Leitsatz (amtlich)

Richter der Finanzgerichtsbarkeit können nicht - auch nicht unter Hinweis auf § 51 Abs. 3 FGO - allein mit der Begründung als befangen abgelehnt werden, sie hätten zu irgendeinem Zeitpunkt als Beamte der Finanzverwaltung angehört.

 

Normenkette

FGO § 51; ZPO § 41 ff.

 

Tatbestand

Der Kläger und Antragsteller (Antragsteller) hat eine auf § 134 FGO in Verbindung mit § 579 Nr. 1 ZPO gestützte Nichtigkeitsklage (IV K 3/72) gegen das Urteil des VIII. Senats des BFH vom 2. November 1971 VIII R 1/71 erhoben, für die der IV. Senat zuständig (geworden) ist. Ferner hat er beantragt (IV S 2/74), die Vollziehung der Einkommensteuer- und Gewerbesteuermeßbetragsbescheide 1962 bis 1964, deren Rechtmäßigkeit Gegenstand des Verfahrens vor dem VIII. Senat war, auszusetzen.

Der Antragsteller lehnt in den beiden genannten Verfahren von den dem IV. Senat des BFH angehörenden Richtern den Vorsitzenden Richter am BFH a und die Richter am BFH b, c, d und e unter Hinweis auf § 51 Abs. 3 FGO als befangen ab, weil diese früher der Finanzverwaltung angehört hätten und daher bei ihnen die Besorgnis der Befangenheit bestehe.

Die abgelehnten Richter haben sich dienstlich zu dem Ablehnungsgrund geäußert (§ 44 Abs. 3 ZPO). Sie haben erklärt, sie seien nicht befangen. Die Äußerungen wurden dem Antragsteller unter Gewährung einer Frist zur Äußerung zur Kenntnis gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Das Ablehnungsgesuch ist nicht begründet.

Nach § 51 Abs. 1 FGO in Verbindung mit § 42 ZPO kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Ausschließungsgründe sind in § 41 ZPO aufgezählt. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Nach § 51 Abs. 3 FGO ist die Besorgnis der Befangenheit stets begründet, "wenn der Richter … der Vertretung einer Körperschaft angehört oder angehört hat, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden".

1. Eindeutig liegt hier keiner der Ausschließungsgründe des § 41 ZPO vor. § 51 Abs. 3 FGO erweitert nicht etwa die Ausschließungsgründe. Auch wenn bei Vorliegen seines Tatbestandes die Besorgnis der Befangenheit stets begründet ist, kann daraus nicht geschlossen werden, daß der Richter automatisch von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen sei, sondern nur, daß er als befangen abgelehnt werden oder sich nach § 48 Abs. 1 ZPO selbst ablehnen kann. Das zeigt gerade die eindeutig unterschiedliche Wortwahl in § 51 Abs. 2 FGO einerseits und § 51 Abs. 3 FGO andererseits wie auch der Hinweis auf § 42 FGO, nach dem ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit "abgelehnt" werden kann.

2. Soweit der Antragsteller mit seinem Vortrag geltend macht, eine Person, die einmal der Finanzverwaltung angehört habe, könne nicht Richter der Finanzgerichtsbarkeit sein, kann er schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sonst die Vorschrift des § 51 Abs. 2 FGO unverständlich wäre, die einen Richter von der Ausübung seines Amtes nur dann ausschließt, wenn er bei dem (konkreten, den Gegenstand des Streits bildenden) vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hatte, also eine allgemeine Tätigkeit bei der Verwaltung nicht genügen läßt. Dem kann auch nicht mit dem Einwand begegnet werden, wenn solche Richter auch nicht ausgeschlossen seien, so seien sie doch befangen. Denn die Besorgnis der Befangenheit kann nicht bezüglich einer ganzen Gruppe von Richtern mit allgemeinen Erwägungen, sondern nur hinsichtlich eines oder mehrerer individuell bestimmter Richter mit gerade aus deren individuellen Besonderheiten hergeleiteten Argumenten begründet werden (vgl. auch den Beschluß des III. Senats des BFH vom 21. Juli 1967 III B 37/67, BFHE 90, 160, BStBl II 1968, 12).

3. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 FGO sind hier nicht erfüllt. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift sind nur solche Personen gemeint, die der "Vertretung" einer Körperschaft angehört haben. In der Gesetzessprache ist unter der "Vertretung" bei Körperschaften (wie bei juristischen Personen ganz allgemein) das Organ zu verstehen, das die Körperschaft nach außen vertritt, also mit rechtsverbindlicher Wirkung für die Körperschaft zu handeln befugt ist. Gebraucht der Gesetzgeber einen derartigen gesetzestechnischen Begriff, so muß mangels gewichtiger Gegengründe unterstellt werden, daß er ihn auch in dieser seiner gesetzestechnischen Bedeutung gebrauchen wollte. Gegengründe sind hier nicht erkennbar. Es ist im Gegenteil sachgerecht, daß nur solche Personen als regelmäßig befangen (und damit praktisch ausgeschlossen) gelten, die einen maßgeblichen Einfluß innerhalb der beteiligten Körperschaft ausüben oder ausübten. Daß diese enge (auch wohl von Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 51 Anm. 30 vertretene) Auslegung richtig ist, zeigt auch die bereits erwähnte Vorschrift des § 51 Abs. 2 FGO, die zwar von der Ausschließung handelt, aber doch die Tendenz erkennen läßt, daß auch die einer Ausschließung fast gleichkommenden Fälle der Befangenheit nach § 51 Abs. 3 FGO auf einen verhältnismäßig kleinen und genau zu bezeichnenden Kreis beschränkt werden sollen. Unter § 51 Abs. 3 FGO fallen daher nur solche Richter, die z. B. (als Minister) den Bund oder ein Land vertreten oder eine entsprechende Funktion innerhalb einer Gemeinde ausgeübt haben oder die zum Vorstand einer an dem Rechtsstreit interessierten Aktiengesellschaft u. ä. gehört haben.

Im vorliegenden Falle wären, da das Finanzamt als Beklagter auftritt und die Interessen der hebeberechtigten Gemeinde berührt sein könnten, allenfalls nur solche Richter als befangen anzusehen, die entweder Bundesfinanzminister oder Landesfinanzminister oder Gemeindevertreter waren. Daß die abgelehnten Richter diesem Kreis angehört hätten, wird vom Antragsteller selbst nicht behauptet. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden.

4. Weitere Gründe, die die Besorgnis rechtfertigen könnten, daß alle abgelehnten Richter oder einzelne der abgelehnten Richter nicht unparteiisch sein könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413346

BStBl II 1974, 385

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