Leitsatz (amtlich)

1. Zum Veräußerungspreis im Sinne von § 16 Abs. 2 EStG zählt alles, was der Veräußerer im Zusammenhang mit der Veräußerung vom Erwerber erhält. Hierzu gehört auch eine Entschädigung für den Verzicht auf das noch bestehende Mietrecht an den Geschäftsräumen.

2. Gehören zum Veräußerungspreis laufende Zahlungen für einen fest bestimmten längeren Zeitraum (Kaufpreisraten), so sind diese mit ihrem abgezinsten Wert zu kapitalisieren.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig war die Höhe eines Veräußerungsgewinnes.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) war Tabakwaren-Einzelhändler. Nach Aufgabe seines Ladengeschäfts, das er zuletzt sieben Jahre lang in gemieteten Räumen des Hauses X-Straße im Stadtzentrum betrieben hatte, veräußerte er Anfang 1961 das Inventar für 10 000 DM und das Warenlager für 25 310,50 DM an die Firma D., mit der er und seine Ehefrau daneben noch einen Vertrag schlossen, der im wesentlichen folgenden Inhalt hatte. Unter Hinweis auf die beabsichtigte Geschäftsaufgabe verpflichteten sich die Eheleute, der Firma D. den Abschluß eines Mietvertrages mit dem Hauseigentümer über den von ihnen bisher gemieteten Laden zu ermöglichen, in dem die Firma D. einen Tabakwaren-Einzelhandel im bisherigen Rahmen und Umfang betreiben wollte. Die Firma D. verpflichtete sich, „auf die Dauer des für 10 Jahre abgeschlossenen Mietvertrages” mit dem Hauseigentümer an die Eheleute eine Rente von monatlich 500 DM zu zahlen. Sofern der Jahresumsatz 300 000 DM übersteigen sollte, sollten die Eheleute außerdem noch 4 % des Mehrumsatzes erhalten.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) ging bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr davon aus, daß der Steuerpflichtige seinen Gewerbebetrieb an die Firma D. veräußert habe, und daß neben den Zahlungen für Inventar und Warenlager auch die laufenden Zahlungen, durch die der Geschäftswert abgegolten werde, zum Veräußerungsentgelt zu rechnen seien. Das FA gelangte, indem es die Summe dieser Zahlungen mit (10 × 12 × 500 DM =) 60 000 DM mit ansetzte, zu einem Veräußerungsgewinn von 68 599 DM.

Der Steuerpflichtige hatte mit seiner nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage Erfolg. Das FG ging davon aus, es bestehe zwar eine Vermutung dafür, daß dann, wenn der Erwerber eines Geschäfts über die Teilwerte der einzelnen erworbenen Wirtschaftsgüter hinausgehende Zahlungen leiste, hiermit ein Geschäftswert abgegolten werde. Diese Vermutung sei jedoch widerlegbar und sie sei im Streitfalle widerlegt. Der Zeuge D. habe glaubhaft bekundet, daß bei den Kaufverhandlungen von einer Abfindung für einen Geschäftswert nicht die Rede gewesen sei. Die monatlichen Zahlungen seien vielmehr allein für die Vermittlung des Mietvertrages bezahlt worden. Das sei, so meint das FG, auch verständlich im Hinblick auf die gute Geschäftslage und die Tatsache, daß der vermittelte Mietvertrag sehr günstig für den Geschäftserwerber gewesen sei. Da somit jedenfalls eine Einigung der Vertragspartner über das Vorhandensein eines Geschäftswerts nicht bestanden habe, komme der Ansatz eines solchen Wertes nicht in Betracht. Hinzu komme, daß ein erheblicher Geschäftswert auch nicht gegeben gewesen sei; denn mit der Geschäftsaufgabe sei für den Steuerpflichtigen die Beendigung seines Mietvertrages verbunden gewesen, den er nicht auf den Erwerber habe übertragen können, da der Vertrag nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag des Steuerpflichtigen nur kurzfristig gewesen sei, im übrigen für eine Untervermietung auch die Zustimmung des Hauseigentümers hätte erbracht werden müssen. Ein etwaiger Geschäftswert sei also allenfalls durch die Zahlung von 10 000 DM für das bereits bis auf 476 DM abgeschriebene Inventar abgegolten worden, nicht aber durch die Vereinbarung der laufenden Zahlungen.

