Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlustausgleich nach § 2 Abs. 1 AIG auch für landwirtschaftliche Verluste

 

Leitsatz (NV)

Ein Verlustausgleich nach § 2 Abs. 1 des Auslandsinvestitionsgesetzes vom 18. August 1969 (BGBl I 1969, 1211, 1214) ist für Veranlagungszeiträume ab 1. Januar 1977 auch für Verluste möglich, die in Betriebstätten der Land- und Forstwirtschaft entstanden sind.

 

Normenkette

AuslInvG § 2 Abs. 1; AO § 12

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Klägerin erwarb im Jahre 1976 die . . . Ranch in . . . (USA). In dem Betrieb wurden zunächst folgende Verluste erzielt:

1976 9 133 DM,

1977 163 261 DM,

1978 791 475 DM,und

1979 677 131 DM.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) handelt es sich hierbei um Anlaufverluste, die im wesentlichen durch vorbereitende Arbeiten zur Aufnahme der ersten Bepflanzung entstanden sind. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte es bei der Einkommensteuerveranlagung der Kläger für das Streitjahr 1977 ab, den für dieses Jahr geltend gemachten Verlust aus dem Betrieb der Farm gemäß § 2 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG) abzuziehen. Nach Ansicht des FA ist die Vorschrift des § 2 AIG nur auf Verluste aus gewerblichen Betriebstätten anwendbar.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren machten die Kläger im Klageverfahren geltend, die Steuervergünstigung des § 2 Abs. 1 AIG könne nicht auf Verluste aus gewerblichen Betriebstätten beschränkt werden. Der ab 1. Januar 1977 geltende Betriebstättenbegriff der Abgabenordnung - AO 1977 - (§ 12 AO 1977), der der Anwendung des § 2 Abs. 1 AIG zugrunde zu legen sei, umfasse auch landwirtschaftliche Betriebstätten.

Das FG gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte (- EFG - 1986, 8). Nach Auffassung des FG ist für die Anwendung des § 2 Abs. 1 AIG der (,,erweiterte") Betriebstättenbegriff des § 12 AO 1977 maßgebend. Hiernach sei als Betriebstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage anzusehen, die der Tätigkeit des Unternehmens diene. Als ,,Unternehmen" seien auch land- und forstwirtschaftliche sowie freiberufliche Unternehmen anzusehen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zu Recht angenommen, daß der von den Klägern für das Streitjahr 1977 geltend gemachte Verlust aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin in den USA nach § 2 Abs. 1 AIG berücksichtigt werden kann.

1. Unbeschränkt steuerpflichtige Personen, d.h. Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), werden grundsätzlich mit ihrem gesamten Einkommen (,,Welteinkommen") zur Einkommensteuer herangezogen, also ohne Rücksicht darauf, wo die sachlichen Tatbestandsmerkmale der Besteuerung erfüllt werden. Hiernach unterliegen auch die im Ausland erzielten (positiven und negativen) Einkünfte der deutschen Einkommensteuer, es sei denn, daß das Besteuerungsrecht nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) einem anderen Staat zusteht.

Ein DBA bewirkt, daß die Einkünfte, die das Abkommen dem anderen Staat zuteilt, bei der Ermittlung des inländischen Einkommens außer Ansatz bleiben (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Februar 1976 I R 150/73, BFHE 118, 334, BStBl II 1976, 454). Diese Befreiung der Einkünfte von der deutschen Besteuerung hat zur Folge, daß auch die in dem anderen Staat erzielten negativen Einkünfte (Verluste) bei der deutschen Besteuerung nicht berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 28. April 1983 IV R 122/79, BFHE 138, 336, BStBl II 1983, 566).

Der Umstand, daß die in DBA-Ländern entstandenen Verluste mit den im Inland erzielten Gewinnen bei der Einkommensteuerveranlagung nicht ausgeglichen werden können, kann in gewissem Umfang durch die Inanspruchnahme der Vergünstigung nach § 2 Abs. 1 AIG gemildert werden. Die Vorschrift sieht für bestimmte ausländische Verluste, die nach dem Recht der DBA im Inland nicht berücksichtigt werden, einen Verlustausgleich bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte vor.

2. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG hatte in ihrer ursprünglichen Fassung (Art. 2 des Steueränderungsgesetzes - StÄndG - 1969 vom 18. August 1969, BGBl I 1969, 1214, BStBl I 1969, 480) folgenden Wortlaut:

,,Sind nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen aus einer in einem ausländischen Staat belegenen Betriebsstätte stammende Einkünfte von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer zu befreien, so ist auf Antrag des Steuerpflichtigen ein Verlust, der sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes bei diesen Einkünften ergibt, bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte insoweit abzuziehen, als er nach diesem Abkommen zu befreiende positive Einkünfte aus anderen in diesem ausländischen Staat belegenen Betriebstätten übersteigt."

Diese Fassung des § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG galt auch noch im Streitjahr 1977.

Nach der im Jahr 1977 bestehenden Gesetzeslage kommen für einen Verlustausgleich nach § 2 Abs. 1 AIG auch Verluste in Betracht, die in land- und forstwirtschaftlichen Betriebstätten erzielt wurden.

a) Mit der Schaffung des § 2 AIG durch Art. 2 StÄndG 1969 (BGBl I 1969, 1214, BStBl I 1969, 480) wollte der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BFH abmildern, nach der die in den Betriebstätten in DBA-Ländern erzielten Verluste bei der Ermittlung der Inlandseinkünfte nicht berücksichtigt werden können (Krabbe, Verlustberücksichtigung bei Auslandseinkünften, in Vogel - Hrsg. -, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, S. 79, 82). Das AIG sollte ,,steuerliche Hemmnisse, die sich bei Auslandsinvestitionen besonders störend auswirken, beseitigen und dadurch dazu beitragen, daß die allgemein für dringend erachtete Steigerung der deutschen Direktinvestitionen im Ausland nicht durch Bestimmungen des deutschen Steuerrechts behindert wird" (Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses zu BTDrucks V/4287). Es sollten deshalb u.a. Anrechnungsmöglichkeiten für Verluste eingeführt werden, die von den in den DBA-Ländern belegenen gewerblichen Betriebstätten erzielt werden.

b) Der Gesetzgeber hat die Verlustverrechnungsmöglichkeit nach § 2 Abs. 1 AIG zunächst auf die in den gewerblichen Betriebstätten entstandenen Verluste begrenzt. Es sollten nur Verluste aus denjenigen Einkünften berücksichtigt werden, ,,die aus einer in einem ausländischen Staat belegenen Betriebstätte" stammen. ,,Betriebstätte im Sinne der Steuergesetze" war nach der Begriffsbestimmung, die zur Zeit des Inkrafttretens des AIG (1969) - und auch in den folgenden Jahren - galt, ,,jede feste örtliche Anlage, die der Ausübung des Betriebs eines stehenden Gewerbes dient (§ 16 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -); von dieser Begriffsbestimmung wurden somit keine Betriebstätten umfaßt, die der Land- und Forstwirtschaft oder der Ausübung eines freien Berufs zuzuordnen waren.

c) Die für die Anwendung des § 2 Abs. 1 AIG maßgebende gesetzliche Bestimmung des Betriebstättenbegriffs ist dann später durch das Inkrafttreten der AO 1977 geändert worden. Seit diesem Zeitpunkt (1. Januar 1977) ist nach § 12 Abs. 1 AO 1977 Betriebstätte ,,jede feste geschäftliche Einrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient". Im Verhältnis zu § 16 StAnpG ist dieser Betriebstättenbegriff weiter gefaßt. Denn für den Begriff der Betriebstätte wird nicht mehr auf ,,den Gewerbebetrieb", sondern auf ,,das Unternehmen" abgestellt; es werden auf diese Weise auch Betriebstätten erfaßt, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft und der selbständigen Arbeit zuzuordnen sind.

Daß dieser - durch § 12 AO 1977 geänderte - Inhalt des Betriebstättenbegriffs auch für die Anwendung des § 2 AIG maßgebend sein sollte, ergibt sich aus der gesetzlichen Begründung zu § 12 AO 1977 (im Entwurf: § 11). Dort (BTDrucks VI 1982, 103) heißt es:

,,Diese Vorschrift übernimmt nach dem Vorbild des § 16 StAnpG die Begriffsbestimmung der Betriebstätte, paßt sie jedoch an die neuere Rechtsentwicklung an. Der Begriff der Betriebstätte hat seine hauptsächliche Bedeutung für die im Rahmen der unbeschränkten und der beschränkten Steuerpflicht zu treffende Abgrenzung der inländischen Besteuerung gegenüber dem Ausland sowie für bestimmte steuerliche Investitionsmaßnahmen (Auslandsinvestitionsgesetz, Entwicklungshilfe-Steuergesetz, Berlinhilfegesetz).

