Leitsatz (amtlich)

1. Überträgt ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit sein Vermögen unter den Voraussetzungen des § 44 b VAG auf eine Aktiengesellschaft und übersteigt das vertraglich vereinbarte Barentgelt die Summe der Buchwerte der übertragenen Vermögensgegenstände, so unterliegt der Mehrbetrag als Übertragungsgewinn (Veräußerungsgewinn) bei dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit der Körperschaftsteuer.

2. § 14 und § 15 Abs. 1 KStG sind bei Vermögensübertragungen nach § 44 b VAG nicht anwendbar.

 

Normenkette

EStG § 16; KStG § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, §§ 14-15; KStDV § 17 Abs. 1; VAG § 44b; AktG § 305 Abs. 3 S. 2, § 320 Abs. 5, § 340 Abs. 1, § 346 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 Sätze 1-2, § 375 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 17.01.1979; Aktenzeichen 2 BvR 1055/78)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft, hatte gemäß § 44 b des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen vom 6. Juni 1931 (RGBl I 1931, 750) - mit späteren Änderungen - (VAG) durch Vertrag vom 25. April 1970 das Vermögen eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit übernommen, der ebenfalls die Krankenversicherung betrieb. Der Vermögensübertragung hatte entsprechend den Vereinbarungen der Vertragsparteien, an denen sie auch noch in der mündlichen Verhandlung festgehalten haben, die Bilanz des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit auf den 31. Dezember 1969 zugrunde gelegen. In dieser Bilanz war das Eigenkapital (eine gesetzliche Rücklage) mit 380 000 DM ausgewiesen. Die Klägerin hatte im Rahmen der Vermögensübertragung 556 000 DM gezahlt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hatte die Vermögensübertragung auf die Klägerin als Veräußerung des Betriebs des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit behandelt und bei der endgültigen Veranlagung einen Veräußerungsgewinn von (556 000 DM ./. 380 000 DM =) 176 000 DM angesetzt.

Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Auf die Klage der Klägerin änderte das Finanzgericht (FG) den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 1969 und berücksichtigte bei der Steuerfestsetzung keinen Veräußerungsgewinn. Die Entscheidung des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1974 S. 491 (EFG 1974, 491) veröffentlicht.

Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung der §§ 6 und 7 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und des § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es meint, der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit habe als juristische Person sein Vermögen gegen Entgelt übertragen. Das Entgelt für das übergegangene Vereinsvermögen (556 000 DM) stehe zunächst dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zu. Dieser habe im Zeitpunkt der Zahlung noch bestanden. Die Verteilung des Entgelts an die Mitglieder des Vereins habe sich als letzter Akt der Vermögensübertragung angeschlossen. Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit sei als Treugeber für das an den Treuhänder gezahlte Entgelt anzusehen. Durch die gesetzliche Regelung in § 44 b VAG solle zwar die Vermögensübertragung handelsrechtlich und steuerrechtlich erleichtert werden, nicht aber vollen Umfangs von der Steuer befreit sein. Da das Entgelt höher gewesen sei als die Summe der Buchwerte der übertragenen Vermögensgegenstände, sei (in Höhe des übersteigenden Betrags) ein Veräußerungsgewinn entstanden. Für eine (völlige) Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns in solchen Fällen der Vermögensübertragung bestehe kein Grund; sie würde vielmehr dem das damals geltende Körperschaftsteuerrecht beherrschenden Gedanken der doppelten Besteuerung der Gewinne widersprechen. Die gesetzliche Fortführung der Buchwerte (§ 44 b Abs. 8 VAG) berühre die Veräußerung und den Veräußerungsgewinn nicht.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie sieht in der Vermögensübertragung gemäß § 44 b VAG keine Betriebsveräußerung. Zwar sei der Übertragungsvertrag, nicht aber das Entgelt frei vereinbart worden. Das Entgelt sei daher kein Kaufpreis. Es stehe nicht dem Verein, sondern den einzelnen Mitgliedern aus Vertrag zugunsten Dritter unmittelbar aufgrund des Untergangs ihrer Mitgliedschaftsrechte zu. Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit sei im Zeitpunkt des Entstehens des Veräußerungsgewinns bereits untergegangen. Treugeber seien allein die Vereinsmitglieder. Der Entgeltsbetrag, der das Eigenkapital des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit übersteige, werde durch eine Besteuerung gemindert; da aber der Gesetzgeber das Entgelt den einzelnen Vereinsmitgliedern zubillige, entstehe durch die Entgeltgewährung kein Veräußerungs- oder Übertragungsgewinn. Die übernehmende Versicherungs-Aktiengesellschaft sei nach § 44 b Abs. 8 VAG nicht verpflichtet, den Teil des Entgelts zu aktivieren, der das Buchkapital übersteige. Diese handelsrechtliche Buchungsmöglichkeit sei auch steuerrechtlich anzuerkennen. Die Auflösung stiller Reserven gehöre zum Geschäftsergebnis im Sinne des § 6 Abs. 2 KStG und müsse als Beitragsrückerstattung oder als Zuführung zur Rücklage für Beitragsrückerstattungen den steuerrechtlichen Gewinn mindern.