Mit der Revision rügt das FA Rechts- und Verfahrensverstöße. Es macht geltend, die Vorinstanz sei unter Übergehung eines in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags, nämlich vom Kläger die Vorlage des zwischen ihm und dem Hauseigentümer geschlossenen Mietvertrages zu verlangen, davon ausgegangen, daß dieser Vertrag nach dem unbestrittenen Vortrag des Steuerpflichtigen nur kurzfristig abgeschlossen gewesen und mit der Geschäftsaufgabe abgelaufen sei. Diese das Urteil der Vorinstanz tragenden Feststellungen seien unzutreffend. Angesichts des in der mündlichen Verhandlung protokollierten, auf Vorlage des Mietvertrages gerichteten Antrags des Beklagtenvertreters, der als Beweisantrag zu würidgen sei, habe das FG seine Feststellung nicht auf den „unbestrittenen Vortrag” des Steuerpflichtigen stützen dürfen. Das FG hätte sich den Vertrag vorlegen lassen müssen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Das FG stützte seine Auffassung, die laufenden Zahlungen von monatlich 500 DM seien nicht für die Geschäftsüberlassung, sondern allein für die Vermittlung des Mietvertrages vereinbart worden, auf die Feststellung, daß etwas anderes, insbesondere eine Vergütung für einen Geschäftswert, nicht vereinbart worden sei. Zu dieser Feststellung gelangte das FG u. a. dadurch, daß es davon ausging, mit der Geschäftsaufgabe durch den Steuerpflichtigen sei die Beendigung des zwischen ihm und dem Hauseigentümer über den Tabakladen geschlossenen Mietvertrages verbunden gewesen, der Steuerpflichtige habe den Vertrag nicht auf den Erwerber übertragen können, da der Vertrag „unbestritten” nur kurzfristig gewesen sei und zur Untervermietung die Zustimmung des Hauseigentümers hätte erbracht werden müssen. Wie das FA mit Recht rügt, sind diese Feststellungen nicht in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise getroffen worden, so daß der Senat an sie nicht gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Zutreffend weist das FA darauf hin, daß die diesbezüglichen Behauptungen des Steuerpflichtigen, auf die das FG seine Feststellungen stützt, keineswegs unbestritten waren. Das zeigt deutlich der in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vom FA gestellte Antrag auf Vorlage des zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Hauseigentümer geschlossenen Mietvertrages.

Diesen Antrag hätte das FG, das nach § 76 Abs. 1 FGO erforderlichenfalls unter Ausschöpfung aller Beweismittel den Sachverhalt so vollständig wie möglich aufzuklären hat (Urteil des BFH II 213/65 vom 13. August 1969, BFH 98, 210, BStBl II 1970, 338), nicht übergehen dürfen und es hätte daher nicht lediglich das Vorbringen des Steuerpflichtigen seinen Feststellungen zugrunde legen dürfen.

Vorinstanz:

Das FG wird unter diesem Gesichtspunkt erneut zu prüfen haben, ob nicht die laufenden Zahlungen von monatlich 500 DM doch als eine mit der Geschäftsveräußerung zusammenhängende Entschädigung für die Aufgabe eines Mietrechts zu beurteilen sind. Sollte das FG zu dem Ergebnis gelangen, daß dem Steuerpflichtigen bei Beendigung seiner gewerblichen Tätigkeit noch ein nicht nur ganz kurzfristiges Mietrecht zustand, so sprechen auch alle übrigen Umstände für einen Zusammenhang mit der Geschäftsveräußerung. So hat der Erwerber D. als Zeuge selbst erklärt, daß der Steuerpflichtige für die Aufgabe des Geschäfts zunächst sogar eine lebenslängliche Rente haben wollte. Für einen Zusammenhang mit der Geschäftsüberlassung spricht auch die Vereinbarung, daß die Vergütung bei höherem Umsatz steigen sollte. Was den Eintritt des Erwerbers in einen etwa noch bestehenden Mietvertrag anlangt, so macht es letzlich auch keinen Unterschied, ob der Steuerpflichtige hierzu die Zustimmung des Hauseigentümers beibrachte, oder aber gleich einen Mietvertrag zwischen diesem und dem Erwerber vermittelte.

Sollte das FG bei seiner erneuten Prüfung zu dem Ergebnis kommen, daß die laufenden monatlichen Zahlungen zum Veräußerungspreis gehören, so wird es allerdings, auch wenn über eine Verzinsung nichts vereinbart ist, in Anbetracht der 10jährigen Laufzeit nicht die volle Summe der Raten, sondern nur deren abgezinsten Wert (Barwert) ansetzen können (wegen der Höhe des Zinsfußes vgl. Urteil des Senats IV R 22/68 vom 20. November 1969, BFH 98, 28, BStBl II 1970, 309).

 

Fundstellen

Haufe-Index 557423

BStBl II 1971, 92

BFHE 1971, 390

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