Rz. 94

In Bezug auf das BFH-Urteil zur Erschließung[8] erklärt der BFH hiervon abzuweichen. Die Aufgabe eines Urteils eines anderen Senats war hier (zutreffend) nicht gewollt, eine hiervon ausgehende Bindungswirkung sollte im Hinblick auf das im Streitfall ergangene EuGH-Urteil vermieden werden. Hierzu äußert sich der BFH in Rz. 29 seiner neuen Entscheidung dahingehend, dass der BFH in dem Urteil zur Erschließung entschieden habe, dass

"ein Vorsteuerabzug ... nicht in Betracht [komme], wenn der Unternehmer bereits bei Leistungsbezug beabsichtigt, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S. von § 3 Abs. 1b UStG zu verwenden. Dies gelte – so der V. Senat – auch, wenn er mit dieser Entnahme mittelbar Ziele verfolgt, die ihn nach seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigen würden. Diese Auffassung ist nach Ergehen des EuGH-Urteils Mitteldeutsche Hartstein-Industrie (EU:C:2020:712) überholt."

 

Rz. 95

Ob insoweit überhaupt eine geänderte Sichtweise vorliegt, lässt sich unterschiedlich beurteilen. Nach den Leitsätzen seines Erschließungsurteils hat der BFH dort Folgendes entschieden:

Beabsichtigt der Unternehmer bereits bei Leistungsbezug, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S.v. § 3 Abs. 1b UStG 1999 zu verwenden, ist er nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (Änderung der Rechtsprechung). Dies gilt auch, wenn er mit dieser Entnahme mittelbar Ziele verfolgt, die ihn nach seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigen würden.

Der Unternehmer ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er bei Errichtung von Erschließungsanlagen beabsichtigt, diese einer Gemeinde durch Zustimmung zur öffentlich-rechtlichen Widmung der Anlagen unentgeltlich i.S.v. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG zuzuwenden. Dies gilt auch, wenn er bei der Herstellung und Zustimmung zur Widmung der Erschließungsanlagen –mittelbar– beabsichtigt, Grundstücke im Erschließungsgebiet steuerpflichtig zu liefern.

 

Rz. 96

Die Versagung des Vorsteuerabzugs beruht im Erschließungsurteil somit auf der Bejahung einer Entnahme nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG. Damit liegt in Bezug auf den Vorsteuerabzug eine Abweichung erst dann vor, wenn der BFH im Erschließungsfall eine Entnahme unzutreffenderweise bejaht hätte. Davon ist aber zumindest (derzeit) nicht auszugehen, da der EuGH in Rz. 65 seines Urteils die Entnahme insbesondere mit dem Argument abgelehnt hatte, dass

"das Ergebnis dieser Arbeiten – die Straße, die erschlossen wurde, um den Schwerlastverkehr aufzunehmen, der vom Betrieb des Kalksteinbruchs hervorgerufen wird – ... vor allem für ihre Bedürfnisse [die der Unternehmerin] genutzt" wird.

 

Rz. 97

Auf Erschließungsanlagen, die ein Unternehmer herstellt, damit er diese als in einem Gewerbegebiet liegend verkaufen kann, trifft das jedenfalls so nicht zu. In diesem Zusammenhang könnte der EuGH u.U. auch zu fragen sein, inwieweit der Begriff des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs dahingehend zu verstehen sein soll, dass er sich auch auf indirekte und mittelbare Zusammenhänge bezieht.

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