Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt des Zugangs der Revisionsschrift des FA bei deren Einlegung in ein bei der OFD für die FG-Post eingerichtetes Abholfach; zu den Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Vorstehers bei der Versendung einer Revisionsschrift

 

Leitsatz (NV)

1. Werden die für das FG bestimmten Postsendungen von den Finanzämtern eines OFD-Bezirks dem FG dergestalt übermittelt, daß sie durch Boten der FÄ zur OFD befördert, dort in ein für die an das FG gerichteten Sendungen besonders eingerichtetes Fach eingelegt und sodann von einem Kurier des FG abgeholt werden, so sind die Sendungen dem FG nicht bereits dadurch zugegangen, daß sie in das Abholfach einsortiert werden. Ein Zugang kann vielmehr frühestens zu dem Zeitpunkt angenommen werden, an dem nach den berechtigten Erwartungen des Absenders (FA) mit einer Abholung durch den Boten des FG gerechnet werden konnte und durfte.

2. Beabsichtigt der Vorsteher des FA, eine an das FG gerichtete Revisionsschrift im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit nicht auf dem für die Beförderung von Sendungen an das FG üblicherweise gewählten Weg des Kuriertransports über die OFD, sondern mit der Bundespost zu übermitteln, so genügt es zur Wahrung der in Fristsachen gebotenen Sorgfalt nicht, wenn er die mit der Aufgabe zur Post (mit dem Verbringen zur Postausgangsstelle des FA) betraute Mitarbeiterin lediglich pauschal auf die Dringlichkeit der Sache hinweist und in der Verfügung zur Revisionsschrift anordnet, daß die Sendung "zur Post gegen EB" zu geben sei. Abgesehen davon, daß diese Verfügung durchaus mehrdeutig interpretiert werden kann, d. h. nicht zwingend i. S. von "Aufgabe zur Bundespost" zu verstehen sein muß, vermag diese Anweisung an die Mitarbeiterin, auch in Verbindung mit dem pauschalen Dringlichkeitshinweis, jedenfalls dann nicht die vom Vorsteher ins Auge gefaßte Beförderungsart "Bundespost" mit hinlänglicher Sicherheit zu garantieren, wenn die mit der Postabfertigung betraute Mitarbeiterin von den vom FA im Postverkehr mit dem FG praktizierten Beförderungsgepflogenheiten gar nichts weiß und davon ausgeht, daß auch ohne besondere Anweisung die Bundespost mit der Beförderung betraut werde. Denn in diesem Fall hat die Mitarbeiterin gar keine Veranlassung, in der Postausgangsstelle auf eine Beförderung durch die Bundespost hinzuwirken.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 120 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das Urteil wurde dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --) am 18. Oktober 1993 zugestellt, so daß die Revisionsfrist mit Ablauf des 18. November 1993 (= Donnerstag) endete. Ausweislich des Eingangsstempels des FG ging die Revisionsschrift des FA vom 10. November 1993 beim FG am 19. November 1993 -- und damit um einen Tag zu spät -- ein.

Mit Schriftsatz vom 30. November 1993, eingegangen beim FG am 1. Dezember 1993, beantragte das FA wegen Versäumung der Revisionsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete diesen Antrag im wesentlichen wie folgt:

Die Revisionsschrift sei nach Unterzeichnung durch den Vorsteher zwecks Aufgabe zur Post am 11. November 1993 (= Donnerstag) einer Mitarbeiterin der Geschäftsstelle übergeben worden, wobei die Dringlichkeit der Angelegenheit hervorgehoben worden sei. Diese Mitarbeiterin habe die Revisionsschrift gemäß der Verfügung "zur Post gegen EB" in einen entsprechend adressierten Briefumschlag gegeben und das Schriftstück der Dringlichkeit wegen umgehend persönlich zur Poststelle des FA gebracht, um so die Aufgabe der Sendung zur Bundespost noch am selben Tag (11. November 1993) sicherzustellen.

