Einkünftezurechnung bei doppelter Treuhand

Bei der sog. doppelten Treuhand kann (auch) nach Eintritt des Sicherungsfalles ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO vorliegen.

Hintergrund: Insolvenzsicherung durch doppelte Treuhand

Der eingetragene Verein V (Pensionstreuhand, Treuhänder) hat das ihm übertragene Treuhandvermögen der X-AG (Treugeberin) nach deren Weisungen zu halten und zu verwalten (Verwaltungstreuhand). Das Treuhandvermögen dient der Sicherung der Pensionsverpflichtungen des Unternehmens gegenüber ihren versorgungsberechtigten Personen (Mitarbeitern) aus Pensionszusagen (Sicherungstreuhand). Bei Eintritt eines "Sicherungsfalls" (insbes. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Treugeberin) erwerben die Versorgungsberechtigten einen direkten Anspruch gegen den Treuhänder (V) auf Erfüllung der Pensionsverpflichtungen (Doppeltreuhand).

Über das Vermögen der X-AG wurde in 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.

V erzielte aus der Anlage des Vermögens (Aktien) erhebliche Kapitalerträge (Dividenden). Das FA setzte daher für 2009/2010 KSt fest. Dabei nahm es jeweils eine Hinzurechnung nach § 8b Abs. 5 KStG vor.

Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab. V habe als Treuhänder Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt. Bei dieser Einkunftsart werde die Einkünfteerzielungsabsicht vermutet.

Entscheidung: Zurechnung der Einkünfte beim Treugeber

Der BFH widerspricht dem FG. Denn das Treuhandverhältnis ist steuerlich anzuerkennen. Damit sind die Aktien nicht dem Treuhänder (V), sondern der Treugeberin (X) als Anteilseignerin zuzurechnen. V hat somit keine Kapitaleinkünfte erzielt. Der BFH hob das FG-Urteil und die von V angefochtenen KSt-Bescheide auf.

Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 EStG

V ist als rechtsfähiger Verein mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf sämtliche Einkünfte. Da V als sonstige juristische Person des privaten Rechts nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG fällt, sind nicht alle von ihm erzielten Einkünfte gemäß § 8 Abs. 2 KStG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Vielmehr kann er auch Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) erzielen.

Voraussetzungen eines Treuhandverhältnisses

Die steuerrechtliche Anerkennung eines Treuhandverhältnisses erfordert, dass die mit der rechtlichen Eigentümer- bzw. Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht so weit zu Gunsten des Treugebers eingeschränkt ist, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als "leere Hülle" erscheint (BFH, Urteil v. 26.2.2014, I R 12/14, BFH/NV 2014 S. 1544). Es muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass der Treuhänder ausschließlich für Rechnung des Treugebers handelt (BFH, Urteil v. 28.2.2001, I R 12/00, BStBl 2001 II S. 468).

Entscheidend ist die Weisungsbefugnis des Treugebers (und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des Treuhänders) in Bezug auf die Behandlung des Treuguts (BFH, Urteil v. 24.11.2009, I R 12/09, BStBl 2010 II S. 590). Zudem muss der Treugeber berechtigt sein, jederzeit die Rückgabe des Treuguts zu verlangen (BFH, Urteil v. 15.7.1997, VIII R 56/93, BStBl 1998 II S. 152), wobei die Vereinbarung einer angemessenen Kündigungsfrist unschädlich ist (BFH, Urteil v. 10.12.1992,  XI R 45/88, BStBl 1993 II S. 538).

Das Treuhandverhältnis ist anzuerkennen

Hiervon ausgehend liegt im Streitfall auch nach Eintritt des Sicherungsfalls ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO vor:

  • Dem Treuhandvertrag ergibt sich nicht, dass die Weisungsbefugnis der Treugeberin und korrespondierend die Weisungsgebundenheit des Treuhänders im Sicherungsfall enden würden. Dass die Versorgungsberechtigten einen Direktanspruch gegen den Treuhänder erlangen, ändert daran nichts.
  • Die Zweckbindung des Treuguts (Erfüllung von Pensionsverpflichtungen der Treugeberin, Sicherung der Pensionsansprüche der Versorgungsberechtigten) bleibt auch im Sicherungsfall umfassend erhalten.
  • Die Chance der Wertsteigerung wie auch das Risiko der Wertminderung des Treuguts liegen (weiterhin) bei der AG als Treugeberin.
  • Bei der doppelnützigen Treuhand widerspräche es typischerweise dem Treugeberinteresse, wenn eine jederzeitige Rückgabe des Treuguts  bis zur Zweckerreichung vereinbart würde. Es ist reicht daher aus, wenn eine Herausgabe des Übererlöses an den Treugeber vereinbart wird.
  • Schließlich verbleibt dem Treugeber in jedem Fall nach § 675 i.V.m. § 626 BGB auch ohne besondere Vereinbarung das vertraglich nicht ausschließbare Recht, das Treuhandverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen und den bisherigen Treuhänder durch einen neuen Treuhänder zu ersetzen (BFH, Urteil v. 10.12.1992, XI R 45/88, BStBl 1993 II S. 538).

Hinweis: Verwaltungsregelung

Die Entscheidung bewegt sich im Wesentlichen im Rahmen des BMF-Schreibens v. 18.1.2016, BStBl 2016 I S. 85, Rz 157. Der BFH bestätigt die für die treuhänderische Vermögensauslagerung auf sog. Contractual Trust Arrangements (CTA) aufgezählten Kriterien. Die Verwaltungsanweisung unterscheidet nicht zwischen Verwaltungs- und Sicherungstreuhand.

BFH Urteil vom 04.05.2022 - I R 19/18 (veröffentlicht am 22.09.2022)

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Schlagworte zum Thema:  Treuhand, Abgabenordnung