Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung bei negativem ReferenzmengenFeststellungsbescheid - Härtefall

 

Leitsatz (NV)

1. Als Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes gegen einen negativen Referenzmengen-Feststellungsbescheid - Milchabgabe - kommt nur die Aussetzung der Vollziehung in Betracht (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Die gemeinschaftsrechtliche Härtefallregelung erfaßt nicht die Lage der Milcherzeuger, die in einem anderen Jahr als dem Referenzjahr von einem außergewöhnlichen Ereignis betroffen wurden.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3, 2, § 114 Abs. 5; MGVO § 6 Abs. 1, § 9 Abs. 2 Nr. 1, § 10 Abs. 3 S. 2, § 41 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer, der einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchviehhaltung betreibt, begehrt unter Berufung auf einen Rückgang des Milchertrags im Jahre 1981 infolge Erkrankung von Milchkühen und Viehveräußerung eine Heraufsetzung der ihm berechneten Referenzmenge von . . . kg auf . . . kg. Eine Härtefallbescheinigung wurde dem Antragsteller durch die zuständige Landesstelle nicht erteilt. Das darauf durchgeführte verwaltungsrechtliche Streitverfahren ist rechtskräftig abgeschlossen. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (Hauptzollamt - HZA -) lehnte die begehrte Neuberechnung ab. Hiergegen hat der Antragsteller vor dem Finanzgericht (FG) Klage erhoben und ferner beantragt, das HZA durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihm - Antragsteller - vorläufig eine Referenzmenge von . . . kg zuzuteilen. Das FG lehnte diesen Antrag ab. Es fehle an einem Anordnungsanspruch, weil die erforderliche Härtefallbescheinigung der Landesstelle nicht vorliege, darüber hinaus auch an einem Anordnungsgrund.

Mit der Beschwerde beruft der Antragsteller sich auf eine Äußerung der Landesstelle, aus der sich ergebe, daß die Milcherzeugung in seinem Betrieb 1981 durch ein außergewöhnliches Ereignis betroffen gewesen sei. Allein die fehlende Normierung hinderte ihn daran, eine Bescheinigung nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGVO) beizubringen. In diesem Zusammenhang verweist der Antragsteller auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 27. Juni 1990 Rs C-67/89 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1990, 710; noch nicht amtlich veröffentlicht). Ein Anordnungsgrund liege vor, weil der Antragsteller seinen landwirtschaftlichen Betrieb ohne Anerkennung einer zusätzlichen Referenzmenge aufgrund einstweiliger Anordnung nicht aufrechterhalten könne.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das FG hat im Ergebnis richtig entschieden und den Antrag abgewiesen.

Mit dem Antrag soll eine vorläufige Neufestsetzung durch das HZA (§ 10 Abs. 3 Satz 1 MGVO) erreicht werden. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 18. Februar 1986 VII B 114/85, BFHE 146, 1, und vom 29. September 1987 VII B 98/87, BFH/NV 1988, 66; vgl. auch Beschluß vom 17. Dezember 1985 VII B 116/85, BFHE 145, 289, 292) ist in dem hier vorliegenden Fall des Vorgehens gegen einen negativen Referenzmengen-Feststellungsbescheid die Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheids (§ 69 Abs. 2, 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) als das gegebene Mittel für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes anzusehen. Für einen Antrag auf einstweilige Anordnung fehlt es an dem erforderlichen besonderen Rechtsschutzbedürfnis (§ 114 Abs. 5 FGO; dazu Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 114 Ann. 17), mit der Folge, daß dieser Antrag von vornherein abzuweisen ist.

Selbst wenn der Antrag - wie vom FG stillschweigend angenommen - zulässig wäre, könnte ihm im übrigen aus Sachgründen, nämlich wegen Fehlens eines Anordnungsanspruchs für die begehrte Regelungsanordnung (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung), nicht entsprochen werden.

Nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers ist davon auszugehen, daß in dem maßgebenden Referenzjahr 1983 (vgl. § 4 Abs. 2 MGVO) ein besonderer Härtefall, der - nur - aufgrund einer entsprechenden Bescheinigung der zuständigen Landwirtschaftsbehörde zu einer abweichenden, günstigeren Referenzmenge geführt hätte (vgl. § 6 Abs. 1, § 9 Abs. 2 Nr. 1, § 10 Abs. 3 Satz 2 MGVO; dazu Senat, Urteil vom 28. Oktober 1986 VII R 41/86, BFHE 148, 84), nicht vorgelegen hat und demgemäß nicht bescheinigt worden ist. Die (gemeinschaftsrechtliche) Härtefallregelung erfaßt aber, wie der EuGH in dem vom Antragsteller selbst angeführten Urteil entschieden hat, nicht die Lage der Erzeuger, die in einem anderen Jahr als dem Referenzjahr von einem außergewöhnlichen Ereignis betroffen wurden (hier 1981). Allerdings hat der EuGH auch erkannt (a.a.O.), daß es dem Gemeinschaftsrecht nicht zuwiderläuft, wenn bei Anknüpfung an das Jahr 1983 als Referenzjahr und Anpassung der Referenzmengenbestimmung an die Entwicklung der Lieferungen 1981 bis 1983 durch Kürzungen (vgl. § 4 Abs. 2 MGVO) ,,zum Zwecke dieser Anpassung die Lage . . . der Erzeuger berücksichtigt (wird), deren Milcherzeugung im Jahr 1981 oder 1982 von einem außergewöhnlichen Ereignis betroffen wurde." Ob und inwieweit bei der Frage der Abzüge besondere Situationen der Erzeuger im Jahr 1981 oder 1982 berücksichtigt werden können, bestimmt sich nach innerstaatlichem Recht (EuGH, a.a.O., Abs. 20). Mangels einer ausdrücklichen Vorschrift in der MGVO könnte ein Absehen von Kürzungen nur beansprucht werden, wenn und soweit Grundsätze höherrangigen Rechts die Nichtberücksichtigung geböten. Die Beschwerdebegründung läßt nicht erkennen, daß der Antragsteller den Wegfall von Kürzungen der Referenzmenge erreichen will. Er hat jedenfalls nicht präzisiert, in welchem Umfang er von Abzügen verschont bleiben möchte. Erst recht ist weder aus dem Vorbringen des Antragstellers noch sonst - im Rahmen der im summarischen Eilverfahren wegen einstweiliger Anordnung veranlaßten Prüfung - ersichtlich, daß die Voraussetzungen für eine etwaige Nichtvornahme von Kürzungen gegeben sind. Die Frage, ob in dem vorgelegten Schreiben der Landesstelle oder aus einer früheren Äußerung dieser Behörde die erforderliche Bescheinigung hinsichtlich eines etwaigen Wegfalls des Steigerungsabzugs gesehen werden könnte, stellt sich unter diesen Umständen nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423058

BFH/NV 1992, 429

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