Die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle habe dementsprechend in der Verfügung zur Revisionsschrift den "Ab-Vermerk" "11. 11. 1993" notiert, wobei sie irrtümlich als selbstverständlich vorausgesetzt habe, daß die für das FG bestimmte Post immer durch die Bundespost befördert werde, wohingegen sie gemäß einer Anordnung der Oberfinanzdirektion (OFD) in der Regel per Kurier über die OFD zum FG transportiert werde. Der Mitarbeiterin sei nicht erinnerlich, daß sie in der Poststelle besonders auf die Dringlichkeit der Angelegenheit hingewiesen habe. Entgegen ihren Vorstellungen sei das Kuvert mit der Revisionsschrift in der Poststelle entsprechend der generellen Weisung der OFD in einen weiteren Umschlag gesteckt und auf dem Kurierweg über die OFD, wo es spätestens am 16. November 1993 (= Dienstag) eingetroffen sein müsse, an das FG befördert worden. Der Bote des FG habe die Sendung sodann erst am 19. November 1993 (= Freitag) abgeholt.

Die Fristversäumung beruhe daher darauf, daß die Revisionsschrift entgegen den differenzierenden Anordnungen des Vorstehers in der Verfügung zur Revisionsschrift vom 11. November 1993 und in der Verfügung betreffend dem Bericht an die OFD vom selben Tage und trotz der Dringlichmachung "per Kurier" befördert, statt "zur Post" gegeben worden sei.

An diesem Geschehensablauf und der daraus resultierenden Fristüberschreitung treffe das FA kein Verschulden, weil es schlechterdings nicht vorhersehbar gewesen sei, daß die vom Vorsteher eingeschaltete Botin (Mitarbeiterin der Geschäftsstelle) irrtümlich davon ausgehen könnte, eine Weitergabe des Hinweises auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit sei gegenüber der Poststelle entbehrlich.

Daß eine Beförderung des Schriftstücks auf dem Kurierweg möglich gewesen sei, habe die Mitarbeiterin in Unkenntnis der entsprechenden generellen Weisung der OFD nicht vorhersehen können. Die diesbezügliche Unkenntnis der Mitarbeiterin und das daraus folgende Unterlassen der Weitergabe des Dringlichkeitshinweises habe wiederum der Vorsteher des FA nicht vorhersehen können, weil zum einen die Zuverlässigkeit dieser Mitarbeiterin außer Frage gestanden habe und zum anderen aus seiner Sicht infolge der differenzierenden Verfügung "per Kurier" bzw. "zur Post gegen EB" die unterschiedlichen Beförderungsarten hinreichend klar vorgegeben gewesen seien.

Im übrigen sei auch bei der tatsächlich erfolgten Kurierbeförderung nicht vorhersehbar gewesen, daß die Post durch den Kurier des FG erst am 19. November 1993 bei der OFD abgeholt werden würde. Insoweit dürften etwaige Unzulänglichkeiten in der Empfangsbereitschaft des FG nicht zum Nachteil der Prozeßbeteiligten gehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 9. März 1971 II R 94/67, BFHE 102, 207, BStBl II 1971, 597; Beschlüsse vom 21. November 1974 IV B 66--67/74, BFHE 114, 321, BStBl II 1975, 300, und vom 11. Mai 1976 VII B 37/75, BFHE 119, 19, BStBl II 1976, 570).

In einem weiteren Schreiben vertritt das FA die Auffassung, daß die Revisionsschrift dem FG fristgerecht zugegangen sei. Die Praxis der Kurierbeförderung gehe auf eine Anregung des FG zurück.

Deshalb sei in der Poststelle der OFD für Sendungen an das FG ein Postfach mit der Aufschrift "Finanzgericht" eingerichtet worden. Die für das FG bestimmte Post werde durch Boten des FG zweimal wöchentlich -- dienstags und freitags -- abgeholt. Beim FG erhielten diese Postsendungen einen Eingangsstempel mit dem Datum des Tages, an dem sie vom Kurier des FG bei der OFD abgeholt würden.

