Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung bei Rechtsfehlern

 

Leitsatz (NV)

Rechtsfehler können nur dann eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, daß die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht. Das gilt auch für Verfahrensfehler.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat durch seinen Prozeßbevollmächtigten beim Finanzgericht (FG) Klage wegen Einkommensteuer 1975 erhoben. Die Klageschrift enthielt die Anträge zur Sache. Weiter beantragte der Kläger, den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) zur Übersendung der den Streitfall betreffenden Akten aufzufordern und diese anschließend zur Einsichtnahme an das FA L zu senden, damit die Klage begründet werden könne.

Der Vorsitzende des Senats beim FG hat den Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit Verfügung vom 11. Januar 1988 zur Begründung der Klage aufgefordert und zugleich erläutert, daß erst nach Eingang der Begründung das FA zur Stellungnahme und Übersendung der Akten aufgefordert werden könne. Erst dann könne dem Antrag auf Akteneinsicht entsprochen werden.

Mit Schreiben vom 15. März 1988 erinnerte der Berichterstatter, Richter R, den Prozeßbevollmächtigten an die Erledigung der Verfügung vom 11. Januar 1988.

Daraufhin lehnte der Kläger Richter R wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Den Antrag begründete er im wesentlichen damit, der Richter verhindere - wie in anderen Verfahren auch -, daß sämtliche Akten dem Gericht vorgelegt werden, um das Recht auf Akteneinsicht zu unterlaufen. Der Kläger werde an einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gehindert, weil seine Unterlagen beschlagnahmt seien und anders dem Prozeßbevollmächtigten eine Überprüfung der Bescheide nicht möglich sei.

Das FG wies nach Einholung einer dienstlichen Äußerung das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurück.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat.

Zur Begründung wiederholt der Kläger im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen, ihm sei durch die Verfahrensweise des Berichterstatters eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung nicht möglich, weil seine eigenen Unterlagen beschlagnahmt seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet.

Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung findet die Ablehnung eines Richters statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Hierdurch sollen die Verfahrensbeteiligten vor Unsachlichkeit geschützt werden. Entscheidendes Kriterium für die Richterablehnung ist daher, ob der Betreffende bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Januar 1972 2 BvA 1/69, Die öffentliche Verwaltung 1972, 312; Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555). Das Institut der Richterablehnung ist kein geeignetes Mittel für die Beteiligten, sich gegen unrichtige bzw. für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, gleichgültig, ob diese Ansichten formelles oder materielles Recht betreffen (BFH-Beschluß vom 17. Juli 1974 VIII B 29/74, BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638; Beschluß vom 7. Mai 1986 I B 70/85, BFH/NV 1987, 653, 654).

Der vom Kläger vorgetragene Ablehnungsgrund besteht im wesentlichen in dem Vorwurf einer unrichtigen Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften (§ 78 FGO). Rechtsfehler sind jedoch keine Befangenheitsgründe; sie können eine Besorgnis der Befangenheit ausnahmsweise nur dann rechtfertigen, wenn Gründe dargetan sind, die dafür sprechen, daß die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BFH in BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638; Zöller / Vollkommer, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 15. Aufl., 1987, § 42 Anm. 28 und Gräber /Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 51 Anm. 40, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Derartige Umstände hat der Kläger nicht dargetan. Der unsubstantiierte Hinweis jedenfalls, der abgelehnte Richter verhindere auch in anderen Verfahren das Recht auf Akteneinsicht, rechtfertigt eine solche Annahme nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416283

BFH/NV 1989, 708

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