Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Gewerbesteuerpflicht für Abfindung wegen vorzeitiger Beendigung eines Hotel-Pachtvertrages

 

Leitsatz (NV)

1. Eine im Rahmen der Aufgabe eines Gewerbebetriebs gezahlte Entschädigung bleibt beim Gewerbeertrag außer Ansatz, wenn sie einkommensteuerrechtlich dem begünstigten Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn i. S. des §16 EStG zuzurechnen ist.

2. Zum "Veräußerungsgewinn" gehören auch Entschädigungen für weggefallene Gewinnaussichten ebenso wie Zuschüsse für bzw. Entschädigungen wegen der Stillegung oder Aufgabe von Betrieben oder Teilbetrieben.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1, § 7; EStG § 16 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte in dem gepachteten Anwesen B- Hotel in A ein Hotel mit Gaststätte betrieben. Im Pachtvertrag vom 1. Dezember 1987 war eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 1992 mit der Option für den Kläger zur Verlängerung um fünf Jahre vereinbart. Die Verpächterin hatte nur in Ausnahmefällen das Recht zur außerordentlichen Kündigung.

Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten kündigte die Verpächterin mit Schreiben vom 8. Mai 1989 den Pachtvertrag fristlos. Die Vertragsparteien einigten sich unter dem 12. Juli 1989 dahin, daß der Pachtvertrag zum 14. Juli 1989 aufgelöst werde. Die Verpächterin zahlte an den Kläger 120 000 DM. Mit der Beendigung des Pachtvertrags gab der Kläger den Hotel- und Gaststättenbetrieb auf. Er erstellte eine Abschlußbilanz zum 31. Juli 1989.

Im Gewerbesteuermeßbescheid für das Streitjahr 1989 vom 17. März 1992 behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die Abfindung von 120 000 DM als laufenden Gewerbeertrag. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 759.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

1. Gemäß §7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt oder vermindert um die in den §§8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Diese materiell rechtliche Verweisung des §7 GewStG gilt ungeachtet der Tatsache, daß der Gewerbeertrag verfahrensrechtlich selbständig zu ermitteln ist (Senatsurteil vom 9. August 1989 X R 110/87, BFHE 158, 520, BStBl II 1990, 195, unter 4. b, m. w. N.).

Zu Recht gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, daß der Grund für die Entstehung des Entschädigungsanspruchs im betrieblichen Bereich des Klägers lag. Da die Aufgabe des Pachtverhältnisses einen betrieblichen Vorgang darstellt, fällt auch die Entschädigung hierfür in den betrieblichen Bereich, wobei unerheblich ist, wofür die Entschädigung im einzelnen geleistet worden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 5. Dezember 1995 VIII R 10/91, BFHE 179, 119, BStBl II 1996, 281, unter 2. a, m. w. N. der Rechtsprechung).

2. Gegenstand der Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Betrieb bezogenen Sachsteuer ist indes nur der durch den laufenden Betrieb anfallende Gewinn (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124; BFH-Urteile vom 17. Dezember 1975 I R 29/74, BFHE 117, 483, BStBl II 1976, 224; vom 1. Februar 1979 IV R 219/75, BFHE 127, 410, BStBl II 1979, 444). "Unter dem Gesichtspunkt der Objektsteuer" werden Vorgänge aus Anlaß der Gründung und der Veräußerung des Betriebes/Teilbetriebes nicht erfaßt (Senatsurteile vom 23. November 1988 X R 1/86, BFHE 155, 521, BStBl II 1989, 376, m.w.N.; vom 24. Oktober 1990 X R 64/89, BFHE 163, 42, BStBl II 1991, 358, unter 2. e). Veräußerungsgewinn und Aufgabegewinn sind in dieser Hinsicht gleichzusetzen (BFH-Urteil vom 8. Mai 1991 I R 33/90, BFHE 165, 191, BStBl II 1992, 437, unter 3.).