Eine Besteuerung nach § 15 Abs. 1 i. V. m. § 14 KStG scheide aus. Es fehle an dem Übergang des Vermögens einer Kapitalgesellschaft; eine ausdehnende Anwendung dieser Vorschrift auf den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit komme nicht in Betracht.

Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Einen Antrag hat er nicht gestellt. Er bejaht das Entstehen eines Veräußerungsgewinns im Rahmen einer Vermögensübertragung nach § 44 b VAG. Der Anspruch auf ein angemessenes Entgelt stehe allein dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zu, solange dieser noch bestehe. Die Vereinsmitglieder besäßen lediglich ihre Rechte aus der Vereinsmitgliedschaft. Mit dem Erlöschen des Vereins, also mit der Eintragung in das Handelsregister, die der Empfangnahme des Entgelts durch den Treuhänder folge, träten die Mitglieder an die Stelle des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit und in dessen Rechte gegen die übernehmende Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft ein. Erst in diesem Zeitpunkt gingen ihre Mitgliedschaftsrechte unter und wandelten sich in Abfindungsansprüche gegen die Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft um. Der Treuhänder könne daher bei der Entgegennahme des Entgelts nur für den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit tätig werden. Für diese Auffassung spreche auch, daß das Entgelt von der übernehmenden Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft für das an sie übergegangene Vermögen des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit gezahlt werde. Das ergebe sich aus der Berechnung des Veräußerungsentgelts und aus der rechtlichen Gestaltung des Vorganges.

Die Besteuerung des Veräußerungsgewinns entspreche dem Rechtssystem. § 44 b VAG sei weitgehend den Vorschriften des § 360 und der §§ 340 ff. des Aktiengesetzes (AktG) nachgebildet. § 15 Abs. 1 KStG sei allerdings auf den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit nicht anzuwenden. Daher müsse mangels einer Sonderbestimmung gemäß § 6 KStG auf die allgemeine Vorschrift des § 16 EStG zurückgegriffen werden. Die Gleichartigkeit der Tatbestände verlange eine gleiche Auslegung der Vorschriften über die Vermögensübertragungen bei Körperschaften. Daher dürfe es bei der Besteuerung nach § 16 EStG ebensowenig darauf ankommen, ob das Entgelt unmittelbar dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit oder aber seinen Mitgliedern zugeflossen sei. Wirtschaftlich und damit auch steuerrechtlich sei das Entgelt zunächst dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zuzurechnen. Das folge auch aus dem allgemeinen Grundsatz der Schlußbesteuerung, wie er in § 15 Abs. 1 KStG für Kapitalgesellschaften zum Ausdruck komme.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Der die Buchwerte des übertragenen Vereinsvermögens übersteigende Betrag des Entgelts (Übertragungsmehrbetrag: 176 000 DM) unterliegt als Übertragungsgewinn (Veräußerungsgewinn) der Besteuerung.