Im vorliegenden Fall sei die Revisionsschrift vom Kurier des FG erst am 19. November 1993 abgeholt und mit einem Posteingangsstempel des FG vom 19. November 1993 versehen worden. Jedoch sei die Revisionsschrift dem FG bereits eher, und zwar zwischen dem 16. November 1993 und dem 18. November 1993, zugegangen.

Der Kurierdienst zwischen FA und OFD verkehre zwischen Montag und Donnerstag täglich. Der Kurierdienst liefere die Post am jeweiligen Abend des Beförderungstages gegen 16 Uhr in der OFD ab, wo sie dann am Morgen des folgenden Werktages in die Fächer einsortiert werde. Da der 12. November 1993 ein Freitag gewesen sei, an dem der Kurierdienst nicht verkehre, sei davon auszugehen, daß die Revisionsschrift am Montag, dem 15. November 1993, zur OFD gebracht worden und am Dienstagmorgen in das Postfach des FG einsortiert worden sei. Selbst wenn das Schriftstück, was auszuschließen sei, erst am Dienstag, dem 16. November 1993, vom Kurierdienst des FA zur OFD gebracht worden sei, sei es, da der 17. November 1993 ein Feiertag gewesen sei, spätestens am Donnerstag, dem 18. November 1993, in das Postfach des FG einsortiert worden. Nach der zwischen FG und OFD getroffenen Vereinbarung hole das FG seine Post mit einem eigenen Kurier bei der OFD ab. Das Postfach bei der OFD sei deshalb mit einem Postfach bei der Deutschen Bundespost vergleichbar. Im Falle des Einlegens einer Postsendung in ein Postfach des Empfängers gehe die Sendung dem Inhaber zu, wenn und sobald nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit einer Leerung des Postfachs zu rechnen sei (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 1975 IV R 150/71, BFHE 119, 201, BStBl II 1976, 764). Hierbei sei es unerheblich, ob das Postfach tatsächlich geleert und der entnommene Brief überhaupt zur Kenntnis genommen worden sei. Nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs sei es absolut ungewöhnlich, daß eine Justizbehörde ein für sie bestimmtes Postfach nur zweimal wöchentlich leere. Von einer Privatperson werde erwartet, ein Postfach auch am Samstag zu leeren (BFH in BFHE 119, 201, BStBl II 1976, 764). Demzufolge habe vom FG zumindest erwartet werden können, daß es das Postfach bei der OFD an den Tagen, an denen in der OFD Dienst verrichtet werde, entleere.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der in § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgesehenen Monatsfrist eingelegt wurde und dem Antrag des FA auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) nicht entsprochen werden kann.

1. Entgegen der Ansicht des FA ist die Revision erst am 19. November 1993 und mithin um einen Tag verspätet erhoben worden.

Das angefochtene Urteil ist dem FA am 18. Oktober 1993 zugestellt worden. Die Revisionsfrist endete folglich mit Ablauf des 18. November 1993, einem Donnerstag. Das FG versah die bei ihm eingegangene Revisionsschrift mit dem Eingangsstempel vom 19. November 1993. Dies entsprach der materiellen Rechtslage; denn erst an diesem Tag ist die Revisionsschrift dem FG dadurch zugegangen, daß dessen Bote sie bei der OFD abgeholt hat.

Entgegen der vom FA vertretenen Auffassung war die Revisionsschrift dem FG nicht bereits in dem Augenblick zugegangen, in dem sie von einem Bediensteten der OFD in ein für die Kurierpost an das FG bestimmtes Fach einsortiert worden war. Der Senat braucht deshalb nicht zu ermitteln, ob -- wie das FA behauptet hat -- die an das FG adressierte Revisionsschrift noch innerhalb der Revisionsfrist, d. h. vor Ablauf des 18. November 1993, in das für das FG bestimmte Fach bei der OFD eingeordnet wurde.

