Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine zulassungsfreie Revision wegen negativ beschiedener Ablehnungsanträge

 

Leitsatz (NV)

1. Verwirft das FG bei ihm gestellte Ablehnungsanträge im Urteil in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung als rechtsmißbräuchlich, so ist eine Revision nicht deshalb ohne Zulassung nach §116 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 FGO statthaft, weil mit ihr geltend gemacht wird, daß den Ablehnungsanträgen hätte stattgegeben werden müssen.

2. Hat gegen einen Bescheid, mit dem Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind, nur der Ehemann Klage erhoben, ist die Revision der Ehefrau nicht deshalb zulassungsfrei nach §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO statthaft, weil sie geltend macht, in das Verfahren vor dem FG nicht als Klägerin oder als Beigeladene einbezogen worden zu sein.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nrn. 1-3

 

Tatbestand

Vor dem Finanzgericht (FG) war streitig, ob die Einkommensteuerbescheide 1983 bis 1988 des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) und seiner mit ihm zusammenveranlagten Ehefrau (der Revisionsklägerin) noch angefochten werden konnten und ggf. von Verfassungs wegen höhere Kinder- und Grundfreibeträge zu gewähren waren.

Das FG verwarf die Klage als unzulässig. In den Entscheidungsgründen wurden vom FG in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung diverse Ablehnungsanträge als rechtsmißbräuchlich zurückgewiesen.

Mit der Revision werden als Verfahrensfehler gerügt, die mitwirkenden Richter des FG seien befangen gewesen und deshalb zu Recht abgelehnt worden (wird umfangreich dargelegt); die Revisionsklägerin sei weder beigeladen noch zur mündlichen Verhandlung geladen worden und es sei ihr das angefochtene Urteil nicht zugestellt worden; die mündliche Verhandlung sei durchgeführt worden, obwohl der Prozeßbevollmächtigte des Klägers infolge Krankheit verhindert gewesen sei und der anwesende Kläger erklärt habe, sich nicht auf eine Verhandlung einlassen zu wollen. Die anderslautende Äußerung im Protokoll und im angefochtenen Urteil zur Verhandlungsbereitschaft des Klägers sei unzutreffend. Im übrigen werden Ausführungen zur Sache gemacht.

Die Revisionskläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision der Revisionsklägerin ist unzulässig, weil sie am Klageverfahren nicht beteiligt war (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. Oktober 1993 XI R 15/93, BFH/NV 1994, 330).

2. Die Revision des Klägers ist nicht statthaft und deshalb unzulässig (§124 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

a) Gegen das Urteil des FG steht den Beteiligten die Revision zu, wenn das FG oder der BFH sie zugelassen hat (§115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs -- BFHEntlG --). Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht, wenn einer der in §116 Abs. 1 FGO bezeichneten Verfahrensmängel gerügt wird. Dies setzt voraus, daß innerhalb der Revisionsbegründungsfrist Tatsachen vorgetragen werden, die -- als wahr unterstellt -- die Schlußfolgerung auf einen Verfahrensmangel i. S. des §116 Abs. 1 FGO rechtfertigen (BFH-Beschluß vom 17. Dezember 1996 IX R 1/95, BFH/NV 1997, 582). Im Streitfall ist die Revision weder vom FG noch vom BFH zugelassen worden, und es ist auch kein Mangel i. S. des §116 Abs. 1 FGO schlüssig gerügt worden.

b) Die Rüge, am angefochtenen Urteil hätten wegen Befangenheit abgelehnte Richter mitgewirkt, eröffnet keine gemäß §116 Abs. 1 Nr. 2 FGO zulassungsfreie Revision, da diese Vorschrift voraussetzt, daß der betreffende Richter mit Erfolg abgelehnt war (vgl. BFH-Beschluß vom 17. Mai 1995 X R 55/94, BFHE 177, 344, BStBl II 1995, 604). Letzteres ist hier nicht der Fall. Ob ein Urteil, in dessen Gründen ein Ablehnungsgesuch als mißbräuchlich verworfen wird, insofern selbständig, also außerhalb der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der Beschwerde angefochten (verneinend BFH- Beschluß vom 19. Dezember 1995 III B 134/93, BFH/NV 1996, 611) und ob den Einlassungen des Klägers entnommen werden kann, daß er ein solches selbständiges Rechtsmittel habe einlegen wollen, kann dahinstehen. Denn eine derartige Beschwerde wäre von seinem Bevollmächtigten erstmals mit Schriftsatz vom 4. August 1997, also nach Ablauf der Beschwerdefrist gegen das dem Bevollmächtigten am 24. Juni 1997 zugestellte Urteil erhoben worden. Gleiches gilt für diesbezügliche Einwendungen im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde, die ebenfalls erstmals nach Ablauf der Beschwerdefrist und damit verspätet begründet worden ist. Ob der Kläger persönlich zuvor fristgerecht Rechtsmittel eingelegt hat, kann gleichfalls dahinstehen, weil er vor dem BFH nicht postulationsfähig ist (Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG). Die Mitwirkung eines abgelehnten Richters ist auch kein Revisionsgrund nach §116 Abs. 1 Nr. 1 FGO, weil §116 Abs. 1 Nr. 2 FGO als speziellere Regelung vorgeht (BFH-Beschluß vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217).

c) Die mangelnde Einbeziehung der Ehefrau in das Verfahren stellt keinen Verstoß gegen §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO dar, weil sie nicht Beteiligte war. Klage hatte nämlich nur der Ehemann erhoben. Auch die unterlassene Beiladung eines Dritten zum Verfahren fällt nicht unter §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO (BFH-Beschluß vom 18. Mai 1988 IV R 21/88, IV B 36/88, BFH/NV 1989, 174). Im übrigen war das FG nicht zu einer Beiladung verpflichtet (BFH-Urteil vom 28. Juni 1983 VIII R 179/79, BFHE 139, 509, BStBl II 1984, 196). Ob Gründe bestanden, den Termin zur mündlichen Verhandlung im Hinblick auf eine Erkrankung des Bevollmächtigten zu verlegen, kann dahinstehen, da ein diesbezüglicher Verfahrensfehler keinen Fall mangelnder Vertretung darstellt (BFH-Beschluß vom 19. April 1995 IX R 15/94, BFH/NV 1995, 913).

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 610

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