3. Eine im Rahmen der Aufgabe eines Gewerbebetriebes gezahlte Entschädigung bleibt beim Gewerbeertrag außer Ansatz, wenn sie einkommensteuerrechtlich dem begünstigten Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn i. S. des §16 EStG zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 11. März 1982 IV R 25/79, BFHE 136, 204, BStBl II 1982, 707). Es handelt sich dann nicht um den laufenden Ertrag eines lebenden Betriebes, sondern um eine mit dessen Beendigung zusammenhängende Leistung.

a) Reichsfinanzhof (RFH) und BFH haben in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß zum Veräußerungspreis alles gehört, was der Veräußerer im Zusammenhang mit der Veräußerung oder der Aufgabe des Betriebes vom Erwerber oder von einem Dritten erhält. Nach dem BFH-Urteil vom 29. Oktober 1970 IV R 141/67 (BFHE 100, 390, BStBl II 1971, 92, unter Bezugnahme auf RFH-Urteil vom 19. Februar 1930 VI A 1618/29, RStBl 1930, 619) ist dem Veräußerungspreis i. S. des §16 Abs. 2 EStG auch eine Entschädigung für den Verzicht auf das noch bestehende Mietrecht an Geschäftsräumen zuzuordnen; hierbei ist unerheblich, wie die Entschädigung beim Leistenden zu behandeln ist. Teile des Veräußerungs-/Aufgabegewinns sind ferner Entschädigungen für wegfallende Gewinnaussichten ebenso wie Zuschüsse für bzw. Entschädigungen wegen der Stillegung oder Aufgabe von Betrieben oder Teilbetrieben, die Abstandssumme für die Überlassung von Geschäftsräumen im Zusammenhang mit einer Geschäftsaufgabe (s. im einzelnen BFH-Urteil in BFHE 117, 483, BStBl II 1976, 224, mit Nachweisen der Rechtsprechung). Den tragenden Grund für diese Entscheidung sieht der BFH im Urteil vom 24. November 1982 I R 60/79 (BFHE 137, 360, BStBl II 1983, 243) darin, daß die Entschädigung "für die Aufgabe eines Betriebs oder Teilbetriebs" bzw. "zur Abgeltung der durch die Betriebseinstellung aufgetretenen Nachteile" gezahlt wurde; hiervon unterscheiden sich die Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach §89 b des Handelsgesetzbuches (HGB) insofern, als der Geschäftsherr mit der Zahlung des Ausgleichsanspruchs lediglich eine Leistung aufgrund des im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe aufgelösten Vertrages erbringt. Der Anspruch aus §89 b HGB ist vielmehr Ausfluß der laufenden Geschäftsvorfälle, wie sie sich aus den vom Betriebsinhaber Dritten gegenüber eingegangenen Geschäftsbeziehungen während des Bestehens des Betriebes ergeben können. Gewinne aus derartigen, ihrer Natur nach laufenden Geschäftsbeziehungen gehören auch dann zum Gewerbeertrag, wenn sie im Zusammenhang mit einer Betriebsaufgabe eingegangen werden (Urteil in BFHE 137, 360, BStBl II 1983, 243).

b) In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der BFH entschieden, daß Versicherungsleistungen, die für die Zerstörung und Beschädigung von Gegenständen des Anlagevermögens gezahlt werden, dem einkommensteuerrechtlich begünstigten Aufgabegewinn zuzuordnen sind und deswegen zu einem gewerbesteuerbefreiten Betriebsaufgabegewinn führen können, wenn sich der Unternehmer in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schadensereignis wegen der Zerstörung des Betriebes zur Betriebsaufgabe entschließt; nicht gewerbesteuerbar ist auch der Versicherungsersatz für Aufräumungs- und Abbruchkosten (Urteil in BFHE 136, 204, BStBl II 1982, 707). Zum "Veräußerungspreis" zählen ferner Entschädigungen i. S. von §24 Nr. 1 EStG, die im Rahmen einer Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes gezahlt werden und nicht -- so bei einer teilweisen Stillegung oder der teilweisen Übertragung eines unselbständigen Betriebsteils -- "in unmittelbarer Sachbezogenheit zu einem lebenden Betrieb stehen", da es sich dann "um eine mit dessen Beendigung zusammenhängende Leistung" handelt (Urteil in BFHE 127, 410, BStBl II 1979, 444 -- zur Stillegung einer Mühle). Eine dem Nießbraucher für die Aufgabe des Nießbrauchs gezahlte Entschädigung ist in voller Höhe als Aufgabegewinn zu erfassen (BFH-Urteil vom 4. November 1980 VIII R 55/77, BFHE 132, 414, BStBl II 1981, 396). Erhält ein Kassenarzt anläßlich der Veräußerung seiner Praxis für den Verzicht auf die Zulassung als Kassenarzt eine monatliche "Ausscheidungsprämie", stehen nach dem BFH-Urteil vom 7. November 1991 IV R 14/90 (BFHE 166, 527, BStBl II 1992, 457) diese Leistungen, auch wenn sie nicht Gegenleistung für die Praxis sind, als "Entschädigungen für entfallende Gewinnaussichten" in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung.