I.

1. Zutreffend gehen alle Beteiligten davon aus, daß eine Besteuerung des Übertragungsgewinns von 176 000 DM nach § 14 KStG nicht in Betracht kommen kann. Das Vermögen des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit ist nicht - wie es diese Vorschrift fordert - im Wege der Abwicklung (Auseinandersetzung der Gesellschafter nach Auflösung des Vereins) auf die Klägerin übergegangen, sondern gemäß § 44 b VAG als Ganzes und ohne Abwicklung.

2. Eine Besteuerung nach § 15 Abs. 1 KStG scheidet - worauf die Klägerin besonders hinweist und was der BdF auch einräumt - ebenfalls aus. Diese Vorschrift behandelt den Übergang des Vermögens einer Kapitalgesellschaft auf einen anderen. Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert daran, daß der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit keine Kapitalgesellschaft ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 KStG). Eine ausdehnende Anwendung des § 15 Abs. 1 KStG ist wegen dessen eindeutiger Beschränkung auf Kapitalgesellschaften ausgeschlossen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat allerdings entschieden, daß bei der Verschmelzung zweier Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit kein körperschaftsteuerpflichtiger Verschmelzungsgewinn entsteht, und sich in den Gründen dieser Entscheidung auch mit § 15 Abs. 2 KStG befaßt (vgl. Urteil vom 25. Mai 1962 I 182/60 U, BFHE 75, 238, BStBl III 1962, 354). Er hat seine Entscheidung aber nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 2 KStG gestützt, sondern eine solche abgelehnt. Dann scheidet aber erst recht eine entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 1 KStG aus, da diese Vorschrift die Besteuerung eines Verschmelzungsgewinns, auf die nach § 15 Abs. 2 KStG unter bestimmten Voraussetzungen in Form einer Steuerverlagerung (zunächst) verzichtet wird, überhaupt erst anordnet.

3. Eine Besteuerung des Übertragungsgewinns kann auch nicht - was die Klägerin zutreffend vorträgt - aus den §§ 1, 14 des Umwandlungs-Steuergesetzes vom 6. September 1976 - UmwStG 1977 - (BGBl I 1976, 2643, BStBl I 1976, 478) hergeleitet werden. Die Vorschriften dieses Gesetzes sind nur auf solche Vermögensübergänge anzuwenden, denen als steuerlicher Übertragungsstichtag ein nach dem 31. Dezember 1976 liegender Tag zugrunde gelegt wird (§ 28 Abs. 1 UmwStG 1977). Im Streitfall ist Übertragungsstichtag der 31. Dezember 1969.

II.

Der Übertragungsmehrbetrag von 176 000 DM unterliegt als Übertragungsgewinn (Veräußerungsgewinn) gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 16 EStG der Körperschaftsteuer.

1. Das FG hat zu Recht eine Betriebsveräußerung im Sinne des § 16 EStG angenommen. Diese Vorschrift des Einkommensteuerrechts gilt - wie die Klägerin einräumt - auch für die Ermittlung des Einkommens von Körperschaften (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KStG). Die Voraussetzungen des § 16 EStG sind erfüllt. Der gewerbliche Betrieb des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, das Vereinsvermögen, ist als Ganzes gegen Entgelt auf die Klägerin übertragen worden. Dieser Vermögensübertragung lag der zwischen dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und der Klägerin geschlossene Vertrag vom 25. April 1970 zugrunde.

