur bestimmt durch das den Übereignungsanspruch begründende Rechtsgeschäft selbst, sondern -- ggf. -- auch durch mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen, die insgesamt zu dem Erfolg führen, daß der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält (BFH-Urteile vom 18. Oktober 1989 II R 143/87, BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183, und II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181 sowie in BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590, und in BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357).

Sind, wie im Streitfall, vom Erwerber (Kläger) Verträge über den Erwerb des Grundstücks und über die Errichtung eines Gebäudes abgeschlossen worden, so ist zu prüfen, ob die mehreren Verträge darauf abzielen, dem Erwerber ein Grundstück in bebautem Zustand und Gebäude zu verschaffen (objektiver enger sachlicher Zusammenhang). Maßgebend ist der Gesamtinhalt der Verträge unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --; BFH-Urteil vom 4. Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609, und BFH-Beschluß vom 18. September 1985 II B 24--29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627).

Ein derartiger enger sachlicher Zusammenhang zwischen zivilrechtlich getrennten Verträgen liegt danach u. a. dann vor, wenn ein Veräußerer einem Erwerber aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht ganz konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot als einheit liches annimmt oder nur insgesamt annehmen kann. Der objektive enge sachliche Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und zur Errichtung des Gebäudes abgeschlossenen Verträgen wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß, wie im Streitfall, zuerst der Grundstückskaufvertrag abgeschlossen wird. Maßgebend ist, ob der Erwerber in diesem Zeitpunkt in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Bebauung noch frei ist oder nicht. Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1991 II R 133/87, BFHE 164, 117, BStBl II 1991, 532).

Treten -- wie im Streitfall -- auf der Veräußererseite mehrere Personen auf, so ist es für das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den Verträgen notwendig, aber auch ausreichend, wenn diese aufgrund einer vertraglichen Abrede bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß aller Verträge hinzielen. Der Abschluß eines schriftlichen Vertrags ist insoweit nicht erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 22. September 1993 II R 65/90, BFH/NV 1994, 407 m. w. N.). Es ist zu prüfen, ob die mehreren Verträge aufgrund objektiv erkennbar abgestimmten Verhaltens darauf abzielen, dem Erwerber ein Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude zu verschaffen (vgl. Senatsurteil vom 11. Mai 1994 II R 62/91, BFH/NV 1994, 901). Lassen sich die Vertragspartner des Grunderwerbers beim Abschluß der Verträge vertreten, kommt es für die Frage der "Zusammenarbeit" auf der Veräußererseite (auch) auf das abgestimmte Verhalten des oder der Vertreter an. Ein abgestimmtes Verhalten ist deshalb insbesondere anzunehmen, wenn sich wie im Streitfall durch das Bestehen von Vertretungsverhältnissen die Rechtsmacht, das Grundstück zu ver äußern sowie die Bauverträge abzuschließen, in einer Person bündelt, d. h., wenn sowohl der Grundstückseigentümer als auch der Erbringer von Bauleistungen ein und dieselbe Person mit ihrer Vertretung beauftragen.

An dieser nunmehr ständigen Rechtsprechung hält der Senat fest. Die dagegen erhobenen Einwendungen des FG überzeugen nicht. Nach den von der Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsätzen ist der Gegenstand des Erwerbsvorgangs nicht nur dem tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäft (z. B. Grundstückskaufvertrag) selbst zu entnehmen, sondern ggf. auch mit diesem im Zusammenhang stehenden weiteren Rechtsgeschäften. Diese Auffassung beruht auf einer am Sinn und Zweck des Gesetzes orientierten Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983, die die verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Gesetzesauslegung nicht überschreitet und auch nicht auf einem verfassungsrechtlich unzulässigen Analogieschluß beruht (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212; BFH in BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183; in BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590, und in BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357).

2. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das FG zurückzuverweisen.

Das FG hat es auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung unterlassen, ausreichende tatsächliche Feststellungen zu der Frage zu treffen, ob die Kläger bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages am 31. Januar 1986 hinsichtlich des "Ob" und "Wie" der Bebauung gebunden waren. Insbesondere hat das FG nicht untersucht, ob die Kläger z. B. durch mündliche Absprachen oder durch sonstige Umstände faktisch auf die von B. Z. entwickelten Baupläne festgelegt waren.

Hierbei ist zu beachten, daß der objektive enge sachliche Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und zur Errichtung des Gebäudes abgeschlossenen Verträgen nicht allein dadurch ausgeschlossen wird, daß zeitlich zuerst der Grundstückskaufvertrag abgeschlossen wurde. Eine Bindung an eine bestimmte Bebauung kann sich auch aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben. Ob hier solche Absprachen oder faktische Zwänge vorlagen, hätte das FG untersuchen müssen, zumal sich aus dem Umstand, daß B. Z. Grundstück und Gebäude einheitlich angeboten hat, dessen wirtschaftliches Interesse an einer Bindung der Kläger an die vorgesehene Bebauung mit einem Doppelhaus in Fertigbauweise ergibt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Senatsentscheidung vom 6. März 1991 II R 134/87 (BFH/NV 1991, 626) hingewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420163

BFH/NV 1995, 265

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