4. Die Vorentscheidung entspricht diesen Grundsätzen.

Das FG hat zu Recht darauf abgestellt, daß die Zahlung des hier streitigen Betrags in unmittelbarem Zusammenhang steht mit der vorzeitigen Auflösung des Pachtvertrages vom 1. Dezember 1987 und zugleich mit der Aufgabe des Betriebes. Es hat weiterhin zutreffend ausgeführt, daß die vom FA für maßgeblich gehaltene Unterscheidung danach, ob die Abfindung nicht Folge, sondern Ursache der Betriebsaufgabe gewesen sei, im geltenden Recht keine Grundlage finde; eine Unterscheidung danach, ob erst ein zu erwartender Aufgabegewinn für die Betriebsaufgabe bestimmend war, habe die Rechtsprechung des BFH bislang nicht getroffen. Die zusammenfassende Erwägung des FG, die Auflösung des Pachtvertrages und die Aufgabe des Betriebes seien "untrennbar miteinander verbunden" und es bestehe ein enger Zusammenhang zwischen der Aufgabe des Betriebes und der erhaltenen Abfindung, trägt die von ihm gezogene rechtliche Schlußfolgerung. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der einkommensteuerrechtlichen Begünstigung des Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinns, wenn wie vorliegend mit einer Abfindung auch künftige Gewinnchancen abgegolten werden sollen und damit der (Geschäfts-)Wert des Unternehmens aus Anlaß der Betriebsaufgabe bzw. Betriebsveräußerung in einem einzigen Realisierungsakt aufgedeckt wird. Gehört die Abstandszahlung zum begünstigten Aufgabegewinn, ist sie nach den vorstehenden Ausführungen zu 3. nicht gewerbesteuerbar.

Ohne Erfolg beruft sich das FA auf das Urteil vom 6. Mai 1982 IV R 56/79 (BFHE 136, 209, BStBl II 1982, 691). Dort hat der BFH entschieden, daß im zeitlichen Zusammenhang mit einer (Teil-)Betriebsveräußerung getätigte Aufwendungen zur Beendigung von Schuldverhältnissen, die dem laufenden Betrieb dienen -- in jenem Streitfall: Abfindung an einen Pächter, die geleistet wird, um diesen zur vorzeitigen Aufgabe seines Pachtrechts an einem Betriebsgrundstück zu bewegen --, keine den Veräußerungsgewinn belastenden Betriebsausgaben sind, vielmehr den laufenden Gewinn mindern. Dies wird im wesentlichen mit dem Hinweis darauf begründet, daß zur Annahme eines den Veräußerungsgewinn beeinflussenden Vorgangs ein nur zeitlicher Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung nicht genüge. In jenem Fall sei, so der BFH, die Veräußerung nur der "äußere Anlaß für die Aufwendungen". Der erkennende Senat hält dies unter dem auch vom FG betonten Gesichtspunkt für zutreffend, daß seinerzeit die Beendigung des Pachtvertrages -- anders als im Streitfall -- nicht zwangsläufig Folge der Betriebsveräußerung war.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 1354

DStZ 1998, 802

HFR 1998, 919

ZKF 2000, 10

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