Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbleibensvoraussetzung bei Vermietung von Sattelaufliegern

 

Leitsatz (NV)

1. Ein bewegliches Wirtschaftsgut (Sattelauflieger) verbleibt i. S. von § 4 b Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1982 nicht mindestens drei Jahre lang in einem Betrieb (Betriebsstätte) des Investors, wenn dieser es langfristig an einen Dritten vermietet.

2. Es kommt danach auf die Verhältnisse beim Mieter an. Unterhält dieser im Inland weder einen Betrieb noch eine Betriebsstätte, so ist die InvZul nach § 4 b InvZulG auch dann nicht zu gewähren, wenn das Wirtschaftsgut ausschließlich betrieblich genutzt und überwiegend im Inland eingesetzt wird.

 

Normenkette

InvZulG 1982 § 4b; AO 1977 § 13

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ein Speditionsunternehmen, begehrte mit Antrag vom 25. April 1984 für das Jahr 1983 eine Beschäftigungszulage nach § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 für Sattelanhänger (Trailer), die sie am 29. Dezember 1982 bestellt hatte und die ihr am 23. Dezember 1983 vom Hersteller geliefert worden waren. Die Anschaffungskosten hierfür betrugen insgesamt . . . DM. Bei einem Vergleichsvolumen von 0 DM setzte das damals zuständige Finanzamt A die Investitionszulage 1983 antragsgemäß auf . . . DM fest.

Bei einer Investitionszulage-Sonderprüfung stellte das Finanzamt A jedoch fest, daß die Klägerin die Sattelanhänger vom 1. Januar 1984 an für drei Jahre an ein ausländisches Unternehmen vermietet hatte. Die aufgrund einer zunächst nur mündlich getroffenen, später am 31. Dezember 1984 und am 3. Januar 1985 auch schriftlich fixierten Mietvereinbarung überlassenen 10 ,,Jumbo-Sattelauflieger" wurden in der Regel mit deutschen, gelegentlich auch mit ausländischen Zugmaschinen im grenzüberschreitenden Rundverkehr je nach Bedarf eingesetzt. Die Zugmaschinen gehörten unterschiedlichen und stets wechselnden Transportunternehmen, die von der Mieterin beauftragt wurden. Ständiger Vertragspartner der Mieterin in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) war eine Schwestergesellschaft der Klägerin, die nach Weisung der Mieterin zu Vertragsabschlüssen bevollmächtigt war. Der Mieterin stand die alleinige Verfügungsgewalt über die Anhänger zu; sie bestimmte, welche Frachten auf welchen Touren im einzelnen zu befördern waren. Die Anhänger waren für die Zeit der Vermietung in A amtlich zugelassen und hatten die inländische zollamtliche Anerkennung für den internationalen Güterverkehr (TIR). Entgegen der Mietvereinbarung wurden die Anhänger von der Klägerin in A gewartet und instandgehalten sowie dem deutschen TÜV und dem Zoll zur Verlängerung des TIR-Zertifikats vorgeführt.

Das Finanzamt A änderte daraufhin seinen ursprünglichen Bescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und setzte die Investitionszulage 1983 mit der Begründung auf 0 DM herab, die Klägerin habe die Verbleibensvoraussetzung in § 4 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 c, bb InvZulG 1982 nicht erfüllt.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat seine Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 321 veröffentlicht. Während des Klageverfahrens übernahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die sachliche Zuständigkeit.Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie macht insbesondere geltend:

Die Sattelauflieger seien im Inland verblieben. Zwar habe die Mieterin selbst weder einen Betrieb noch eine Betriebsstätte im Inland unterhalten; sie habe jedoch in ihrer, der Klägerin, Schwestergesellschaft einen ständigen Vertreter i. S. des § 13 AO 1977 gehabt und daher in dieser Form über eine inländische Betriebsstätte verfügt. Im übrigen entspreche die Drei-Monats-Regelung der Rechtsprechung (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1986 III R 66/85, BFHE 147, 193, BStBl II 1986, 916) nicht dem Gesetz. Der Begriff des Verbleibens sage nur etwas über die Zugehörigkeit zum betrieblichen Anlagevermögen des Vermieters aus (Hinweis auf Loos, Der Betrieb - DB - 1987, 504). Abgesehen davon sei die Drei-Monats-Regelung im Streitfall nicht anwendbar. Der BFH habe mit dieser Regelung nur verhindern wollen, daß die begünstigten Wirtschaftsgüter nach der Vermietung mangels Sachherrschaft des Investors nicht mehr gewerblich genutzt würden. Bei einer Vermietung an Gewerbetreibende sei allein auf die überwiegende gewerbliche Nutzung der Wirtschaftsgüter abzustellen (BFH-Urteile vom 4. November 1977 III R 145/74, BFHE 124, 470, BStBl II 1978, 353, und vom 7. März 1980 III R 92/78, BFHE 130, 221, BStBl II 1980, 412). Im Streitfall aber habe sie, die Klägerin, auch weiterhin die Sachherrschaft über die Sattelauflieger ausgeübt; denn der Einsatzmittelpunkt habe sich in A befunden, die Sattelauflieger seien auch nach der Vermietung gewerblich genutzt worden und im Verkehr zwischen In- und Ausland eingesetzt worden (Hinweis auf Tz. 46 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 16. Juni 1982, BStBl I 1982, 569, 574).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Anspruch der Klägerin auf Gewährung der Investitionszulage nach § 5 Abs. 6 letzter Satz InvZulG 1982 erloschen ist, weil die in § 4 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 c, bb InvZulG 1982 geregelte Verbleibensvoraussetzung nicht erfüllt worden ist.

1. Nach § 4 b Abs. 1 InvZulG 1982 wird Steuerpflichtigen für ,,begünstigte Investitionen" auf Antrag eine Investitionszulage gewährt, ,,die sie in einem Betrieb oder einer Betriebsstätte im Inland vornehmen". Als begünstigte Investitionen führt § 4 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1982 u. a. die Anschaffung oder Herstellung abnutzbarer unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens auf, soweit sie nicht zu den geringwertigen Wirtschaftsgütern gehören und mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einem Betrieb oder einer Betriebsstätte im Inland verbleiben.

a) Hat der Steuerpflichtige das von ihm angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut einem anderen zur Nutzung überlassen, so ist nach der Rechtsprechung des Senats vorrangig zu prüfen, wo das Wirtschaftsgut verblieben ist; denn die Entscheidung darüber, ob das Wirtschaftsgut ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird, ist nach den Verhältnissen desjenigen zu beurteilen, bei dem das Wirtschaftsgut verblieben ist (BFH-Urteil in BFHE 147, 193, BStBl II 1986, 916).

b) Den in verschiedenen zulagerechtlichen Vorschriften enthaltenen Begriff ,,Verbleiben" hat der Senat in ständiger Rechtsprechung als eine dauerhafte räumliche bzw. tatsächliche Beziehung des Wirtschaftsguts zu dem Betrieb oder der Betriebsstätte verstanden (vgl. BFH in BFHE 147, 193, BStBl II 1986, 916, m. w. N.). Wie der Senat weiter entschieden hat, bleibt ein Wirtschaftsgut im Falle der Vermietung nur dann noch dauerhaft und räumlich mit dem Betrieb des Investors verbunden, wenn es einem Dritten nur kurzfristig zur Nutzung überlassen wird. Als kurzfristig ist dabei ein Zeitraum von bis zu drei Monaten je Vermietung anzusehen. Wird diese Frist im Einzelfall nicht überschritten, ist regelmäßig davon auszugehen, daß ein Investor die tatsächliche Gewalt über einen vermieteten Gegenstand innerhalb kurzer Zeit wiedererlangt (BFH-Urteile in BFHE 147, 193, BStBl II 1986, 916, und vom 10. März 1989 III R 138/84, BFH/NV 1989, 806).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall sind die auf die Dauer von drei Jahren vermieteten Trailer nicht im Betrieb der Klägerin verblieben.

a) Mit dem dagegen gerichteten Einwand der Klägerin, der Begriff des Verbleibens erfordere lediglich eine andauernde Zugehörigkeit des Wirtschaftsgutes zum Anlagevermögen des Investors, hat sich der Senat bereits mehrfach auseinandergesetzt. Da der Streitfall insoweit keine Besonderheiten zeigt, verweist der Senat auf seine dazu ergangenen Entscheidungen (BFH-Urteile vom 25. Oktober 1985 III R 79/82, BFHE 145, 479, BStBl II 1986, 150, und vom 14. Juli 1989 III R 29/88, BFHE 157, 472, BStBl II 1989, 903). Auch der Hinweis auf die BFH-Urteile in BFHE 124, 470, BStBl II 1978, 353, und BFHE 130, 221, BStBl II 1980, 412, wonach nur auf die überwiegende betriebliche Nutzung der Wirtschaftsgüter abzustellen sei, geht fehl; denn insoweit handelt es sich nicht um Vermietungsfälle, sondern um Fälle einer gemischten Nutzung durch den Investor.

