Entscheidungsstichwort (Thema)

Überprüfung bestandskräftig festgesetzter Steuern

 

Leitsatz (NV)

Bestandskräftig festgesetzte Steuern können im Billigkeitsverfahren nur dann sachlich überprüft werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 126 Abs. 4

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war im Streitjahr (1978) als nichtselbständiger Berufskraftfahrer tätig. 1953 hatte er von seinem Großvater einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb geerbt, den er im Jahr 1978 verkaufte. Da er trotz Aufforderung des Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) für die Jahre 1978 bis 1980 keine Steuererklärungen abgab, schätzte das FA für das Streitjahr die Besteuerungsgrundlagen unter Berücksichtigung der für den Grundbesitz erzielten Veräußerungspreise sowie der Buchwerte und setzte die Einkommensteuer 1978 auf . . . DM fest.

Das FA wies den mit dem Hinweis begründeten Einspruch des Klägers, er habe nie einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb geführt, mit der - nicht angefochtenen - Einspruchsentscheidung vom 2. September 1985 zurück. Ab 1986 zog das FA monatlich . . . DM im Rahmen der Lohnpfändung ein.

Am 4. August 1988 beantragte der Antragsteller den Erlaß der noch offenstehenden Einkommensteuer 1978. Das FA lehnte das im wesentlichen mit Berufung auf die Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides ab.

Mit der Beschwerde machte der Antragsteller geltend: Die Überprüfung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides sei zulässig, weil er alles getan habe, um die unrichtige Festsetzung zu verhindern. Sein Begehren habe er nicht weiterverfolgen können, weil ihm die hierfür benötigten Unterlagen gefehlt hätten. Im übrigen habe er durch die Veräußerung des Grundbesitzes persönlich keinen Gewinn erzielt, weil der Kaufpreis zur Verringerung von Bankverbindlichkeiten verwendet worden sei, die schon von seinem Vater herrührten. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die Oberfinanzdirektion (OFD) führte aus: Eine sachliche Unbilligkeit liege nicht vor, wei der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid weder offensichtlich unrichtig noch es dem Antragsteller unzumutbar bzw. unmöglich gewesen sei, sich gegen den Bescheid zu wehren. Ein Erlaß aus persönlichen Gründen scheitere bereits daran, daß der Antragsteller nicht erlaßwürdig sei.

Dagegen richtet sich die Klage, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat. Den zugleich gestellten Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) und Beiordnung des Prozeßbevollmächtigten lehnte das FG ab.

Die dagegen erhobene Beschwerde begründet der Antragsteller im wesentlichen wie folgt: Er habe am 19. Oktober 1989 einen Herzinfarkt erlitten und werde wohl kaum noch in seinem Beruf als Kraftfahrer tätig sein können. Er erhalte derzeit Krankengeld, die Bezüge seien so gering, daß sie nicht pfändbar seien. Er habe daher keine Chance, die Steuerbeträge irgendwann einmal durch Zahlung auszugleichen.

Einkünfte aus landwirtschaftlicher Tätigkeit habe er zu keiner Zeit erzielt. Auf seinen, von seinem Großvater ererbten Flächen habe sein Vater einen Gartenbaubetrieb geführt. Die freigebliebenen Flächen seien an die späteren Käufer seit 1972 verpachtet gewesen.

Daraus, daß er die für ihn ungünstigen Veranlagungen nicht angefochten habe, sei ihm kein Vorwurf zu machen, weil er nicht verstanden habe, was von ihm verlangt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Gemäß § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Prozeßbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem Gesuch sind gemäß § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 und 4 ZPO eine Erklärung des Prozeßbeteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen.

Das FG hat es zu Recht abgelehnt, dem Antragsteller PKH zu bewilligen.

Der Antrag war schon deshalb abzulehnen, weil der Antragsteller ihm keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem hierfür vorgeschriebenen Vordruck sowie entsprechende Belege beigefügt hat (§ 117 Abs. 2 und 4 ZPO; Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Juli 1987 II B 78/87, BFH/NV 1988, 518). Trotz der Ankündigung seines Prozeßbevollmächtigten, die erforderliche Erklärung werde nachgereicht, ist dies trotz der Aufforderung des FG vom 22.Juni 1989 bislang nicht erfolgt. Den Herzinfarkt hat der Antragsteller jedoch nach seinen eigenen Angaben erst am 19. Oktober 1989 erlitten, also erst zwei Wochen nach der Zustellung des ablehnenden Beschlusses des FG (4. Oktober 1989).