Die Klägerin räumt zwar ein, es liege ein Übertragungsvertrag vor. Ihre Auffassung aber, eine Veräußerung im Sinne des § 16 EStG sei mangels eines frei vereinbarten Entgelts nicht gegeben, teilt der erkennende Senat nicht. Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und die Klägerin haben ein § 44 b Abs. 4 Satz 1 VAG entsprechendes Entgelt vertraglich festgelegt. Nach dieser Vorschrift ist die übernehmende Aktiengesellschaft "zur Gewährung eines angemessenen Entgelts verpflichtet, wenn dies unter Berücksichtigung der Vermögens- und Ertragslage des Vereins ... gerechtfertigt ist". Diese - anderen Abfindungsvorschriften (§ 305 Abs. 3 Satz 2, § 320 Abs. 5 Satz 5, § 375 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 12 Abs. 1 des Umwandlungsgesetzes vom 12. November 1956 - UmwG 1956 -, BGBl I 1956, 844, BStBl I 1957, 471) entsprechende - Bestimmung gewährt dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit die seiner Ertrags- und Vermögenslage entsprechende volle Abfindung. Das ist der wahre Wert des gewerblichen Betriebs (des Vereinsvermögens) als lebender wirtschaftlicher Einheit, wie er bei möglichst vorteilhafter Verwertung des Vereinsvermögens zu erzielen gewesen wäre. Bei der Ermittlung der angemessenen Abfindung sind die stillen Reserven aufzulösen, der innere Geschäftswert zu berücksichtigen (vgl. dazu die Rechtsprechung insbesondere zu § 12 Abs. 1 UmwG 1956: Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 7. August 1962 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263 [284]; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 30. März 1967 II ZR 141/64, Neue Juristische Wochenschrift 1967 S. 1464 - NJW 1967, 1464 - mit weiteren Nachweisen). Daß das festgelegte Entgelt im Streitfall nicht den Wertvorstellungen der Vertragsparteien entsprochen habe oder daß ein Antrag an das zuständige Landgericht, das angemessene Entgelt zu bestimmen (§ 44 b Abs. 5 Satz 1 VAG), gestellt worden sei, hat die Klägerin weder behauptet noch im einzelnen dargelegt.

Ob ein Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 16 EStG entsprechend der Rechtsauffassung der Klägerin zu verneinen ist, wenn das angemessene Entgelt gemäß § 44 b Abs. 5 Sätze 1 und 2 VAG durch das zuständige Landgericht bestimmt wird, brauchte der Senat nicht zu prüfen. Das Entgelt ist im Streitfall nicht gerichtlich festgesetzt, sondern von den Vertragsparteien selbst in dem Übertragungsvertrag festgelegt worden.

Auch die Fortführung der Übertragenen Vermögensgegenstände zu den bisherigen Buchwerten bei der Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft und die Bildung eines in fünf Jahren abzuschreibenden besonderen Postens in Höhe des Übertragungsgewinns unter den Posten des Anlagevermögens (§ 44 b Abs. 8 VAG) schließen die Annahme einer Veräußerung im Sinne des § 16 EStG nicht aus. Dabei kann offenbleiben, ob aus der Aufnahme eines solchen Unterschiedspostens praktisch eine Bilanzierung der übernommenen Gegenstände zu Anschaffungskosten folgt, ob die handelsrechtliche Bilanzierungsmöglichkeit eine steuerliche Bilanzierungspflicht auslöst und schließlich, ob die gesetzlich vorgesehene Bilanzierung eine Vereinfachungsmaßnahme bei der Vermögensübertragung eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit auf eine Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft darstellt. Die steuerlichen (bilanzmäßigen) Folgen, die sich aus der Übertragung des Vermögens des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit bei der Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft ergeben, haben für die hier zu entscheidende Frage keine Bedeutung. Die Besteuerung des Übertragungsgewinns betrifft allein den (erloschenen) Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, nicht aber die bilanzmäßige steuerliche Behandlung der übernommenen Vermögensgegenstände bei der Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft und deren steuerliches Einkommen.

2. Der (allein) zu versteuernde Übertragungsgewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen der Gegenleistung der Klägerin (556 000 DM) und der Summe der Buchwerte der auf sie übertragenen einzelnen Vermögensgegenstände (380 000 DM), wie sie in der maßgeblichen Bilanz des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit auf den 31. Dezember 1969 angesetzt sind: Im Streitfall übersteigt die Gegenleistung ("Entgelt") die übertragenen Vermögenswerte daher um 176 000 DM. Gegen die Berechnung und die Höhe dieses Übertragungsgewinns hat die Klägerin nichts vorgebracht.

