Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit

 

Leitsatz (NV)

Aus entscheidungsvorbereitenden Maßnahmen kann keine Besorgnis der Befangenheit hergeleitet werden, auch wenn der Kläger die Maßnahmen für unrichtig hält.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2

 

Tatbestand

Mit Bescheid vom 27. November 1991 erklärte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Einkommensteuerbescheid 1979 hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrags und des allgemeinen Tariffreibetrags gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) für vorläufig. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) machte den geänderten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens (Schreiben vom 9. Dezember 1991). Mit Schreiben vom 13. März 1992 trägt der Kläger - neben weiteren Punkten - vor, daß durch den Vorläufigkeitsvermerk das Verfahren zum Stillstand gekommen sei. Da der Vermerk auf einer Anregung des Senatsvorsitzenden beruhe, beantragt der Kläger, den Vorsitzenden Richter am Bundesfinanzhof (BFH) A wegen Befangenheit abzulehnen. A hat erklärt, daß er sich nicht befangen fühle.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist unbegründet.

Nach § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Mißtrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, daß der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (BFH-Beschlüsse vom 21. September 1977 I B 32/77, BFHE 123, 305, BStBl II 1978, 12, und vom 30. August 1989 IX B 82/89, BFH/NV 1990, 317). Durch das Institut der Richterablehnung sollen die Beteiligten vor Unsachlichkeit geschützt werden. Es ist kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige bzw. für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, gleichgültig, ob diese Ansichten formelles oder materielles Recht betreffen (BFH-Beschlüsse vom 17. Juli 1974 VIII B 29/74, BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638, und vom 16. Februar 1989 X B 99/88, BFH/NV 1989, 708).

Für ein unsachliches Verhalten sind keine Anhaltspunkte gegeben. Die Anregung, einen Vorläufigkeitsvermerk anzubringen, diente der Entscheidungsvorbereitung (§§ 121, 79 FGO) und führt - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht zu einem Stillstand des Verfahrens. Sie entsprach einer von mehreren Senaten des BFH zugunsten der Steuerpflichtigen gepflogenen Übung.

Im übrigen wird zur Möglichkeit, einen Bescheid nachträglich für vorläufig zu erklären, auf das BFH-Urteil vom 6. Dezember 1991 III R 25/89, BFH/NV 1992, 364, hingewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423117

BFH/NV 1992, 760

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