Angaben des Antragstellers zu seinen persönlichen Verhältnissen (Familienstand etc.) und damit auch zur möglichen Inanspruchnahme eines Prozeßkostenvorschusses fehlen völlig. Im übrigen ist aus den Angaben des Antragstellers zu seinen jetzigen Einkommensverhältnissen nicht ersichtlich, weshalb er die Erlöse aus der Veräußerung des von seinem Großvater ererbten Grundbesitzes jetzt nicht einsetzen kann. Daß sie dazu verwandt sein sollen, die von seinem Vater herrührenden Bankverbindlichkeiten zu verringern, besagt nämlich nicht, daß der Antragsteller deshalb vermögenslos ist. Vielmehr ist - unabhängig von der Frage, ob die Erlöse vollständig durch die Ablösung fremder Verbindlichkeiten aufgezehrt worden sind - davon auszugehen, daß der Antragsteller dann Ausgleichsansprüche gegen seinen Vater hat. Angesichts dessen hätte der Antragsteller eingehend darlegen müssen, weshalb er inzwischen vermögenslos geworden ist.

Zudem bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können Steuern, die bestandskräftig festgesetzt worden sind, nur dann im Billigkeitsverfahren sachlich überprüft werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren (z.B. BFH-Urteil vom 11.März 1988 III R 236/84, BFH/NV 1989, 432).

Da der Antragsteller bei Verpachtung des ererbten land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gegenüber dem FA nicht erklärt hat, er gebe den Betrieb auf, konnte dieses davon ausgehen, daß der Betrieb des Klägers bis zur Veräußerung der Flächen im Streitjahr fortbestanden hat (BFH-Urteil vom 2. Februar 1989 IV R 46/87, BFH/NV 1990, 86). Ferner durfte das FA die Besteuerungsgrundlagen schätzen (§ 162 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Daß der Antragsteller mit den Veräußerungserlösen Verbindlichkeiten seines Vaters, also fremde Verbindlichkeiten, abgelöst haben mag, ist für die Höhe des Veräußerungsgewinns unerheblich.

Zudem hat der im Einspruchsverfahren durch einen Steuerbevollmächtigten vertretene Antragsteller nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare getan. Obwohl das FA diesem auch mitgeteilt hat, wie es den angesetzten Veräußerungsgewinn ermittelt hatte, sind trotz der erbetenen und gewährten Fristen die angekündigten Unterlagen nicht eingereicht worden.

Die von dem Antragsteller angegriffene Ablehnung seines Erlaßantrages durch das FA und die OFD läßt auch hinsichtlich der Versagung persönlicher Billigkeitsgründe einen Ermessensfehler (§ 102 FGO) nicht erkennen (vgl. BFH-Beschluß vom 25. April 1986 VI S 3/86, BFH/NV 1988, 518). Die Ablehnung ist nämlich auf die fehlende Erlaßwürdigkeit des Antragstellers gestützt worden, weil er selbst durch die Nichtabgabe von Steuererklärungen und fehlende Mitwirkung im Verwaltungsverfahren die Ursache für die Schätzung gesetzt hat. Das ist nicht zu beanstanden. Denn die schuldhafte Nichtabgabe von Steuererklärungen kann die Erlaßwürdigkeit ausschließen (BFH-Beschluß vom 18. August 1988 V B 71/88, BFH/NV 1990, 137 sowie BFH-Urteil vom 14. November 1957 IV 418/56 U, BFHE 66, 398, BStBl III 1958, 153). Im übrigen ist nichts dafür ersichtlich, daß die behauptete Notlage des Antragstellers angesichts der erzielten Veräußerungserlöse und deren angeblicher Verwendung als einzige Maßnahme der Billigkeit entspreche und damit ermessensfehlerfrei wäre (BFH-Beschluß in BFH/NV 1990, 137).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417618

BFH/NV 1993, 286

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