Dachreparatur nach Montage einer Photovoltaikanlage

Wird aufgrund unsachgemäßer Montage einer unternehmerisch genutzten Photovoltaik-Anlage das Dach eines eigenen Wohnzwecken dienenden Hauses beschädigt, steht dem Unternehmer für die zur Beseitigung des Schadens notwendigen Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten der Vorsteuerabzug zu.

Hintergrund: Dachreparatur nach Montage einer Photovoltaikanlage

X installierte in 2009 eine Photovoltaikanlage (PV-Anlage) auf dem Dach seines privat genutzten Hauses. Den Strom lieferte er umsatzsteuerpflichtig an den Netzbetreiber, ordnete die PV-Anlage rechtzeitig vollständig einem Unternehmen zu und nahm den vollen Vorsteuerabzug für die PV-Anlage in Anspruch.

In 2019 (Streitjahr) wurde festgestellt, dass aufgrund der unsachgemäßen Montage der PV-Anlage in 2009 das Dach beschädigt ist. Durch das nicht fachgerechte Anbohren der Ziegel konnte Feuchtigkeit in das Dach eindringen.

X ließ auf eigene Kosten den Schaden reparieren. Für die Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten stellten der Dachdecker sowie Zimmerer USt in Rechnung (3.851 EUR bzw. 379 EUR). 

X machte den vollen Vorsteuerabzug geltend, da der Schaden nur durch die unternehmerische Nutzung des Dachs (durch die PV-Anlage) entstanden sei. Die Schadensbeseitigung sei daher aus unternehmerischen Gründen erfolgt.

Das FA versagte den Vorsteuerabzug. Es ging davon aus, für den Vorsteuerabzug aus der Dachsanierung nur die künftige Nutzung des Dachs maßgeblich. Dies sei zu über 90 % nichtunternehmerisch, da das Dach den privaten Wohnraum bedecke. Wegen der unternehmerischen Nutzung unter 10 % sei der Vorsteuerabzug komplett zu versagen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG). Dem folgte das FG und wies die Klage ab.

Entscheidung: Berücksichtigung des ausschließlichen Entstehungsgrundes der Kosten

Der BFH widerspricht dem FG. X hat mit dem Betrieb der PV-Anlage eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt. Er ist daher aus den Leistungen zur Beseitigung der Schäden, die an dem Dach seines privat genutzten Wohnhauses bei der Anbringung der PV-Anlage entstanden sind, zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Grundsätze des Vorsteuerabzugs

Der Vorsteuerabzug setzt einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen voraus. Das Abzugsrecht besteht nur, wenn die Ausgaben zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören (z.B. BFH v. 16.12.2020, XI R 13/19, BStBl II 2022 S. 389 Rz. 59).

Objektiver Inhalt des Umsatzes

Der direkte und unmittelbare Zusammenhang beurteilt sich nach dem objektiven Inhalt des betreffenden Umsatzes. Dabei ist nicht nur die Verwendung der vom Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen entscheidend, sondern auch der ausschließliche Entstehungsgrund des Eingangsumsatzes. Dieser ist ein Kriterium für die Bestimmung des objektiven Inhalts (vgl. EuGH-Urteil Finanzamt R v. 8.9.2022, C-98/21, EU:C:2022 S. 645, Rz. 49).

Kosten stehen daher auch dann in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, soweit sie ihren ausschließlichen Entstehungsgrund in dieser Tätigkeit haben (vgl. BFH v. 30.6.2022, V R 32/20, BStBl II 2023 S. 45, Rz. 18). Ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang wird daher vom EuGH z.B. bejaht, wenn die Eingangsleistung für die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen "unerlässlich" ist (vgl. EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie v. 16.9.2020, C-528/19, EU:C:2020:712, Rz. 32 ff.).

Im Streitfall steht der Vorsteuerabzug zu

Der ausschließliche Entstehungsgrund für die streitigen Vorsteuerbeträge liegt in der unternehmerischen Sphäre des X. Die Reparaturkosten sind Teil der Kostenelemente der Ausgangsumsätze der PV-Anlage. Der Schaden an dem ansonsten voll funktionsfähigen Dach ist ausschließlich durch die unsachgemäße Montage der PV-Anlage in 2009 entstanden und die Reparatur ist nur in dem hierfür erforderlichen Umfang (nur auf einer Dachseite) erfolgt. Dies genügt für eine Bejahung des Vorsteuerabzugs nach dem Kriterium des ausschließlichen Entstehungsgrundes.

Die künftige Nutzung ist nicht entscheidend

Die zukünftige Nutzung des reparierten Gegenstands ist - entgegen der Auffassung des FG - für den Vorsteuerabzug jedenfalls dann nicht maßgeblich, wenn dem Unternehmer (wie hier) über die Schadensbeseitigung hinaus in seinem Privatvermögen kein verbrauchsfähiger Vorteil verschafft wird. Es widerspräche dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, wenn ein Steuerpflichtiger für Ausgaben, die für Zwecke seiner besteuerten Umsätze erbracht wurden, deshalb die Mehrwertsteuer tragen müsste, weil einem Dritten durch diese Ausgaben ein nebensächlicher Vorteil entsteht (vgl. EuGH-Urteil Vos Aannemingen, EU:C:2020:785, Rz. 29). Das wäre z.B. der Fall, wenn X die PV-Anlage auf einem angemieteten Hausdach betrieben hätte und dieses hierbei beschädigt worden wäre. Für den Privatbereich des Unternehmers kann insoweit nichts anderes gelten.

Keine Abweichung von der Rechtsprechung

Der BFH nennt verschiedene BFH-Urteile und weist darauf hin, dass er mit dem aktuellen Urteil nicht von diesen Entscheidungen abweicht. Denn in diesen Fällen lag der ausschließliche Entstehungsgrund nicht in der Beseitigung eines nur durch die wirtschaftliche Tätigkeit entstandenen Schadens (z.B. BFH v. 3.8.2017, V R 59/16, BStBl II 2017 S. 1209).

Hinweis: Ausschließlicher Entstehungsgrund 

Dass das Wohnhaus des X einschließlich des Dachs sich in dessen Privatvermögen befindet, steht dem Vorsteuerabzug nicht entgegen. Denn die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen bestimmt nur die Anwendung des Mehrwertsteuersystems auf den Gegenstand selbst und nicht auf Gegenstände und Dienstleistungen für seine Nutzung und Wartung (vgl. BFH v. 17.12.2008, XI R 64/06, BFH/NV 2009 S. 798, Rz. 30; Abschn. 15.2c Abs. 2 Satz 2 und 3 UStAE). Das Recht auf Abzug der Vorsteuer für diese Gegenstände und Dienstleistungen ist eine gesonderte Frage, die von dem Zusammenhang zwischen diesen Gegenständen und Dienstleistungen und den besteuerten Umsätzen abhängt (vgl. BFH v. 10.2.2011, XI B 98/10, BFH/NV 2011 S. 864, Rz. 5). Deshalb bejaht z.B. Abschn. 15.2c Abs. 3 Satz 3 UStAE den Vorsteuerabzug aus Reparaturaufwendungen infolge eines Unfalls während einer unternehmerisch veranlassten Fahrt mit einem privaten Kfz (s.a. BFH v. 31.1.2002, V R 61/96, BStBl II 2003 S. 813, Rz. 21).

BFH, Urteil v. 7.12.2022, XI R 16/21, veröffentlicht am 13.4.2023

Alle am 13.4.2023 veröffentlichten BFH-Entscheidungen


Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, Vorsteuerabzug, Photovoltaik