3. Das Gesamtentgelt und damit zugleich der Übertragungsgewinn standen zunächst dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zu. Sie unterliegen bei diesem der Körperschaftsteuer. Das ergibt sich, wie die folgenden Erwägungen zeigen, aus der Eigenart des Rechtsvorgangs und der maßgeblichen gesetzlichen Regelung.

a) Die Rechtsverhältnisse bezüglich der Vermögensübertragung und des Entgelts, insbesondere die Verpflichtung zur Zahlung eines angemessenen Entgelts und damit korrespondierend der Anspruch auf Auskehrung des Entgelts, beruhen dem Grunde und der Höhe nach (vgl. § 44 b Abs. 4 Satz 1 VAG) ausschließlich auf den Vereinbarungen, die zwischen dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und der Klägerin zustande gekommen sind. Der Übertragungsvertrag ist mit der Beschlußfassung des obersten Vereinsorgans und dem Beschluß der Hauptversammlung der Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft sowie der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde wirksam geworden (§ 44 b Abs. 2 VAG i. V. m. § 340 Abs. 1 AktG; § 44 b Abs. 3 und 9 VAG). Der Verein (nicht etwa die einzelnen Mitglieder) hat sich durch sein Organ das Gesamtentgelt ausbedungen. Den Vereinsmitgliedern stehen keine unmittelbaren Ansprüche auf das (anteilige) Entgelt gegen die Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft zu, sondern (lediglich und in diesem Zeitpunkt noch) die Rechte, die sich aus dem persönlichen Rechtsverhältnis ihrer Mitgliedschaft in dem Verein diesem gegenüber ergeben. Die Verwendung des Entgelts ist im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses - von den erst später sich auswirkenden Regelungen gemäß § 44 b Abs. 4 Sätze 2 und 3 VAG abgesehen - noch ohne Bedeutung und ungewiß.

Ob das gleiche gilt, wenn - was Prölss/Schmidt/Sasse, Versicherungsaufsichtsgesetz, 8. Aufl., § 44 b Rdnr. 4, für zulässig halten - ein angemessenes Entgelt dem Grunde und der Höhe nach durch Beschlüsse des obersten Organs des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit und der Hauptversammlung der übernehmenden Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft festgelegt worden wäre, kann dahinstehen. Im Streitfall beruht das gezahlte Entgelt nicht auf derartigen Beschlüssen, sondern allein auf dem Übertragungsvertrag.

b) Durch das angemessene Entgelt soll der Wert der Gegenstände abgegolten werden, die im Zuge der Vermögensübertragung als Vereinsvermögen auf die Klägerin übergegangen sind.

Die abweichende Auffassung der Klägerin kann, wie die Klägerin selbst zugibt, aus dem Gesetzeswortlaut allein nicht mit Sicherheit begründet werden. Der Wortlaut des Gesetzes spricht vielmehr gegen die Annahme, das angemessene Entgelt solle die untergehenden Mitgliedsrechte der Vereinsmitglieder abgelten. Die Regelungen in § 44 b VAG beziehen sich auf die "Vermögensübertragung", auf das Übertragen oder das Übernehmen von Vereinsvermögen, nicht aber auf das Erlöschen der Mitgliedschaftsrechte und einen dafür zu gewährenden Ausgleich. Auch den Vorschriften des Aktiengesetzes, die nach § 44 b Abs. 2 VAG "für die Vermögensübertragung" sinngemäß gelten, kann nichts anderes entnommen werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Abfindung in Aktien der übernehmenden Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft, durch Barzahlung oder im Rahmen des Versicherungsverhältnisses in sonstiger Weise geleistet wird. In jedem dieser Fälle hängt nach der gesetzlichen Regelung, insbesondere nach § 44 b Abs. 4 Satz 1 VAG, das angemessene Entgelt seiner Höhe nach von dem übertragenen Vereinsvermögen ab. Jeglicher Hinweis darauf, daß das Entgelt auch die untergehenden Mitgliedschaftsrechte der Vereinsmitglieder als solche ausgleichen solle, fehlt im Gesetz. Daher ist es nicht verständlich, wenn die Klägerin meint, das gewährte Entgelt solle die durch den Untergang der Mitgliedschaftsrechte in ihrem gesellschaftsrechtlichen Teil eintretende Bereicherung der Aktionäre vermeiden. Eine solche Bereicherung kann nicht durch den Wegfall von Mitgliedschaftsrechten anderer Personen an einer anderen juristischen Person eintreten. Die Aktionäre der Klägerin wären allenfalls dann bereichert, wenn das Vermögen des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit auf die Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft übergehen würde, ohne daß diese für die übernommenen (insgesamt positiven) Vermögensgegenstände eine angemessene Gegenleistung zu erbringen hätte.