Ein Schriftstück ist dem Empfänger in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem es derart in dessen Machtbereich gelangt ist, daß ihm die Kenntnisnahme normalerweise möglich war und nach den Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs auch erwartet werden konnte (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 3. August 1978 VI R 73/78, BFHE 125, 498, BStBl II 1978, 649, 650 m. w. N.; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 122 AO 1977 Tz. 6 m. w. N.). Nach diesen Grundsätzen ist ein Zugang auch dann anzunehmen, wenn der Adressat ein Post(schließ)fach unterhält, die Sendung dort einsortiert wird und der Empfänger nach gewöhnlichem Geschehensablauf in der Lage ist, von (dem Inhalt) der Sendung Kenntnis zu nehmen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 119, 201, BStBl II 1976, 764).

Der Senat kann offenlassen, ob das bei der OFD eingerichtete Fach für die an das FG adressierten Sendungen aus dem Bereich der Finanzverwaltung mit einem bei einem Postamt unterhaltenen Post(schließ)fach vergleichbar ist. Jedenfalls genügte es für einen Zugang der Revisionsschrift beim FG nicht, daß dieses Schriftstück in das bei der OFD eingerichtete Fach einsortiert wurde. Ein Zugang kann vielmehr frühestens zu dem Zeitpunkt angenommen werden, an dem nach den berechtigten Erwartungen des Absenders (FA) mit einer Abholung der Sendung durch den Boten des FG gerechnet werden konnte und durfte. Aufgrund der vom FG geübten Abholpraxis konnte und durfte das FA nicht davon ausgehen, daß das besagte Fach (werk-)täglich geleert werde. Das FA hat denn auch nicht vorgetragen, daß es mit einer (werk-)täglichen Leerung des Fachs gerechnet habe. Nach den tatsächlichen Gepflogenheiten mußte das FA vielmehr davon ausgehen, daß die Revisionsschrift -- wie geschehen -- erst am Freitag, dem 19. November 1993, abgeholt werde.

Entgegen der Ansicht des FA läßt sich ein Zugang der Revisionsschrift beim FG vor dem Tag der Abholung durch dessen Boten (19. November 1993) nicht mit der Erwägung fingieren, daß das FG die für es bestimmte Kurierpost nur zweimal wöchentlich und damit nicht oft genug durch seine Boten bei der OFD habe abholen lassen. Richtig ist zwar, daß grundsätzlich Verzögerungen bei der Entgegennahme von Schriftstücken durch die Empfangsbehörde, z. B. eine organisationsbedingt verzögerte Abholung von Sendungen aus Postfächern, nicht dem Absender angelastet werden dürfen (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 3. November 1982 2 BvR 1145/81, BVerfGE 62, 216, 221; Tipke/Kruse, a.a.O., § 110 AO 1977 Tz. 17, S. 27). Im Streitfall besteht jedoch die Besonderheit, daß die vom FA (versehentlich) gewählte Kurierbeförderung, bei der das FG die für es bestimmte Post der Finanzbehörden aufgrund eines freiwillig begründeten Entgegenkommens zweimal wöchentlich bei der OFD abholte, lediglich eine zusätzliche, neben die übrigen Beförderungsarten (Bundespost, Eigenkurier) tretende Transportmöglichkeit darstellte. Dem FA war der besondere Zeitaufwand dieses ihm zusätzlich zu Gebote stehenden Transportweges bekannt. In eiligen Terminsachen mußte daher das FA zur Ausschaltung bzw. Minderung des Risikos von Fristversäumnissen ein anderes -- schnelleres -- Beförderungsmittel wählen, was ja auch beabsichtigt und nur infolge eines Versehens unterblieben war.

2. Dem Antrag des FA auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht entsprochen werden.

a) Bei Versäumung der Revisionsfrist ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Revisionskläger ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 56 FGO). Verschuldet ist die Säumnis, wenn die gebotene und nach den Umständen zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen wurde. Jedes Verschulden -- also auch einfache Fahrlässigkeit -- schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 7. August 1970 VI R 24/67, BFHE 100, 71, BStBl II 1970, 814, und Beschluß vom 1. Oktober 1981 IV R 100/80, BFHE 134, 220, BStBl II 1982, 131).