b) Soweit die Klägerin ein Verbleiben der Wirtschaftsgüter in ihrem Betrieb aufgrund ihrer tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit auf die vermieteten Anhänger und damit eine Ausnahme von der Drei-Monats-Regelung herleitet, vermag ihr der erkennende Senat nicht zu folgen. Für die Entscheidung des Senats vom 23. Mai 1986 III R 144/85 (BFHE 147, 195, BStBl II 1986, 919) war dieses Kriterium zwar ausschlaggebend; auch hat der Senat in seinem eine Vollziehungsaussetzung nach § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) betreffenden Beschluß vom 24. April 1986 III B 55/85 (BFHE 146, 329, BStBl II 1986, 573) angedeutet, die Möglichkeit der Einflußnahme des Investors auf das Wirtschaftsgut könne als übergeordnetes Prinzip Ausnahmen von der Verbleibregelung rechtfertigen. Nachdem der Senat diese Erwägungen in seinem Urteil vom 20. Mai 1988 III R 86/83 (BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739 zu 2 d) jedoch ausdrücklich wieder aufgegeben hat, kann das Merkmal der tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit des Steuerpflichtigen nur für Fälle einer kurzfristigen, drei Monate nicht überschreitenden Gebrauchsüberlassung von Wirtschaftsgütern von Bedeutung sein (BFH in BFHE 157, 472, BStBl II 1989, 903); in derartigen Fällen verbleibt das Wirtschaftsgut trotz Vermietung im Betrieb des Investors, weil dieser regelmäßig innerhalb kurzer Frist wieder die tatsächliche Gewalt über das vermietete Wirtschaftsgut wiedererlangt (BFH in BFHE 147, 193, BStBl II 1986, 916).

3. a) Sind die vermieteten Trailer danach nicht im Betrieb der Klägerin verblieben, so kommt es auf die Verhältnisse beim Mieter an (BFHE 147, 193, BStBl II 1986, 916), der die Verbleibensvoraussetzung in einem Betrieb oder einer Betriebsstätte im Inland erfüllen muß (§ 4 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 c, bb InvZulG). Nach den Feststellungen des FG hatte die Mieterin im Inland weder einen Betrieb noch eine Betriebsstätte unterhalten. Dies aber ist - worauf das FG zutreffend hingewiesen hat - Voraussetzung für die Anwendung der von der Finanzverwaltung zugelassenen Ausnahmeregelung bei Transportmitteln (BMF-Schreiben vom 16. Juni 1982, a. a. O., Tz. 46).

b) Entgegen der Auffassung der Revision hatte die Mieterin aber auch nicht dadurch eine inländische Betriebsstätte unterhalten, daß die Schwestergesellschaft der Klägerin als ihr ständiger Vertreter gemäß § 13 AO 1977 im Inland auftrat. Zwar konnten nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 des Steueranpassungsgesetzes u. a. auch die dem ständigen Vertreter eines Unternehmers dienenden Geschäftseinrichtungen als Betriebsstätten angesehen werden; diese Fiktion galt indessen nur für den Fall, daß es sich um die Geschäftseinrichtung des Vertretenen gehandelt hatte (vgl. BFH-Beschluß vom 9. März 1962 I B 156/58 S, BFHE 74, 614, BStBl III 1962, 227). Abgesehen davon, daß im Streitfall solche Verhältnisse, die auch nach neuem Recht eine Betriebsstätte begründen könnten, nicht vorgelegen haben, scheitert die Berufung auf den ständigen Vertreter i. S. des § 13 AO 1977 bereits am eindeutigen Wortlaut des § 4 b InvZulG, der auf Investitionen und ein Verbleiben der Wirtschaftsgüter in einem Betrieb oder einer Betriebsstätte abstellt und damit zugleich eine Förderung der Beschäftigung im Inland bezweckt.

4. Da die Vermietung der Trailer dem FA erst nachträglich anläßlich einer Sonderprüfung bekannt geworden war, lagen auch die Voraussetzungen einer Änderung des ursprünglichen Bescheids über die Gewährung einer Investitionszulage nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 i. V. m. § 5 Abs. 5 InvZulG 1982 vor. Die Revision konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417697

BFH/NV 1991, 626

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