Bei dieser Rechtslage läßt der Hinweis der Klägerin auf die Doppelstellung der Vereinsmitglieder keine andere Beurteilung zu. Es ist zwar richtig, daß handels- und gesellschaftsrechtlich die Vereinsmitglieder zum einen Mitglieder der Personenvereinigung, zum anderen zugleich Versicherungsnehmer sind (vgl. §§ 15, 20 Satz 2 VAG), ihr Versicherungsschutz in die Vereinsmitgliedschaft eingebettet ist und dieser Schutz auch nach Übergang des Vereinsvermögens auf die Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft - losgelöst von einer gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaft - bestehenbleibt. Diesen rechtlichen Verhältnissen kann aber für die körperschaftsteuerrechtliche Beurteilung des Übertragungsgewinns nicht die Bedeutung beigemessen werden, die ihr die Klägerin zugewiesen wissen möchte. Das Fortbestehen des Versicherungsverhältnisses im Unternehmen der Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft und das Schicksal der Vereinsmitgliedschaft infolge der Vermögensübertragung (vgl. dazu § 20 Satz 3 VAG) berühren nach der gesetzlichen Regelung ebensowenig das Vermögen des Vereins wie dessen Übertragung auf die Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft und die Ermittlung, Feststellung und Zahlung eines dafür zu leistenden angemessenen Entgelts.

c) Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit bestand als solcher im Zeitpunkt der Entgeltszahlung noch; er war deren Empfänger. Das folgt aus der gesetzlichen Regelung und den Besonderheiten des rechtlichen Vorgangs.