Der Betriebstättenbegriff ist in § 11 jetzt so definiert, daß er den Bedürfnissen aller in Betracht kommenden Steuern Rechnung trägt. Soweit für einzelne Steuerarten ergänzende Vorschriften benötigt werden, müssen diese in dem betreffenden Einzelsteuergesetz geregelt werden."

Obwohl der Gesetzgeber durch das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO 1977) vom 14. Dezember 1976 (BGBl I 1976, 3341, BStBl I 1976, 694) zahlreiche Gesetze zur Anpassung an die neue AO geändert hat, ist das AIG nicht geändert oder ergänzt worden. Daraus ist zu folgern, daß der erweiterte Betriebstättenbegriff der AO 1977 auch für das AIG gelten sollte (so auch Krabbe, Recht der internationalen Wirtschaft 1978, 240; Blümich / Falk, Einkommensteuergesetz, § 2 AIG Tz. 9 f.; Richter in Flick / Wassermeyer / Becker, Außensteuergesetz, 4. Aufl., 1985, § 2 AIG Tz. 47 ff.; Mayer-Wegelin in Hartmann / Böttcher / Nissen / Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 2 AIG Tz. 11; Orth, Finanz-Rundschau 1983, 1, Fußnote 6; Tipke / Kruse, Abgabenordnung / Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 12 AO 1977 Tz. 1).

d) Erst durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 20. August 1980 - StÄndG 1980 - (BGBl I 1980, 1545, BStBl I 1980, 589, 597) ist für Verluste, die in dem nach dem 31. Dezember 1979 beginnenden Wirtschaftsjahr entstehen, eine Änderung eingetreten. Nach der nunmehr maßgebenden neuen Fassung des § 2 Abs. 1 AIG sind nur noch solche Verluste aus einer ausländischen Betriebstätte begünstigt, die aus einer ,,gewerblichen Tätigkeit" herrühren. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, daß - entgegen den Ausführungen in der Begründung zum StÄndG 1980 (vgl. BTDrucks 8/3648, 30) - in dieser gesetzgeberischen Maßnahme keine ,,Klarstellung" der bisherigen Rechtslage zu sehen ist, sondern eine Rechtsänderung (so auch Blümich / Falk, a.a.O.; Richter in Flick / Wassermeyer / Becker, a.a.O.; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 2 AIG Tz. 8; Orth, a.a.O.; Mayer-Wegelin in Hartmann / Böttcher / Nissen / Bordewin, a.a.O.).

3. Im Streitfall geht es um einen Verlust, der nach § 2 Abs. 1 AIG berücksichtigt werden kann.

a) Die für eine Begünstigung nach § 2 Abs. 1 AIG vorausgesetzte Nichtanrechenbarkeit von Verlusten aufgrund eines DBA ist hier gegeben. Nach dem DBA-USA ,,wird die Bundesrepublik, soweit Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik in Frage stehen", die aus den USA stammenden, vom Abkommen betroffenen Einkommensteile bei der Festsetzung der Steuer von der Besteuerungsgrundlage ausnehmen (Art. XV Abs. 1 Buchst. b DBA-USA). Auch Einkünfte aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in den USA gehören zu diesen von der deutschen Besteuerung auszunehmenden Einkommensteilen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Einkünfte im Sinne des DBA-USA als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. IX Abs. 1 DBA-USA) oder als gewerbliche Einkünfte (Art. III Abs. 1 DBA-USA) anzusehen sind (vgl. hierzu Korn/Debatin, Doppelbesteuerung, Kommentierung zu Art. IX DBA-USA, Anm. 2).

b) Die Entstehung des Verlustes fällt in einen Zeitraum, in dem nach den obigen Ausführungen auch Verluste aus ausländischen Betriebstätten der Land- und Forstwirtschaft begünstigt sein können.

Das FG hat deshalb zu Recht den von der Klägerin im Streitjahr erlittenen Verlust aus der . . .-Ranch in den USA gemäß § 2 Abs. 1 AIG bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen. Dabei unterstellt der Senat, daß die . . .-Ranch als ein mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenes land- und forstwirtschaftliches Unternehmen (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1985 IV R 25/82, BFHE 143, 361, BStBl II 1985, 399) anzusehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414588

BFH/NV 1988, 288

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