b) Im Streitfall hat das FA die Revisionsfrist nicht unverschuldet versäumt. Die Fristversäumnis beruht darauf, daß die Revisionsschrift nicht -- wie es nach Lage der Dinge geboten gewesen wäre -- auf dem normalen Postweg, sondern auf dem wesentlich zeitaufwendigeren Kurierweg über die OFD an das FG befördert wurde. Dem Vorsteher des FA waren die Umstände, die zu dem erheblichen Zeitaufwand der Kurierbeförderung führten, bekannt. Deshalb beabsichtigte er denn auch, abweichend von der im Behördenverkehr mit dem FG im Regelfall gewählten Beförderung "per Kurier", die Revisionsschrift dem FG durch die Bundespost zu übermitteln. Um die Verwirklichung dieses Vorhabens -- dem, wie dargelegt, Ausnahmecharakter zukam -- sicherzustellen, genügte es allerdings entgegen der Ansicht des FA nicht, daß der Vorsteher die von ihm in den Absendevorgang eingeschaltete Mitarbeiterin der Geschäftsstelle auf die Dringlichkeit der Angelegenheit hinwies sowie in seiner Verfügung zur Revisionsschrift anordnete, daß die Sendung "zur Post gegen EB" zu geben sei. Abgesehen davon, daß die Verfügung des Vorstehers "zur Post gegen EB" durchaus mehrdeutig interpretiert werden kann, d. h. nicht zwingend i. S. von "Aufgabe zur Bundespost" zu verstehen sein muß, vermochte diese Anweisung an die Mitarbeiterin, auch in Verbindung mit dem pauschalen Dringlichkeitshinweis, jedenfalls dann nicht die vom Vorsteher ins Auge gefaßte Beförderungsart "Bundespost" mit hinlänglicher Sicherheit zu garantieren, wenn -- wie hier -- die mit der Postabfertigung betraute Mitarbeiterin von den vom FA im Postverkehr mit dem FG praktizierten Beförderungsgepflogenheiten gar nichts wußte und davon ausging, daß auch ohne besondere Anweisung die Bundespost mit der Beförderung betraut werde. Denn in diesem Fall hatte die Mitarbeiterin -- und mochte sie noch so sehr auf die Dringlichkeit der Angelegenheit hingewiesen worden sein --, wie das FA selbst zugibt, gar keine Veranlassung, in der Postausgangsstelle des FA auf eine Beförderung durch die Bundespost hinzuwirken.

Es kann offenbleiben, ob das FA ein Organisationsverschulden deswegen trifft, weil es die in den Postausgangsverkehr eingeschalteten Mitarbeiter(innen) nicht generell über die Beförderungsgepflogenheiten im Verkehr mit anderen Behörden und Gerichten aufgeklärt hat. Jedenfalls liegt schon ein singuläres Verschulden des Vorstehers darin, daß er sich nicht über die Kenntnisse der von ihm betrauten Mitarbeiterin über den Postverkehr vergewisserte, um evtl. zutage tretende Wissenslücken zu beseitigen. Eine dahingehende Obliegenheit des Vorstehers entfiel auch nicht dadurch, daß er in der Verfügung zur Revisionsschrift vom 10. November 1993 und in der Verfügung zum dazugehörigen Bericht an die OFD vom 11. November 1993 in bezug auf die Beförderungsart unterschiedliche Anweisungen erteilt hatte, nämlich im ersten Fall die Anordnung "zur Post gegen EB" und im zweiten Fall die Anordnungen "per Fax vorab:" und "per Kurier ab:" Denn diese differenzierenden Verfügungen sagten über das vom FA praktizierte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Kurier- und Bundespostbeförderung nichts aus und waren deshalb nicht geeignet, die Fehlvorstellung der Mitarbeiterin der Geschäftsstelle über die regelmäßige Beförderungsart zu beseitigen und sie deshalb zu veranlassen, bei der Postausgangsstelle auf eine Beförderung der Revisionsschrift durch die Bundespost hinzuwirken.

Damit hat der Vorsteher nicht das seinerseits Erforderliche getan, um die fristgerechte Beförderung der Rechtsmittelschrift zu ermöglichen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 134

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