Nach § 44 b Abs. 2 VAG i. V. m. § 346 Abs. 4 Satz 1 AktG erlischt der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit mit der Eintragung der Vermögensübertragung in das Handelsregister seines Sitzes. Dieser Eintrag ist erst zulässig, wenn der bestellte Treuhänder dem Gericht angezeigt hat, daß er im Besitz des Entgelts ist (§ 44 b Abs. 6 Satz 2 VAG, der im wesentlichen mit § 346 Abs. 2 AktG übereinstimmt). Die Bestellung eines Treuhänders schreibt § 44 b Abs. 6 Satz 1 VAG zwingend für die Fälle vor, in denen ein Entgelt "für die Übertragung des Vermögens ... vereinbart worden" ist. Die Bestellung ist - wie die Gesetzesbestimmung ausdrücklich festlegt - Sache des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Treugeber ist allein der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und es sind nicht - wie die Klägerin meint - die einzelnen Vereinsmitglieder. Das folgt nicht nur aus dessen gesetzlicher Verpflichtung, den Treuhänder zu bestellen, sondern auch aus den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen: Der Treuhänder steht - bei meist entgeltlicher Tätigkeit - zu dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit in einem Dienst- oder Auftragsverhältnis; diesem haftet er für die sorgfältige und ordnungsmäßige Erfüllung seiner Obliegenheiten; dieser kann ihn ggf. nach den Vorschriften über das Dienst- oder Auftragsverhältnis abberufen. Aufgabe des Treuhänders ist es, die als Entgelt für das übertragene Vermögen zwischen dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und der Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft vereinbarte Barzahlung zunächst in Empfang zu nehmen und später an die berechtigten Vereinsmitglieder nach den gesetzlichen Regeln (vgl. § 44 b Abs. 7 Satz 2 VAG) zu verteilen. Zur Aushändigung des Entgeltsbetrags an ihn ist die übernehmende Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft verpflichtet. Danach wird der Treuhänder in erster Linie und zunächst für den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit tätig. Diesem steht daher kraft der vertraglichen Vereinbarungen mit der Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft bis zu seinem Erlöschen der Anspruch auf Zahlung des Entgelts zu. Das Entgelt kann deshalb von dem Treuhänder nur für den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit in Besitz genommen werden. Durch die Aushändigung des Entgelts hat die übernehmende Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft den Übertragungsvertrag ihrerseits erfüllt. Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit erbringt seine vertraglich vereinbarte Leistung (Vermögensübertragung) kraft Gesetzes mit der Eintragung der Vermögensübertragung in das Handelsregister (§ 44 b Abs. 2 VAG i. V. m. § 346 Abs. 3 Satz 1 AktG). Von einem schwebenden Vertrag im Zeitpunkt des Untergangs des Vereins (§ 44 b Abs. 2 VAG i. V. m. § 346 Abs. 4 Satz 1 AktG) kann deshalb keine Rede sein. Mit der Eintragung der Vermögensübertragung in das Handelsregister (§ 44 b Abs. 2 VAG i. V. m. § 346 Abs. 1 Satz 1 AktG) und dem damit zusammenfallenden Erlöschen des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (§ 44 b Abs. 2 VAG i. V. m. § 346 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AktG) gehen die Mitgliedschaftsrechte der Vereinsmitglieder unter und verwandeln sich - mangels einer Abfindung in Aktien der übernehmenden Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft - in einen Anspruch auf (anteilige) Abfindung aus dem vereinbarten Barentgelt. Erst von diesem Augenblick an hat der Treuhänder kraft der gesetzlichen Regelung die Belange der (früheren) Vereinsmitglieder wahrzunehmen. Er hat an sie - soweit noch nicht geschehen - das anteilige Barentgelt auszuzahlen und kann von ihnen unmittelbar auf Herausgabe des auf sie entfallenden Barbetrags in Anspruch genommen werden.

Auch bei wirtschaftlicher Betrachtung der Vorgänge ist das Entgelt, das die übernehmende Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft dem Treuhänder des untergehenden Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit bezahlt, noch dem Verein zuzurechnen: Die Übertragung des Vermögens des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit auf die Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft gegen Entgelt ist eine besondere Art der Liquidation des Vereins. Die übernehmende Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft hätte - wäre kein Treuhänder eingesetzt - das Entgelt an den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zu leisten; dieser hätte es spätestens im Zuge der Abwicklung an die einzelnen ausscheidenden Vereinsmitglieder zu verteilen. Der Gesetzgeber hat anstelle der sonst notwendigen Liquidation zum Schutze der Vereinsmitglieder und wegen der sich aus § 44 b Abs. 2 VAG i. V. m. § 346 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 AktG ergebenden Rechtsfolgen die Abwicklung der Vermögensübertragung durch die gesetzlich vorgeschriebene Einschaltung eines Treuhänders erheblich vereinfacht. Diesem ist kraft Gesetzes hinsichtlich des Entgelts die Empfangs- und Verteilungsfunktion übertragen. Dadurch wird aber der wirtschaftliche Gehalt des Rechtsvorganges weder berührt noch verändert: Der Treuhänder wird bis zum Erlöschen des Vereins (§ 44 b Abs. 2 VAG i. V. m. § 346 Abs. 4 Satz 1 AktG) für diesen (und nicht für die Vereinsmitglieder) tätig und nimmt daher auch das Entgelt für den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (und nicht für die einzelnen Vereinsmitglieder) in Empfang.

Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigt es sich, darauf einzugehen, ob der Übertragungsvertrag mit steuerrechtlicher Wirkung als ein Vertrag zugunsten Dritter gewertet werden kann. Ein solcher Vertrag könnte allenfalls insoweit gegeben sein, als die Vereinsmitglieder nach Erlöschen des Vereins einen Anspruch auf anteilige Auszahlung des angemessenen Entgelts haben.

d) Die Entgeltszahlung kann nicht als Beitragsrückerstattung an die Vereinsmitglieder angesehen werden. Soweit die Klägerin eine gegenteilige Ansicht vertreten sollte, trifft diese nicht zu. Das Entgelt wird nicht - wie § 17 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes (KStDV) für Beitragsrückerstattungen (vgl. § 6 Abs. 2 KStG) fordert - aus dem Überschuß des versicherungstechnischen Geschäftsergebnisses gezahlt und stammt nicht aus der Krankenversicherung. Das Entgelt wird den (früheren) Vereinsmitgliedern durch den Verein nicht aufgrund des Versicherungsverhältnisses erbracht, sondern dient der Abfindung des vermögensrechtlichen Teils der Vereinsmitgliedschaft und beruht deshalb auf dem Mitgliedschaftsverhältnis.

4. Die Besteuerung des Übertragungsgewinns steht, worauf der BdF zutreffend hinweist, in Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen der Schlußbesteuerung und benachteiligt die (früheren) Vereinsmitglieder nicht. Mit dem BdF geht der Senat davon aus, daß die Vereinsmitglieder, die in bar - nicht mit Aktien der übernehmenden Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft - abgefunden werden, ihre Beteiligung an dem übertragenen Vereinsvermögen endgültig verlieren. Den Gegenwert erhalten sie in Form der anteiligen Barabfindung über den Treuhänder. Deshalb erscheint es in Übereinstimmung mit der grundsätzlichen Besteuerung von Veräußerungsgewinnen auch in sonstigen Fällen der Übertragung von Vermögen geboten, bei der Veranlagung für den letzten Zeitraum vor dem Untergang des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit und damit vor dem Wegfall der Steuerpflicht dieses Vereins die bisher noch nicht versteuerten Gewinne bei dem untergehenden Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zu erfassen. Da die handelsrechtlichen Erleichterungen gemäß § 44 b VAG zugunsten von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit nicht ohne weiteres steuerliche Vergünstigungen zur Folge haben, hätten solche Vergünstigungen, wie die entsprechenden Bestimmungen in § 15 Abs. 2 KStG und in dem Umwandlungsgesetz 1956 erkennen lassen, für die Vermögensübertragung besonders geregelt werden müssen. Deshalb hätte der Gesetzgeber, wenn er den Übertragungsgewinn bei der entgeltlichen abwicklungslosen Übertragung des Vermögens eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit auf eine Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft von der Besteuerung hätte ausnehmen oder die Besteuerung hätte hinausschieben wollen, dies besonders festlegen müssen. Das ist nicht geschehen.

Die Besteuerung des Übertragungsgewinns benachteiligt die (früheren) Vereinsmitglieder nicht. Ihr Krankenversicherungsverhältnis besteht bei der Krankenversicherungs-Aktiengesellschaft fort; es bleibt im übrigen unverändert und erleidet durch die Vermögensübertragung keinen Wertverlust. Für den Verlust ihrer Beteiligung am Vermögen des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit bekommen die (früheren) Vereinsmitglieder eine angemessene Barabfindung; der Anspruch auf Beitragsrückgewähr bleibt den Versicherten wirtschaftlich voll und in gewissem Umfang auch rechtlich erhalten. Eine finanzielle Benachteiligung der (früheren) Vereinsmitglieder, die nach Auffassung der Klägerin gegen eine Besteuerung des Übertragungsgewinns sprechen könnte, ist danach nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

BStBl II 1979, 85

BFHE 1979, 175

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